Studierendenrat der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Beobachtungen des Ballstädt-Prozesses

Zum Stand des Ballstädt-Prozesses

Wir sind im thüringischen Ballstädt, einer kleinen Gemeinde mit rund 700 Einwohner*innen. Es ist der 09. Februar 2014, nachts um halb drei. Normalerweise sind um diese Uhrzeit die Bürgersteige hochgeklappt. Die Straßenlaternen sind seit drei Stunden ausgeschaltet, es ist stockdunkel im Ort. Nur im Kulturzentrum an der Hauptstraße brennt noch Licht. 15 Menschen feiern dort im Kleinen Saal. Sie sind der spät verbliebene Rest einer Gruppe, die sich von der Organisation der jährlich im Herbst stattfindenden Dorfkirmes kennt. Die Veranstaltung heute ist eine Dankesfeier für die Ehrenamtlichen. 50 Gäste waren anfangs um 19:00 Uhr auf der Feier, die Bürgermeisterin hielt eine Rede. Nun wird noch laute Musik aufgelegt, es wird geschwatzt, getrunken und getanzt.

Plötzlich kommt ein dunkel gekleideter, mit Totenkopfmaske Vermummter in den Saal. Er schlägt eine Person mit der Faust nieder. Die Brille zerschmettert auf dem Boden. Der Vermummte lässt sich von den alkoholisierten und sichtlich erregten Partygästen in den Vorraum drängen. Dort warten über zehn weitere Vermummte, eine „schwarze Wand“ aus kampfwilligen Menschen. Die Vermummten tragen verstärkende Quarzsandhandschuhe. In manchen Ländern gelten diese Handschuhe als Waffe und sind verboten. Die Kirmesgäste haben keine Chance. Noch bevor sie registrieren können was passiert, wird einer nach dem anderen blutig, teilweise bewusstlos geschlagen. Wer auf dem Boden liegt, auf den wird weiter eingeschlagen und getreten. Der Kleine Saal wird gestürmt. Tische und Stühle fliegen durch die Luft. Teile der Kirmesgesellschaft, insbesondere die Frauen, schaffen es noch in einen Hinterraum zu flüchten, wofür sie zuvor eine Tür eintreten. Sie bleiben unverletzt. Der Angriff dauert nur drei Minuten. Dann gibt eine Person das Kommando zum Rückzug: „Alle raus hier!“. Die Täter laufen 150 Meter weiter zum „Gelben Haus“, einem seit einem halben Jahr im Dorf bestehenden Neonazi-Wohnprojekt. Dort steigen die Vermummten lachend und schwatzend in ihre Autos. Die Gruppe ist gut gelaunt, ihre heutige Mission haben sie erfüllt. Mit quietschenden Reifen verlassen sie das Dorf.

Dies ist das Bild, das in den bisher zehn Verhandlungstagen im „Ballstädt-Prozess“ seit Dezember 2015 entstanden ist. Vor Hasskriminalität, bzw. hate crimes, ist niemand sicher. Die Angehörige eines Geschädigten hat heute noch Tränen in den Augen, wenn sie sagt: „Die Bilder von damals, die ich gesehen habe, die vergisst man nicht.“ Die 15 Angeklagten im Prozess schweigen zu den Vorwürfen. Einige grinsen, wenn Geschädigte von ihren Verletzungen berichten. Sie tauschen gerne Faxen aus. Andere schlafen. Wiederum andere besprechen ihre Verteidigungsstrategie mit ihren Anwält*innen. Eine Strategie der Verteidigung sieht vor, die Angeklagten als Opfer von Medien und zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Rechts darzustellen. Am Gelben Haus gab es einmal Hausschmierereien, am Briefkasten wurden antifaschistische Aufkleber angebracht. Im Dorf gab es ein Bürgerbündnis gegen Rechts, das zwei Demonstrationen und ein Solidaritätskonzert zu Gunsten von Opfern rassistischer und rechter Gewalt organisiert hat. Ein Zeuge sagt, das Bürgerbündnis habe Zeichen für ein weltoffenes Ballstädt setzen wollen.

Am Abend des 08.02.2014 wurde ein kleines Fenster am Gelben Haus eingeworfen. Auf diese Nachricht hin, so hat es der Angeklagte Thomas W. im April 2014 in einem Geständnis in der U-Haft erzählt, hätte sich ein Teil einer Geburtstagsfeier in Suhl nach Ballstädt begeben. Thomas W. habe mit der Kirmesgesellschaft im Saal reden wollen, dort wurden Mitglieder des Bürgerbündnisses vermutet. Aber verbale Kommunikation scheint nicht die Stärke der Angeklagten zu sein. Das Reden übernehmen die Verteidiger*innen. Und wie! Gerade die Rechtsanwälte mit einschlägigen Erfahrungen in der Verteidigung von deutschen Neonazis torpedieren den Prozess und greifen die Zeug*innen mit abstrusen und sachfremden Erwägungen und Fragen an. Hauptsache, die eigene Klientel wird befriedigt. Waldschmidt und Klemke sind Meister der verbalen Masturbation. Es ist dem beherzten Krampf um die Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden Richter, mit Unterstützung von Nebenklage und Staatsanwaltschaft, zu verdanken, dass nicht die Propaganda, sondern der Wille zur Sachaufklärung die Oberhand im Gerichtssaal behält.

Die Beweisaufnahme gestaltet sich als schwierig und zäh. In dem Mammut-Prozess vor dem Landgericht Erfurt wird dem Rechtsstaat alles abverlangt. Es geht um die Feststellung der Tätereigenschaft der Angeklagten mit den Mitteln des Rechtsstaats. Wurden Beschuldigte und Zeug*innen im Februar 2014 ordnungsgemäß belehrt? Inwieweit dürfen sich die Ermittlungsbehörden auf Informationen stützen, die das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz aus abgehörten Gesprächen erlangte? Die Zeug*innenaussagen helfen kaum weiter: In der Gruppe voller vermummter, dunkel gekleideter Personen wurde niemand identifiziert. Möglicherweise waren nicht alle Angeklagten im Prozess unmittelbar am Überfall auf die Kirmesfeier beteiligt. Möglicherweise waren auch andere oder mehr Menschen dabei.

Dass die Angeklagten null Unterstützung bei der Aufklärung des Verbrechens leisten, wird sich im Urteil bei den Angeklagten niederschlagen, deren Tatbeteiligung nachgewiesen wird. Besonders erbaulich ist diese Perspektive für die Menschen in Ballstädt und überall anders allerdings nicht. Der Prozess scheint bei den Angeklagten keinerlei Wirkung zu zeigen. Es ist erstaunlich, wie freimütig der größte Teil der Angeklagten seine Zugehörigkeit zu neonazistischem Gedankengut zur Schau trägt. Ihre Ideologie verachtet die Geschädigten und die Rechtsordnung, die ebenjene schützen soll. Umso erstaunlicher ist, dass ein offensichtlicher Charakter des Überfalls in den Hintergrund zu geraten droht: Obwohl Teile von Verteidigung und Nebenklage den Prozess als einen politischen bezeichnen, beharrt das Gericht auf der Betrachtung des Sachverhalts als unpolitisch. Fraglich ist, ob dem Ausmaß des Angriffs mit dieser Positionierung gerecht werden kann.

Einer Gesellschaft, in der Hass und Rassismus gedeihen, droht eine unaufhaltsame Steigerung der Gewalt, die sich gegen alle Menschen richtet, die nicht als der eigenen Gruppe zugehörig identifiziert werden. Nach Informationen der Antifaschistischen Aktion Gotha trachten auch Angeklagte des Ballstädt-Prozesses unbeeindruckt weiter nach Leib und Leben von Dritten.¹ Ballstädt ist nicht alleiniges Problem der Justiz. Ballstädt ist genauso Synonym für Verrohung und Gewaltaffinität, wie es die Orte der über 1600 Straftaten allein im Jahr 2015 sind, die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Schutzsuchenden stehen.² Die Präsentation von vermeintlich einfachen Lösungen, die sich überwiegend gegen ökonomisch schwache Menschen richten und die Schaffung von personifizierten Feindbildern auf die Herausforderungen unserer Weltgemeinschaft sind keine alternative Antwort, sondern Teil des Problems. Der Strafprozess soll der Wahrheitsfindung dienen. Wie man dem Hass begegnet, darauf kann der Ballstädt-Prozess jedoch keine Antwort geben. Engagement gegen Ausgrenzung und Diskriminierung findet weiterhin vor allem außerhalb der Gerichtstüren statt.

Wer sich selbst einen Eindruck vom bereits bis weit in das Jahr 2016 terminierten, öffentlichen Prozess verschaffen möchte, erfährt die Verhandlungsdaten entweder direkt vom Landgericht Erfurt oder auf dem Dokumentationsprojekt von ezra. Es ist ermutigend, dass sich zumindest im ZuschauerInnenbereich die Mehrheit solidarisch mit den Geschädigten zeigt und die Anzahl der Neonazis im Publikum deutlich übersteigt. Wir hoffen, dass dies so bleibt.

Der Schwurgerichtssaal am Landgericht Erfurt vor der Verhandlung. In der Mitte, erhöht, sitzen während der Verhandlung drei Berufsrichter*innen und zwei Schöffen sowie eine Protokollantin. Rechts sitzen der Oberstaatsanwalt, der Staatsanwalt und die sechs Nebenklagevertreter*innen. Links sitzen, auf drei Reihen verteilt, 15 Angeklagte mit jeweils einer/m Verteidiger*in.

Tag 1 – 02.12.2015

Der erste Prozesstag am 02.12.2015 dauert – die Unterbrechungen ausgenommen – nur wenig mehr als eine Stunde. Befangenheitanträge sorgen für eine Vertagung des Prozesses gegen die mutmaßlichen Ballstädt-Schläger*innen bis zum 16.12.2015. Immerhin die Anklage wurde verlesen.

Am 02.12.2015 begann der „Ballstädt-Prozess“ in der Schwurgerichtskammer des Landgerichts (LG) Erfurt. Das Verfahren behandelt einen neonazistisch motivierten Überfall auf eine Kirmesgesellschaft im 700-Einwohner*innen-Dorf Ballstädt. In der Nacht vom 08. auf den 09.02.2014 drangen Vermummte in den Gemeindesaal ein und verprügelten offenbar wahllos Teilnehmende des Festes. Nach wenigen Minuten stürmte die angreifende Truppe wieder aus dem Gemeindezentrum heraus. Der Angriff steht offenbar in direktem Zusammenhang mit dem „Gelben Haus“, einer seit 2013 von Neonazis bewohnten Immobilie in Ballstädt.³

Nunmehr stehen 15 Angeklagte vor Gericht. Aus ihrer Ideologie machen Angeklagte und Unterstützer*innen zum Prozessauftakt keinen Hehl: Kleidungsstücke von Ansgar Aryan⁴ und Slogans wie „Too white for you“ sprechen ähnlich wie Kleidungsstücke von Thor Steinar im Zuschauerbereich eine deutliche Sprache.
Auch einige Verteidiger*innen sind in der rechten Szene wohlbekannt, zwei von ihnen treten bereits am ersten Prozesstag markant auf: Rechtsanwalt (RA) Dirk Waldschmidt ist ehemaliger NPD-Funktionär⁵; und RA Olaf Klemke hat sich als Verteidiger von Neonazis beispielsweise im Fall der „Gubener Hetzjagd“ und aktuell als Verteidiger von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess einen Namen gemacht.⁶ Der Vorsitzende Richter Holger Pröbstel setzt sich ihnen gegenüber energisch für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens ein.

Direkt nach dem Aufruf der Sache durch den Vorsitzenden Richter Pröbstel wollen eben jene, RA Waldschmidt für den Angeklagten Christian H. und RA Klemke für den Angeklagten Matthias P. einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer stellen. Richter Pröbstel weist hingegen darauf hin, dass erstens vor der Stellung von Anträgen zunächst um das Wort zu bitten sei und zweitens zu diesem Zeitpunkt nur ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit möglich sei. Im Folgenden stellt Richter Pröbstel zunächst die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten fest, § 243 Abs. 1 Satz 2  StPO. Daraufhin verliest die Staatsanwaltschaft, in Person von Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hengst, die Anklage.

Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten zur Last, in der Nacht vom 08.02.2014 auf den 09.02.2014 im Ballstädter Dorfgemeinschaftshaus in gemeinschaftlicher Tatbegehung insgesamt zehn Menschen verletzt zu haben. Im Vorfeld sei der Angeklagte Thomas W. durch den Angeklagten Tony S. telefonisch über eine in der gleichen Nacht eingeworfene Fensterscheibe im „Gelben Haus“ in Ballstädt informiert worden. Nach entsprechender Mobilisierung seien vier Fahrzeuge gemeinsam nach Ballstädt gefahren und hätten sich am „Gelben Haus“ getroffen. Im unweit entfernten Dorfgemeinschaftshaus fand eine Kirmesveranstaltung statt, auf der die Angeklagten die Schuldigen für die eingeworfene Fensterscheibe vermuteten.
Insgesamt 16 Leute, darunter ein unbekannt gebliebener Mann mit dem Spitznamen „Arge“, seien dem gemeinsamen Tatplan folgend vom „Gelben Haus“ zum Dorfgemeinschaftshaus gelaufen. Sie hätten Vermummungsutensilien und Quarzsandhandschuhe getragen. Ariane S. und eine weitere Person hätten vor dem Haus Wache gestanden, während die übrigen Personen in das Haus und bis in den Vorraum des großen Saals eingedrungen seien. Thomas W., mit einer Totenkopfmaske vermummt, sei in den großen Saal gekommen. Dort habe er drei Menschen, einer von ihnen auf einem Stuhl schlafend, Faustschläge in den Kopfbereich verpasst.
Danach sei Thomas W., verfolgt von Gästen der Feierlichkeit, in den Vorraum zurückgekehrt. Dort hätten gemeinschaftlich mehrere Angreifer jeweils ein Opfer mit Schlägen und Tritten attackiert. Ein Spiegel sei mit einem Stuhl eingeschlagen worden. Ein Geschädigter sei gegen das zerbrochene Spiegelglas geworfen worden. Die Geschädigten hätten unter anderem Schädel-Hirn-Traumata, Platzwunden, Zahnverletzungen, Schnitt- und Schürfwunden erlitten. Nach wenigen Minuten habe Ariane S. das Stichwort zum Rückzug gegeben.
Die Anklage erstreckt sich auf die Tatbestände der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und des schweren Hausfriedensbruch, §§ 223, 224, 124 StGB. Für Johannes B., den jüngsten Angeklagten, könnte gemäß §§ 1, 105 JGG das Jugendstrafrecht greifen.

Nach Verlesung der Anklage richtet der Vorsitzende Richter Pröbstel die Frage an die Angeklagten, ob jemand etwas zur Anklage sagen wolle. Alle Beteiligten verneinen, einzig die Verteidigerin von Johannes B. kündigt für den weiteren Prozessverlauf eine Erklärung an.

Danach folgen Befangenheitsanträge, § 24 StPO, die die Unvoreingenommenheit der Schwurgerichtskammer in Frage stellen.
RA Ralf Schwarz begründet seinen Antrag für den Angeklagten Rocco B. damit, dass die Nebenklagevertreter*innen nach § 397a StPO mangels Beiordnungsgrunds nicht beigeordnet hätten werden dürfen.
RA Klemke bemängelt, dass die Termine der Hauptverhandlung nicht ausreichend mit ihm abgestimmt seien. Da er wegen Verfahren am Oberlandesgericht (OLG) München und am LG Koblenz mittwochs regelmäßig nicht erscheinen könne, habe er dem LG Erfurt Ausweichtage und Ausweichräume vorgeschlagen. Zumindest sei dem Angeklagten Matthias P. ein zweiter Verteidiger, der RA Kunze, beizuordnen. Dass der Richter diese Hinweise Klemkes in der Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht ausreichend berücksichtigt habe, verletze § 140 StPO analog und das Recht auf wirksame Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK.
RA Waldschmidt schließt sich den Anträgen für den Angeklagten Christian H. an. Auch seinem Mandaten habe wegen anstehender terminlicher Überschneidungen ein zweiter Verteidiger beigeordnet werden müssen. Die seiner Ansicht nach hier vom Gericht geschaffenen Gründe für eine Revision und damit ein verlängertes Verfahren sei dem Angeklagten nicht zuzumuten. Zudem habe Christian H. für seine Familie und sich einen Urlaub für Mai 2016 gebucht. Dieser Urlaub sei vor und ohne Kenntnis der Ansetzung der Verhandlungstermine gebucht worden. Das Gericht habe bei der Ansetzung der Termine der Hauptverhandlung allerdings nicht zu erkennen gegeben, ob sie von der Terminansetzung zum geplanten Urlaubszeitraum absehe. Die Kammer gebe so zu erkennen, dass ihr die Interessen des Angeklagten gleichgültig seien. Die „innere Haltung“ der Kammer gebe so Grund zur Sorge der Voreingenommenheit.

Richter Pröbstel stellt angesichts des letzten Antrags von RA Waldschmidt in Frage, ob ein gebuchter Urlaub in Kenntnis eines anstehenden Strafverfahrens schützenswert sei. Zumindest weist er RA Waldschmidt darauf hin, dass dieser bei seinen Antragsbegründungen hinsichtlich des Wissens um Verfahrensumstände wie die Terminansetzung ehrlich und wahrheitsgemäß bleiben solle.
Angesichts des entstandenen Beratungsbedarfs wird die Sitzung daraufhin für 15 Minuten unterbrochen, in denen das Gericht Abschriften der Befangenheitsanträge für alle Verfahrensbeteiligte anfertigen und austeilen lässt.

Nach der Unterbrechung und dem Anschluss der Verteidiger Klemke und Wolfram Nahrat⁷ für Matthias P. beziehungsweise Marcus R. an den Befangenheitsantrag von RA Schwarz nimmt die Staatsanwaltschaft Stellung zu den Anträgen. Sie beantragt, diese zu verwerfen, da eine Befangenheit nicht zu erkennen sei. Als Gründe werden insbesondere angeführt, dass der große Saal nur an diesem Tag zur Verfügung stünde und andere Räume für diese Hauptverhandlung ungeeignet seien. Über die Frage der Terminierung zu Zeiten des gebuchten Urlaubs von Christian H. sei zudem noch nicht entschieden worden.

Richter Pröbstel stellt anschließend fest, dass es nach § 257c StPO keine Vorgespräche im Sinne einer Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten gegeben habe. Diese werde es auch nicht geben. Nach kurzem Disput mit Verteidigern, ob die Aussage von Richter Pröbstel so zu verstehen sei, dass es an seiner Kammer überhaupt keine Möglichkeiten zur Verfahrensabsprache gebe, konkretisiert Pröbstel, dass seine Kammer nicht auf die Verfahrensbeteiligten zugehen werde, es diesen jedoch frei stehe, im Sinne einer Verständigung auf die Kammer zuzugehen.

Daraufhin beantragt RA Waldschmidt eine zweistündige Unterbrechung zur Formulierung unaufschiebbarer Anträge. RA Klemke weist noch darauf hin, dass er gehört habe, dass sich Martina Renner (MdB) im Publikum befinde. Diese habe sich an zwei Demonstrationen gegen das „Gelbe Haus“ in Ballstädt beteiligt und komme daher als mögliche Zeugin in Betracht. Sie sei deshalb des Saales zu verweisen. Der Vorsitzende Richter Pröbstel teilt mit, dass erstens auch andere Zeug*innen noch nicht des Saales verwiesen worden seien, weil dafür noch kein Bedarf bestünde, zweitens sei der Zusammenhang der Demonstrationen mit dem Tatvorwurf näher auszuführen. RA Klemke weist auf dann noch folgende Beweisanträge hin. Um 11 Uhr wird die von RA Waldschmidt geforderte Verhandlungsunterbrechung bis 13 Uhr angeordnet.

Nach der erzwungenen Mittagspause wird erneut ein Befangenheitsantrag formuliert. Dieser wird nunmehr vor allem mit dem Verhalten vom Vorsitzenden Richter Pröbstel und seiner vermeintlich Lügen unterstellenden Anweisung an RA Waldschmidt, ehrlich und bei der Wahrheit zu bleiben, begründet.

Der Prozess wird aufgrund und zur Prüfung der Befangenheitsanträge anschließend bis zum 16.12. vertagt. Die Vertreterkammer wird bis dahin über die Befangenheitsanträge entscheiden.

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Tag 2 – 16.12.2015

Der zweite Prozesstag am 16.12.2015 ist noch deutlich kürzer als der erste: Auf die Abweisung der Befangenheitsanträge vom ersten Prozesstag gegen das Gericht folgt ein weiterer Befangenheitsantrag von Rechtsanwalt (RA) Waldschmidt. Der Prozess ist nun vertagt bis zum 06.01.2016.

Nach dem Aufruf der Sache wird die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten festgestellt. RA Maik Bunzel vertritt heute RA Klemke für den Angeklagten Matthias P. Auch RA Wolfram Nahrat, für den Angeklagten Marcus R., lässt sich vertreten. Der Vorsitzende Richter Pröbstel verliest daraufhin die von einer anderen Kammer des Landgerichts getroffenen Entscheidungen zu den Befangenheitsanträgen. Alle Befangenheitsanträge des ersten Prozesstags wurden abgewiesen. Das Gericht wird somit vom Vorwurf der „inneren Voreingenommenheit“ freigesprochen.

Der Antrag des RA Klemke für Matthias P., dem sich RA Waldschmidt für Christian Martin H. angeschlossen hatte, hatte eine angeblich mangelnde Terminabsprache und die Ablehnung der Beiordnung eines zweiten Verteidigers gerügt. Der Beschluss definiert im Nachfolgenden, wann einem Befangenheitsantrag gemäß §nbsp;24 II StPO stattgegeben werden muss. Dies sei bei begründetem Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Gerichts der Fall. Es müsse Grund zur Annahme einer inneren Voreingenommenheit des Richters bestehen. Dabei komme es auf den Eindruck der Verfahrensbeteiligten an, nicht darauf, ob tatsächlich eine Voreingenommenheit bestehe. Laut abweisendem Beschluss sind keine Gründe ersichtlich, die dieses Misstrauen rechtfertigen. Es habe eine umfangreiche Korrespondenz mit allen Verfahrensbeteiligten gegeben um Terminwünschen gerecht zu werden. Dass nicht jedem Einzelfall vollständig Rechnung getragen werden könne, gebe kein Grund zur Sorge der Voreingenommenheit des Gerichts. Die Entscheidung, keine Beiordnung eines zweiten Verteidigers vorzunehmen, sei eine reine Rechtsfrage und lasse ebenfalls keine Willkür erkennen.

Der Antrag des RA Waldschmidt für Christian Martin H. wird ebenfalls zurückgewiesen. Der Befangenheitsantrag wurde mit einem für Mai 2016 geplanten Urlaub des Angeklagten begründet, auf den das Gericht anscheinend keine Rücksicht nehmen wolle. Zudem wurde auch hier die fehlende Beiordnung eines zweiten Verteidigers trotz drohender Terminkollisionen bemängelt. Die Zurückweisung dieses Antrags wird damit begründet, dass die Kenntnis eines anstehenden umfangreichen Strafverfahrens unter Berücksichtigung des Prinzips der Verfahrensbeschleunigung zu Lasten einer mit dieser Kenntnis gebuchten Urlaubsreise gehen könne. Zudem sei der Einwand des Vorsitzenden Richters Holger Pröbstel richtig, dass verhinderte Rechtsanwält*innen jederzeit Vertreter*innen entsenden können und so die Beiordnung eines zweiten Verteidigers erlässlich sein kann.

Auch ein weiterer Befangenheitsantrag des RA Waldschmidt wird zurückgewiesen. Dieser war mit der Äußerung des Richters Pröbstel begründet worden, den dieser der nach der Verlesung des ersten Befangenheitsantrags von RA Waldschmidt am 02.12.2015 getätigt hatte. Pröbstel habe Waldschmidt zu Unrecht bezichtigt, unwahre Tatsachen zu behaupten und ihn aufgefordert, bei Antragsbegründungen wahrheitsgemäß vorzutragen. Im abweisenden Beschluss wird ausgeführt, dass Pröbstel zutreffend darauf hingewiesen habe, dass Waldschmidt unwahre Tatsachen in seinem Befangenheitsantrag behaupte. Waldschmidt behauptet, er habe rechtzeitig auf Terminkollisionen hingewiesen. Dies sei inkorrekt. Mit Schreiben vom 15.07, 15.08. und 29.08.2015 habe Waldschmidt lediglich eine Verhinderung für den 25.11.2015 angezeigt, nicht jedoch für danach. Der Vorsitzende Richter habe deshalb von einer zunächst geplanten Terminierung für den 25.11.205 abgesehen.

Der Befangenheitsantrag des RA Schwarz für den Angeklagten Rocco B. wird zurückgewiesen. Dieser wurde mit einer offenbar irrtümlichen Zuordnung bei der Opfervertretung begründet. Der den Antrag ablehnende Beschluss wird damit begründet, dass in umfangreichen Verfahren mit vielen Namen auch gründlich arbeitenden Richter*innen Flüchtigkeitsfehler unterlaufen könnten. Dies allein besorge noch keinen Grund zur Befangenheit.

Ein weiterer Befangenheitsantrag des RA Waldschmidt wird abgelehnt. Dieser ist mit einer falschen Personenzuordnung des Vorsitzenden Richters, wer sich welchen Befangenheitsanträgen angeschlossen habe, sowie mit einer mutmaßlichen Parteiergreifung bei der irrtümlichen Zuordnung der Opfervertretung begründet worden. Auch dieses Ablehnungsgesuch sei unbegründet, da die falsche Personenzuordnung auch wegen der untergeordneten Bedeutung dieses Umstands passieren könne. Zudem könnten solche Flüchtigkeitsfehler auch gründlich arbeitenden Richter*innen unterlaufen. Eine innere Voreingenommenheit lasse sich daraus nicht ableiten.

Nach der Verlesung dieser Beschlüsse fragt Pröbstel, ob die fehlende Bereitschaft, sich zur Sache einzulassen, auch die Einlassung zu den persönlichen Verhältnissen betreffe. Tatsächlich bevorzugen alle Angeklagten, zu schweigen. Nur RA’in Ernst kündigt für den Angeklagten Johannes B. eine Erklärung für den nächsten Prozesstag an. Pröbstel begrüßt diesen Hinweis zwecks Planung der kommenden Verhandlungstage.

Der RA Waldschmidt erhält nun für einen neuerlichen Befangenheitsantrag das Wort. Waldschmidt betont, es sei nicht zutreffend, dass Terminkollisionen nicht mitgeteilt worden seien. Die Urlaubsterminierung sei frühzeitig erfolgt und bereits am 01.10.2015 auf die Urlaubsreise hingewiesen worden. Darauf sei die Kammer in keiner Weise eingegangen. Richter Pröbstel erwidert, die Terminierung sei davor, und zwar am 16.09.2015, erfolgt. Waldschmidt habe zudem nur auf die Terminkollision am 25.11.2015 hingewiesen; er solle ihm bitte die Dokumente vorlegen, aus denen sich etwas anderes ergebe. Waldschmidt übergibt Pröbstel daraufhin einen Zettel. Pröbstel weist nach Ansicht darauf hin, dass dieser Brief vom 08.10.2015 stamme, die Terminierung doch aber am 16.09. erfolgt sei. Pröbstel fragt verärgert, wie man ein Mandat annehmen könne, wenn man offenbar keine Zeit habe. Waldschmidt verweist auf ein Verfahren mit seiner Beteiligung am LG Koblenz. Dort sei sein Sicherungsverteidiger erkrankt, deshalb müsse Waldschmidt heute um 11 Uhr nach Koblenz aufbrechen, damit eine Zeugin aus Dresden nicht umsonst angereist sei. Erkrankungen passierten nun einmal, deshalb müssten Sicherungsverteidiger beigeordnet werden.

Mit ruhiger Stimme verkündet Pröbstel, dass über den neuerlichen Befangenheitsantrag wiederum eine andere Kammer entscheiden werde. Pröbstel wünscht deshalb verfrüht schöne Weihnachtstage und vertagt die Sitzung auf den 06.01.2016. Ein anderer Richter weist noch darauf hin, dass über ein weiteres Befangenheitsersuchen von Waldschmidt, das am 14.12.2015 schriftlich zugegangen ist, ebenfalls entschieden wird. Nach den Entscheidungen könne dann gegebenenfalls mit der Einlassung (Erklärung zur Anklage) von Johannes B. am 06.01. fortgeführt werden.

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Tag 3 – 06.01.2016

Am 06.01.2016, dem dritten Prozesstag geht es – endlich – um den konkreten Tatvorwurf. Der Angeklagte Johannes B. lässt eine Erklärung verlesen. Er streitet jegliche konkrete Tatbeteiligung ab, entschuldigt sich jedoch für die Vorfälle.
Als Zeugen berichten Kriminalhauptkommissar (KHK) Marko La. und KHK Johann R. vom Thüringer Landeskriminalamt (LKA) über ihre Vernehmungen der Angeklagten Matthias P. und Thomas W. Letzterer hatte während seiner U-Haft ein Teilgeständnis abgelegt, das vor allem ihn selbst belastet.
Die Fragen der szenebekannten Verteidiger zermürben das anwesende Publikum, das mit Verlauf der Stunden den Eindruck gewinnt, es werde – abseits weiterer Nebenkriegsschauplätze – um eine eingeworfene Fensterscheibe verhandelt und nicht um einen brutalen Überfall mit zehn Geschädigten.

Beim Eintreten der Angeklagten in den Saal wird auch mal ins Publikum gelächelt. Dort befinden sich erneut bekannte und auch vorbestrafte Thüringer Neonazis. Der Verhandlungstag beginnt nach einer halben Stunde des Wartens um 10:00 Uhr, weil ein Angeklagter bis dahin gefehlt hatte. Rocco B. begründet der Kammer die Verspätung damit, das sein altes Auto Probleme gemacht habe. Rocco B. ist somit der erste Angeklagte im Verfahren, der sich persönlich und mündlich mit einem ganzen Satz äußert. Einzig der Rechtsanwalt (RA) Windisch, Verteidiger von Tim H., lässt sich von einem Kollegen vertreten. Die Befangenheitsanträge vom Dezember werden nicht mehr angesprochen; offenbar sind sie abgelehnt und die entsprechenden Beschlüsse den Verfahrensbeteiligten schriftlich zugeschickt worden.

Einlassung von Johannes B.

RA'in Stefanie Ernst erklärt, sie werde eine schriftliche Einlassung ihres Mandanten Johannes B. verlesen. Anschließende Fragen würden nicht beantwortet, lediglich zu den persönlichen Verhältnissen werde Johannes B. noch Antworten geben. Daraufhin verteilt sie das Schriftstück mit der Einlassung von Johannes B., die Richter Pröbstel der heute nicht anwesenden Jugendgerichtshilfe noch zuschicken wird. Anschließend liest Frau Ernst im Namen von Johannes B. sinngemäß Folgendes:

„Am Samstag, den 08.02.2014, wurde ich über WhatsApp vom Mitangeklagten David S. gefragt, ob ich zu einer Geburtstagsfeier nach Suhl mitkommen wolle. Ich fragte, ob ich ein Geschenk mitbringen solle, was er verneinte. Ich sollte fahren, was ich nicht wollte, weil ich dann kein Alkohol trinken kann. Ich habe deshalb auch Felix H. gefragt, der aber auch nicht fahren wollte. Also bin ich gefahren. Ich hatte das Auto meiner Mutter genutzt und damit David S. und seinen Bruder Mario S. in Sonneberg abgeholt. Gegen 21:00 Uhr kamen wir in einer Hinterhausgarage in Suhl an. Der Name und auch das Gesicht des Gastgebers ist mir unbekannt. Auf der Feier waren 40 bis 50 Leute anwesend. Ich kannte niemanden außer die Leute von der Autofahrt. Ich trank Cola, saß die meiste Zeit in einer Ecke und langweilte mich. Als ich gerade pinkeln war und zurück kam, sagten mir Mario und David S., dass wir nach Ballstädt fahren würden. Mario war sturzbesoffen. Man hat mir nur gesagt, dass man in Ballstädt irgendwelche Schäden begutachten würde. Eine Schlägerei war kein Thema. Dann wäre ich nicht mitgefahren. Wir fuhren also los und waren hinter einem roten PKW eines der letzten Fahrzeuge in der Kolonne. Unterwegs wurde das Fahrzeug vor uns geblitzt. Aus Schadenfreude hob ich meinen Daumen und in dem Moment wurden wir auch geblitzt. An einer Tankstelle stoppten wir und holten Zigaretten und für David S. ein Bier. Sein Bruder Mario hatte da auf dem Rücksitz schon geschlafen.
In Ballstädt angekommen, fragte David S. mich, ob ich im Auto warten wolle. Das war mir ganz recht. Ich wollte lieber im Auto Zigarette rauchen und auf dem Handy spielen. Der Schaden, das Haus und die Leute interessierten mich nicht. Nach zwei, drei Minuten kam einer zurück und sagte, man wolle noch einmal die Straße runter gehen. Ich blieb, um auf das Auto aufzupassen. Hätte ich das Auto abgeschlossen, hätte Mario, der auf der Rückbank die meiste Zeit schlief und immer noch sturzbesoffen war, die Tür trotzdem von innen entriegeln können. Außerdem hatte ich Angst, dass er das Auto vollkotzen könne. Aus dem Seitenfenster konnte ich sehen, wie die Leute fortgingen. Ich konnte weder Vermummung noch Waffen sehen. Nach rund 10 Minuten kamen die Leute wieder. Sie sind hektisch in die Autos gestiegen und losgefahren. David S. stieg ein, sagte, ich solle losfahren und das tat ich dann auch. Die Autos fuhren in verschiedene Richtungen. Ich bin den normalen Weg zurückgefahren. Auf dem Weg kamen uns Polizei und Rettungswagen entgegen. Ich dachte mir angesichts des Verhaltens der Leute nun schon, dass etwas passiert und aus dem Ruder gelaufen sei. Ich wollte nach Hause, wegen David sind wir dann aber für einen Absacker ins Einsiedel nach Zella-Mehlis gefahren, der Weg dauerte rund eine Stunde. Dort habe ich ein Brötchen gegessen und bin aufs Klo gegangen. Mit der Barfrau kann man Späßchen machen und so brachten wir sie dazu, zu Mario ins Auto zu gehen und ihm Küsse zu geben. Zwischen vier und fünf Uhr war ich dann wieder zu Hause. Ich habe lange ausgeschlafen. Nachmittags schickte mir David einen Artikel zu einer Schlägerei in Ballstädt. Weil mir nichts besseres einfiel, antwortete ich blöderweise mit einem Smiley. Gegenüber der Polizei sagte ich zunächst nichts, weil ich mit der ganzen Sache nichts zu tun haben wollte. Ich bereue bereits, mit nach Suhl gefahren zu sein. Ich kannte die Leute nicht und gehörte dort nicht hin. Was in Ballstädt passiert ist, tut mir leid.“

Anschließend hält Pröbstel das Foto vom Blitzer vor, das Johannes B. erwähnt hat. Geblitzt wurde das auf eine Frau zugelassene Auto in Gotha in der Bad Langensalzaer Straße. Anschließend befragt Pröbstel Johannes B. zu seinen persönlichen Verhältnissen. Johannes antwortet selbst und tritt damit sozusagen in die Fußstapfen von Rocco B., was mündliche Äußerungen der Angeklagten betrifft. Er erklärt sinngemäß:

„Ich befinde mich zur Zeit in einer Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Momentan bin ich krank geschrieben. Ich hatte im August 2015 einen Motorradunfall. Die Beine verheilen langsam, der Rücken wird wohl für immer Einschränkungen haben. Die Ausbildung mache ich bei dem Transport- und Logistikunternehmen S. in Stockheim. Ich habe bereits eine erfolgreiche Ausbildung mit gutem Abschluss zum Spannungstechniker abgeschlossen. Ich wollte aber schon immer Berufskraftfahrer werden und habe deshalb nahtlos die zweite Ausbildung angeschlossen. Wegen der langen Krankheit bekomme ich momentan nur rund 350 € im Monat. Motorrad fahren ist mein einziges Hobby, deshalb möchte ich das weiterhin machen. Ich möchte mir dieses Jahr ein neues Motorrad kaufen, eine Honda, 1000'er. Mein Unfall war selbstverschuldet, ich bin in einer Kurve weggerutscht.
Die Schule habe ich mit einem Realschulabschluss beendet. Ich habe eine Schwester und in der Familie keine Probleme. Die Freizeit verbringe ich zumeist mit meiner Freundin, mit der ich mehr als ein Jahr zusammen bin. Sie lernt Einzelhandelskauffrau. Ich habe keine Schulden. Als Auto habe ich einen Audi A4, die entsprechenden Unterhaltskosten zahle ich selbst. Mein Chef hat Verständnis für die Krankheit und wartet auf meine Gesundung. Trotz drohender bleibender Versteifung hoffe ich, dass ich wieder normal arbeiten kann. Ich kann zwar fast alles machen, habe aber noch Schmerzen im Kreuz und kann noch nicht zu lange stehen. Ich nehme keine Medikamente, das muss ja nicht sein. In der Regelschule habe ich ein Jahr als Streitschlichter gearbeitet, das war in der 5. Klasse. Mein Chef, Matthias S., ist nicht verwandt mit Mario oder David S., der gleiche Nachname ist reiner Zufall. Ich habe keine Kinder.“

KHK Marko La. über die Vernehmung von Matthias P.

Aufgrund der Kürze der Aussage, von der möglicherweise mehr erwartet wurde, wird die Verhandlung bis zum Erscheinen des ersten Zeugen für mehr als eine Stunde unterbrochen. Um 11:30 beginnt dann die Vernehmung des Polizeibeamten Marko La., KHK beim LKA. Marko La. soll von seinen Erinnerungen an die Vernehmungen der Angeklagten Matthias P. und Thomas W. berichten.

Zunächst verlässt, auf Hinweis der Staatsanwaltschaft, eine mögliche Zeugin den Saal, in dem sie sich als Zuschauerin befand. RA Waldschmidt weist auf das Eheverhältnis dieser Person zu seinem Mandanten Christian H. und darauf hin, dass sie ohnehin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen würde. Pröbstel befragt sie deshalb als Zeugin. Martina H., 31 Jahre, Verkäuferin, macht wie angekündigt von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wohnt der Verhandlung fortan wieder als Zuschauerin bei.

Marko La. tritt wieder ein. Er berichtet von der Vernehmung von Matthias P. Er sei am Sonntag, den 09.02.2014 per Telefon um 11:00 Uhr in den Dienst nach Gotha berufen worden. Dort habe er ersten Maßnahmen der „Besonderen Aufbauorganisation“ (BAO) ZESAR, für die er beim LKA arbeite, beigewohnt. In Gotha habe er sich ein bisschen in den Sachverhalt eingearbeitet. Es habe früh fest gestanden, dass das LKA die Ermittlungen übernehmen werde. Es gab drei weitere Kollegen, die die noch zuständige Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Gotha unterstützt hätten.
Die Vernehmung von Matthias P. habe am späten Nachmittag, bzw. frühen Abend, als Zeugenvernehmung begonnen. Viele Erinnerungen an Details seien wegen des Zeitverzug von fast zwei Jahren ungenau. Er habe jedoch im Vorfeld der heutigen Vernehmung das Protokoll gelesen. Die Vernehmung von Matthias P. wurde von ihm kurz unterbrochen, als die Kollegin der Kriminalpolizei Gotha, Frau Sch., ihm Hinweise gegeben habe, woraufhin er die Vernehmung von Matthias P. als Beschuldigtenvernehmung fortführte. Matthias P. habe sich bereit erklärt, weiterhin auszusagen. Seine Aussage habe sich durch die Änderung der Zeugen- in eine Beschuldigtenvernehmung nicht geändert. Die Befragung sei insgesamt jedoch nicht sehr ergiebig gewesen und umfasse nur zwei Protokollseiten. Inhaltlich kann sich Marko La. nicht an Details erinnern. Hintergrund der Änderung zu einer Beschuldigtenvernehmung war wohl ein Hinweis von Frau Sch. zu einem vorliegenden Zeugenhinweis, dass Matthias P. im unmittelbaren Vorfeld der Tat am sogenannten „Gelben Haus“ in Ballstädt gewesen sein solle. Matthias P. habe sich am Abend des 08.02.2014 mit Andre K. auf der Party bei Rocco B. in Suhl befunden. Christina H. habe angerufen und über die eingeworfene Fensterscheibe am Haus in Ballstädt berichtet. Andre K. und Matthias P. seien dann nach Ballstädt gefahren, was ein Weg von 15 – 20 Minuten sei. Ob Matthias P. etwas zur Anreise von Rocco B. nach Ballstädt gesagt habe, wisse er nicht mehr. Auch für Details zur Autofahrt könne er sich nur auf das Protokoll berufen. Matthias P. sei ziemlich betrunken gewesen. Am Gelben Haus angekommen, hat sich Matthias P. laut eigener Aussage in die Räumlichkeiten von Andre K. zum Schlafen zurückgezogen und dort den Rest der Nacht verbracht habe. Die Schäden am Fenster habe er sich nicht angeschaut. Sein Auto hätte er erst im Laufe des 09.02.2014 bei Rocco B. in Suhl abgeholt. Die Oberbekleidung von Matthias P. sei im Rahmen der Vernehmung sichergestellt worden.

Auf Nachfrage der Nebenklage erklärt KHK Marko La.: „Meine Kollegen in Gotha vom LKA waren Polizeikommissar (PK) Ste., KHK Ha. und KHK Bo. Ersterer war auch bei der Vernehmung von Matthias P. dabei. Zum Verhältnis zu Andre K. hat Matthias P. meiner Erinnerung nach keine Aussagen getroffen. Wie gesagt hat er bei Andre K. übernachtet. Ich weiß nicht mehr, worauf sich Frau Sch. bezogen hatte, als ich die Vernehmung unterbrach. Ich weiß auch nicht, welchen Zeugen sie meinte.“

Auf Nachfrage von RA Kalauch: „Wir waren zu zweit bei der Vernehmung, PK Ste. und ich. Den im Protokoll ebenfalls aufgeführten PK Lorenz kenne ich nicht, er ist wohl als Sachbearbeiter eingetragen. Die Frage zur Arbeitsteilung bei der Vernehmung kann ich nicht mehr beantworten. Ich weiß nicht mehr, wer das Protokoll geschrieben hat. Im Prinzip habe ich die Vernehmungsführung inne gehabt. Die Aussagen von Matthias P. wurden sinngemäß niedergeschrieben und er hat die Niederschrift bestätigt. Die Pause mit Frau Sch. war relativ kurz, wie lange genau weiß ich nicht mehr.
Matthias P. hat auf die Änderung zur Beschuldigtenvernehmung relativ emotionslos reagiert. Ich kann nicht ausschließen, dass er danach eine kurze Gedankenpause eingelegt und nachgedacht hat. Den Wortlaut der Belehrung über die Rechte als Beschuldigter kann ich nicht mehr wiedergeben, dazu verweise ich auf das Protokoll. Die Belehrung habe ich durchgeführt, das ist sicher.“

RA Schwarz hält Marko La. vor, dass aus dem Protokoll die Aussage von Matthias P. hervorginge, dass Andre K. nach dem Anruf von Christina H. sehr aufgeregt gewesen sei. Matthias P. habe Andre K. deshalb Kaffee angeboten, damit er sich beruhige und auch, damit sich der getrunkene Alkohol besser abbaue. Andre K. sei dann Fahrer nach Ballstädt gewesen, Matthias P. Beifahrer. Marko La. erklärt auf Nachfrage, dass wegen einer möglichen Trunkenheitsfahrt jedoch keine Nachforschungen betrieben worden seien.

Auf Nachfrage von RA Waldschmidt erklärt Marko La., dass er den Eindruck gehabt habe, dass Matthias P. wusste, dass die Aussagen aus der Zeugenvernehmung ihn in der Beschuldigtenvernehmung nicht binden. Er habe ihm die Belehrung schließlich vorgelesen und Matthias P. bestätigt, die Belehrung verstanden zu haben.

Auf ähnliche Nachfrage von RA Klemke gibt Marko La. an, er habe die Belehrung Wort für Wort vorgelesen und Matthias P. gesagt, dass er die Aussage aus der Zeugenvernehmung zurückziehen könne. Er mache das erfahrungsgemäß immer so. RA Klemke: „Haben Sie das Wort 'zurückziehen' so verwendet?“ – „An den genauen Wortlaut kann ich mich nun nach fast zwei Jahren nicht mehr erinnern.“ Marko La. sagt, er habe keine Erinnerung daran, wer den Schaden an der Fensterscheibe begutachtet habe, möglicherweise der Andre K. Matthias P. selbst habe in Eisenach gewohnt, im sogenannten Gelben Haus in Ballstädt nur zeitweise. Er habe nicht genau nachgefragt, was „zeitweise“ meine. Er könne nicht mehr sagen, ob Matthias P. unmittelbar Angaben zum Alkoholkonsum während der Feier in Suhl gemacht habe. Möglicherweise sei er schon alkoholisiert zur Party gegangen. Die konkreten Getränke seien bei der Vernehmung nicht thematisiert worden. Ihm falle kein ausdrücklicher Grund ein, warum sie nicht genauer nachgefragt hätten. Sie seien bei der Vernehmung bei den ersten Maßnahmen gewesen. Die Ereignisse hätten sich überschlagen und sie hätten keine Zeit für Vernehmungsvorbereitungen gehabt. Die Information der Kollegin Sch. sei ihm nur mündlich übermittelt worden.
Auf erneute Nachfrage zur Art der Belehrung von Matthias P. hält Pröbstel Marko La. den im Protokoll notierten Text der Belehrung vor. Darin steht unter anderem: „Sie können Ihre bisherige Aussage widerrufen.“ Unmittelbar danach erklärt Matthias P.: „Ich habe die Belehrung verstanden. Ich möchte an meinen bisherigen Aussagen festhalten. Sie entsprechen der Wahrheit.“ Marko La. erläutert, dass er die Belehrung so vorgelesen habe, möglicherweise mit Anmerkungen erklärenderweise.

Auf Klemkes Bitte um Rücksprache mit seinem Mandanten gewährt Pröbstel fünf Minuten Unterbrechungszeit. Danach fährt RA Klemke mit seiner Befragung fort. Marko La. erklärt, Frau Hauptkommissarin (HK) Sch. habe ihn in Gotha begrüßt; sie sei viel eher als er in den Dienst gesetzt worden und habe seines Erachtens „den Hut aufgehabt“. Jemand aus Gotha sei noch dabei gewesen, habe sich jedoch im Hintergrund gehalten. Selbstverständlich habe es ein allerdings nur kurzes Gespräch mit Frau Sch. gegeben, in dem sie über die sofortige Übernahme der Ermittlungen durch das LKA gesprochen hätten. Er habe dies jedoch – wie vorher abgestimmt – abgelehnt, weil die KPI noch in den Sofortmaßnahmen war, die sie nicht unterbrechen wollten um einige Tage später eine saubere Übernahme zu gewährleisten. Er wisse nicht mehr, wie viel er über Matthias P. im Vorhinein der Vernehmung gewusst habe. Am 09.02.2014 sei er gegen 11 Uhr in den Dienst gesetzt worden. Über den Sachverhalt, was nachts in Ballstädt passiert sei, habe er auf der KPI Gotha erfahre. Er gehe davon aus, dass es Frau Sch. war, die ihm den Sachverhalt erklärte, eventuell aber auch der Kollege der KPI Gotha, dessen Name er nicht wisse. Er wisse nicht mehr, wie Matthias P. in die Geschichte involviert wurde. Es sei jedoch seine Entscheidung gewesen, Matthias P. als Beschuldigten zu vernehmen. Die Fragen an Matthias P. seien wohl erst aufgeschrieben und dann vorgelesen worden, möglicherweise gab es da auch zeitliche Überschneidungen. Er könne nicht mit Sicherheit sagen, ob er Antworten selbst aufgeschrieben oder die Niederschrift des Kollegen mitgelesen habe. Die Ermittlungen hätten sich schnell auf Personen aus dem Gelben Haus konzentriert. Er wisse nicht mehr, warum. Er wisse auch nicht, wie Matthias P. in die Dienststelle gelangte. Er wisse nicht mehr, ob er ihn abgeholt bzw. von einem Kollegen übernommen habe oder das andere gemacht hätten und er zum Beispiel bei seiner Ankunft schon im Vernehmungssaal gesessen hätte. Die Vernehmung habe mit der Belehrung begonnen. Inhaltlich habe sie mit einem Hinweis auf den Überfall in Ballstädt begonnen und der Frage, wo sich Matthias P. zur Tatzeit aufgehalten habe und welche Angaben er machen könne. Er wisse nicht mehr, ob er alle Fragen so protokolliert habe. Die Vernehmung habe vermutlich eineinhalb Stunden gedauert. Sicherlich seien auch (unprotokollierte) Gespräche über den Sachverhalt geführt worden. Er könne nicht mehr im Detail sagen, was für Gespräche stattgefunden haben könnten. Möglicherweise habe er gefragt, ob Matthias P. wissen, warum er hier sitze. Das sei aber eine Mutmaßung. Möglicherweise habe Matthias P. auch noch andere Dinge gesagt, im Vorfeld der Vernehmung und nicht unbedingt sachbezogen. In der Vernehmung wurde die Arbeit von Matthias P. bei Mitec in Eisenach protokolliert. Möglicherweise hätten sie sich über die Arbeit von Matthias P. unterhalten. Auf Vorhalt Klemkes gibt Marko La. an, er könne nicht sagen, warum Matthias P. auf eine Frage direkt mit der Nennung von Andre K. geantwortet habe. Er wisse nicht mehr, ob es Angaben zu Andre K. gab, ob sie zum Beispiel über das Thema Arbeit bei Mitec auf den Arbeitskollegen Andre K. gekommen seien. Es gebe dazu keinen Aktenvermerk. Vermutlich habe er ein solch mögliches Vorgespräch nicht für wichtig erachtet und deshalb keinen Aktenvermerk angefertigt.

Klemke: „Sind Sie sich sicher, dass Sie die Belehrung zu den Rechten als Beschuldigter so vorgelesen haben, wie sie im Protokoll vermerkt ist?“ – „Die wurde Matthias P. von mir vorgelesen, die Vernehmung im Wort habe ich geführt.“ Es könne auch sein, dass sie die Vernehmungsplätze zwischendurch gewechselt hätten und er die Protokollierung übernommen habe. Er glaube, sie hätten überwiegend nebeneinander gesessen, PK Ste. und er. Zumindest habe er keine anderen Bilder im Kopf. „Ich kann nicht sagen, wie es genau ablief, aber grundsätzlich gebe ich den Hinweis, dass Zeugenaussagen widerrufen werden können und dann nicht verwertbar sind“. Die Frage Klemkes, ob die Belehrung aus Sicht von Marko La. von hoher Bedeutung sei, wird von der Staatsanwaltschaft beanstandet. Es komme nicht auf die Bedeutung für den Zeugen an, sondern nur darauf, dass die Belehrung erfolgt sei. Die Frage sei daher bedeutungslos. Klemke erwidert, es komme nicht auf die Bedeutungslosigkeit der Frage, sondern auf den Sachzusammenhang an. Letzterer sei gegeben. Auf die Bedeutung komme es nur bei Beweisanträgen an. Die Frage wird letztlich zugelassen. Marko La. betont, die Frage sei sehr subjektiv. Die Belehrung über die Verwertbarkeit sei ja dokumentiert, da habe er deren Bedeutung wohl verinnerlicht. Klemke fragt, ob Marko La. der Unterschied zwischen Widerruf und Verwertbarkeit bekannt sei. „Jetzt, wo Sie es sagen, ja. Ich weiß den genauen Wortlaut der Belehrung jedoch nicht mehr.“

RA Waldschmidt fragt, welchen Sachzusammenhang die Arbeitsstelle mit der Tat habe. Marko La. erklärt, dass kein zwingender Verfahrensbezug bei einem möglichen Gespräch zur Arbeit bestünden haben müsste, sondern dies auch der Kennenlernphase hätte dienen können. Die Arbeit gehöre schließlich auch zu den Angaben zur Person. Auf konkrete Frage gibt Marko La. an, dass er keine erweiterte Aussagegenehmigung dazu habe, ob es Anweisungen vom LKA gebe, bei rechten Tätern nach der Arbeit der Personen zu fragen um Gefährderansprachen zu halten.
Auf Nachfrage von RA Waldschmidt sagt Marko La., er wisse nicht genau, wie Alkohol abgebaut werde. Es könne theoretisch schon sein, dass Matthias P. bei der Befragung noch Restalkohol von der Nacht gehabt habe. Zumindest habe er keinerlei Auffälligkeiten festgestellt, also kein Atem-/Alkoholgeruch oder eine verwaschene Stimme wahrgenommen.

RA Kalauch fragt, ob Marko La. bekannt gewesen sei, dass parallel eine Vernehmung von Andre K. im gleichen Gebäude stattgefunden habe. Er denke, ja. Dass Matthias P. von KOK Peters zur Dienststelle gebracht worden sei, sei ihm selbst nicht bekannt gewesen. Er wisse auch nicht, ob er darüber informiert worden sei, dass Matthias P. nach verdächtigen Gegenständen durchsucht worden sei. Er habe keine Erinnerung an eine Information zu einer solchen Durchsuchung, die aber zwecks Eigensicherung üblich sei.

RA Klemke fragt, ob es vor seiner Vernehmung von Matthias P. einen Tatverdacht gegen Andre K. gegeben habe. Antwort: „Das kann ich nicht mehr sagen.“ Er wisse auch nicht mehr, ob er vor der Vernehmung wusste, wo Matthias P. in der Tatnacht war. Er sollte möglicherweise kurzfristig bei der Vernehmung aushelfen. Er wisse nicht mehr, ob es mehr Infos als die mutmaßliche Information von Sch. gegeben habe. Klemke hält Marko La. einen Teil der Zeugenvernehmung vor: „Frage: Mit wem hatte Andre K. während der Autofahrt telefoniert? Antwort Matthias P.: Ich weiß nicht, ob er telefoniert hat. Ich war betrunken und bin zwischendurch eingeschlafen.“ Klemke führt an, es gehe im Protokoll vorher nie um ein Telefonat. Stattdessen wisse Matthias P. nichts von einem Telefonat. Warum gehe Marko La. deshalb bei seiner Art der Fragestellung davon aus, dass Telefonate stattgefunden hätten? Marko La. erklärt, er wisse nicht mehr, warum er die Frage so gestellt habe. Möglicherweise habe er ins Blaue geschossen, weil er von einem überfallartigen, abgesprochenen Angriff ausgegangen sei. Klemke: „Also geben Sie zu, dass es einen Tatverdacht gab, zumindest gegen Andre K.?“ – „Was heißt Verdacht? Was heißt Wahrheit? Ich weiß nicht, warum ich die Frage mit 'mit wem?' eingeleitet habe. Sie unterstellen mir, dass ich mehr wusste, als ich hier sage.“ – „Das tue ich.“

RA Nahrath fragt, mit was für Straftaten Marko La. es beim LKA zu tun habe. Dieser erklärt, BAO ZESAR, bei der er arbeite, bedeute „Besondere Aufbauorganisation Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung – Rechts“. Ob ihm von der Arbeit bei BAO ZESAR Andre K. bereits vorher bekannt gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er sei erst Anfang 2013 in den Staatsschutz gewechselt. Marko La. glaubt, dass Andre K. ihm nicht bekannt gewesen sein dürfte. Auf die Frage, wann er in Gotha gewesen sei, sagt Marko La., dass er 11 Uhr als Diensteinsetzung dokumentiert habe. Er sei vor der Fahrt nach Gotha nicht mehr an seinem Dienstcomputer gewesen, sondern direkt von seinem Wohnort nach Gotha gefahren. Seinen Abteilungsleiter habe er zwischendurch nicht getroffen, dieser sei in Gotha nicht vor Ort gewesen. Er wisse nicht mehr, mit wem er per Handy gesprochen haben könnte.
In Gotha habe er im Prinzip Frau Sch. unterstützt und eventuell aufkommende Fragen mitbeantwortet. Er habe sich nicht ausschließlich bei Frau Sch. aufgehalten. Sie habe die Koordinierung übernommen. Insgesamt seien es chaotische Zustände gewesen. Er gehe davon aus, dass er keiner anderen Vernehmung beigewohnt habe und namentlich auch nicht der Vernehmung von Andre K., auch nicht nur kurz. Er wisse nicht mehr, ob er Hilfe hinsichtlich der Fragenstellung zum Beispiel für Herrn Peters oder Frau Sch. gegeben habe. „Was haben Sie denn in Gotha bis zur Vernehmung gemacht? 6... 5 Stunden lang? Kaffee getrunken?“ – „Die Zeit war sehr kurzweilig. Ich habe mich im Umfeld, überwiegend bei der Kollegin Sch. aufgehalten.“ – „Hätte Sie dann nicht wissen müssen, dass Andre K. beschuldigt wird?“ – „Ja, vermutlich schon.“ Marko La. weiß jedoch nicht mehr, ob ihm bekannt war, dass Andre K. und Matthias P. zusammen zur Dienststelle kamen. Er glaube zudem nicht, dass es Informationen der BAO ZESAR gegeben habe. Er habe auch nichts am PC recherchiert, sondern sich erst gegen 17 Uhr am PC angemeldet, um die Vernehmung vorzubereiten.

RA Schwarz fragt, ob es beim LKA auch eine „BAO ZESAL“, eine Strukturaufklärung „Links“ gebe. Marko La. verneint. Bei der Frage, ob es wenigstens entsprechende Fachbeamte gebe, verweist Marko La. auf seine fehlende erweiterte Aussagegenehmigung. Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst greift ein: „Zu Ihrer Beruhigung, Herr Rechtsanwalt Schwarz: Ja, die gibt es.“ RA Schwarz weist auf den Steinwurf hin: „War der nicht links motiviert?“ Pröbstel erwidert, dass Hintergründe zum Steinwurf nicht bekannt seien. RA Nahrath: „Der Konflikt links/rechts ist doch offensichtlich.“ Pröbstel verweist darauf, dass sie hier nicht wegen des Steinwurfs Ermittlungen machen würden. Bereits seit einer Stunde würden wir eine Vernehmung machen, die nur rudimentär mit der Beschuldigtenvernehmung zusammenhänge. Insbesondere RA Klemke fühlt sich durch diese Aussage angegriffen und fragt nach, ob damit seine vor rund einer Stunde angefangene Befragung in Frage gestellt werden solle. Pröbstel entgegnet, er habe nicht genau auf die Uhr geschaut.

RA Klemke hat weitere Fragen, zunächst, warum BAO ZESAR und warum Marko La. eingeschaltet worden seien. Marko La. antwortet er habe keine Kenntnis, ob auch andere Kollegen angerufen worden seien, weder innerhalb noch außerhalb der BAO ZESAR. Er sei nicht in Kenntnis gesetzt worden, warum BAO ZESAR den Fall übernehmen sollte. Angesichts des Sachverhalts hätte er mit seinem Abteilungsleiter – falls ein ein solchen Telefonat gegeben habe – wohl über die Übernahme durch BAO ZESAR gesprochen. Den konkreten Inhalt eines solchen Telefonats wisse er nicht mehr. Er habe als wesentliche Stichwörter zum Sachverhalt nur „Ballstädt – Kirmesgesellschaft – Überfall“ im Kopf gehabt. Klemke fragt, ob Marko La. Erkenntnisse zu einer TKÜ-Maßnhame (Telekommunikationsüberwachung) gegen Andre K. bis zur Vernehmung von Matthias P., gegen 17:20 Uhr, gehabt habe. Dazu habe er keine Erkenntnis gehabt, antwortet Marko La., da sei er sich absolut sicher. Nach kurzer Unterbrechung fragt Klemke weiter: „Sie hatten von Sch. den Auftrag zur Vernehmung von meinem Mandaten Matthias P. Gab es diesbezüglich eine Marschrichtung“ – „Was ist eine Marschrichtung?“ – „Gab es eine Strategie der Befragung?“ – „Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.“ Klemke fragt weiter, ob es vor dem Vorfall seitens BAO ZESAR TKÜ-Maßnahmen gegen Angeklagte gegeben habe. Marko La. bejaht grundsätzlich, weist aber auf die vermutlich fehlende Aussagegenehmigung hinsichtlich konkreterer Details hin. Seine Aussage konzentriere sich auf das vorliegende und nicht auf andere Verfahren. Zumindest habe er keine Erkenntnisse von TKÜ-Maßnahmen während der Tatnacht.

KHK Marko La. über die Vernehmung von Thomas W.

Anschließend soll Marko La. von der Vernehmung des Angeklagten Thomas W. berichten. Marko La. erklärt zunächst die Vorgeschichte der Vernehmung. Sehr bald nach dem 09.02.2014 habe sich eine Arbeitsgemeinschaft (AG) gegründet, die sich nur mit diesem Sachverhalt des Überfalls und der Sachbeschädigung am Fenster des sogenannten Gelben Hauses in Ballstädt beschäftigt habe. Kollege Johann R. sei für diese AG verantwortlich gewesen, er selbst nicht unmittelbar. Als Ermittlungsleiter der BAO ZESAR habe er der AG nur vorgesessen und Informationen zum Stand erhalten.

Die Vernehmung von Thomas W. fand Anfang April 2014 in der JVA Goldlauter in Anwesenheit des Verteidigers Herrn RA Lippold in einem Besucherraum statt. Das Aktenstudium im Vorfeld des heutigen Gerichtstermin habe ihn daran erinnert, dass es der Vorschlag von Lippold war, dass Thomas W. sich einlassen wolle. „Da ich nicht so tief informiert war, war ich in die Vorbereitung der Vernehmung nicht eng eingebunden. Ich habe an der Vernehmung nur teilgenommen und ein paar Fragen gestellt. Kollege Johann R. war Hauptvernehmungsführer.“ Marko La. erinnert sich an eine Aussage von Thomas W. zu einem erneuten Anschlag auf das Gelbe Haus. Auf diese Mitteilung hin seien mehrere Fahrzeuge von einer Party aus Suhl nach Ballstädt gefahren. Telefonisch sollten auch andere Leute nach Ballstädt geladen werden. Neben Ballstädt wurde auch überlegt, zum Objekt „Ju.w.el“ in Gotha zu fahren. In Ballstädt müsse alles sehr schnell gelaufen sein. Es habe eine Inaugenscheinnahme des Schadens stattgefunden, es sei ein Stein und eine rote Serviette entdeckt worden und es gab den Hinweis auf eine Veranstaltung der Kirmesgesellschaft und mögliche Angehöriger des Bürgerbündnisses gegen Rechts im Ballstädter Gemeindesaal. Letztlich sei in Thomas W. der Entschluss gereift, in den Saal zu gehen und Anwesende anzusprechen. Er habe eine Maske aus dem Gelben Haus mitgenommen und sich diese auf dem Weg zum Gemeindehaus übergestreift. Die Entfernung vom Gelben Haus zum Saal sei wohl nicht allzu groß. Thomas W. habe im Saal zwei Personen auf die Sachbeschädigung angesprochen. Als die Antwort ihn nicht befriedigte, habe er beiden Personen Faustschläge verpasst. Dann sei er Richtung Ausgang des Saals gegangen, wobei er eine entgegenkommende Personen attackiert habe. In der Folge seien mitgelaufene Personen – an die Namen erinnere sich Marko La. nicht – für die anderen Körperverletzungen verantwortlich gewesen. Anschließend sei man schnell aus Ballstädt abgereist. Die Maske habe Thomas W. auf der Fahrt Richtung Gotha aus dem Auto geworfen. Thomas W. habe bei dem Angriff auch Quarzsandhandschuhe getragen.

Auf Vorhalt Pröbstels, dass Thomas W. auch die Namen einiger Gäste in Suhl genannt habe – Andre K., Christian H., Tim H., Matthias P., Rocco B., Frau Gr. und die auf der Autofahrt nach Ballstädt in Stadtilm zugestiegen Ariane S. [bis auf Frau Gr. alles Angeklagte] – bestätigt Marco La. die Namen und ergänzt, dass es sich in Suhl um eine Geburtstagsfeier gehandelt habe. Dort habe man telefonisch von der eingeworfenen Scheibe erfahren. Andre K. habe die Information an Thomas W. übermittelt. Christina H. oder Tony S. hätten die Information aus Ballstädt dem Andre mitgeteilt. Den Grund für die Anreise all dieser Personen sei nicht genannt worden. Pröbstel hält aus dem Protokoll vor, dass der Grund laut Wagner gewesen ist „um uns zu unterstützen, falls es Stress gibt“. Das „Ju.w.el“ habe nach der Einlassung von Thomas W. bei der Fensterscheibe eine Rolle gespielt haben können. Sie seien dort wohl nicht direkt hingefahren, die Fahrt Richtung Ballstädt führe aber ohnehin an dem Objekt vorbei. Thomas W. habe bei einer Ansprache von Leuten auf die Fensterscheibe auch eine Eskalation nicht ausgeschlossen. „Das lag wohl daran, dass man sich gedanklich auf körperliche Auseinandersetzungen eingelassen hat“, so Marko La.

Thomas W. habe am Gelben Haus gesagt, er gehe allein vor. An die Maske, die er mitgenommen habe, habe sich Kollege Ste. aus einer anderen Hausdurchsuchung erinnert. Zirka 16 Personen seien Thomas W. – ohne Abstimmung mit ihm – zum Gemeindehaus gefolgt. Im Gemeindesaal habe Wagner die rote Serviette auf einem Tisch wiedererkannt und daraufhin Schlussfolgerungen angestellt.

Im Prinzip habe Thomas W. alles so eingeräumt. Es habe Ergänzungen im letzten Drittel der Vernehmung gegeben, nach einer Unterbrechung. Danach habe Thomas W. sich detaillierter eingelassen. Zum Motiv befragt, vermutet Marko La., dass die Aussage vorher wohl noch zu wenig gewesen sein könnte. Thomas W. habe sich von der Einlassung eine Aufhebung der Haft erhofft. Die Verwendung der Quarzsandhandschuhe sei ganz am Ende auf konkrete Nachfrage eingeräumt worden. Marko La. sei nicht unmittelbar mit dem Ermittlungsstand betraut gewesen. Aus seiner Sicht sei das jedenfalls ein Teilgeständnis zum Zwecke der Haftaufhebung gewesen. Mitangeklagte seien nicht belastet worden. Sinngemäß habe Thomas W. gesagt, es sei kein organisiertes Vorgehen gewesen und dass er unmittelbar vor dem Angriff keine Rücksprachen mit anderen Leuten gehalten habe. Konkret habe Thomas W. ein Schubsen, ein Schlagen und noch einen Schlag im Vorbeigehen beim Verlassen des Saals eingeräumt. Letzteres sei die dritte männliche Person, der dritte Geschädigte gewesen, der einen Schlag mit der rechten Faust ins Gesicht erhalten habe. Die anderen zwei sind am Tresen gewesen, als sie geschlagen wurden, die dritte Person sei „aus Frust“ geschlagen worden.

Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst fragt, ob neben der aus dem Auto geworfenen Maske auch andere Gegenstände Thema gewesen seien. Marko La. sagt, dass es durchaus möglich sei, dass auch die Quarzsandhandschuhe aus dem Auto geworfenen worden seien. Angesichts der Bilder von den Geschädigten bekomme man generell den Eindruck, dass andere Gegenstände verwendet worden seien. Diese Vermutung habe es angesichts der Schwere der Verletzungen immer gegeben. Es habe sich doch nicht um Quarzsandhandschuhe gehandelt, „es war die Rede von Motorradhandschuhen mit Protektoren, daran erinnere ich mich jetzt.“

Bezüglich Kleidung sprach Thomas W. von einem Kapuzenshirt, die Kapuze aufgesetzt, „wohl um die Identität zu verschleiern“. Thomas W. habe zudem eine Tarnhose getragen. Die Hose habe er zu seiner Lebensgefährtin Manuela L. oder in seine Wohnung im sogenannten Gelben Haus in Ballstädt genommen. Sie sei von der Polizei im Badezimmer gefunden worden, in einem Topf. Sie habe wohl abgekocht werden sollen. Die Hosenbeine seien auch abgeschnitten worden, „um, spekulativ, Spuren zu verwischen“. Die Hosenbeine habe Thomas W. in Ballstädt entsorgt. Thomas W. habe zwar angegeben, er habe die Hosenbeine entsorgt aus Sorge, sie könnten wiedererkannt werden. Warum er das gedacht habe, wisse Marko La. jedoch nicht. Auf Vorhalt wird deutlich, dass Thomas W. auf dem Weg in den Gemeindesaal zu den anderen gesagt haben will: „Ich gehe jetzt da vor – ihr bleibt hier.“

Auf Nachfrage der Nebenklagevertreterin RA'in Pietrzyk berichtet Marko La., dass die Aussage von Thomas W. stückchenhaft zusammen gekommen sei. Die Vernehmung habe aus drei Teilen bestanden: 1. Freie Rede. 2. Nachfragen. 3. Weitere Einlassung nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt, Lippold. Die Handschuhe seien erst nach Rücksprache mit dem Rechtsanwalt eingeräumt worden. Ein unmittelbares Bedauern habe Marko La. nicht feststellen können. Thomas W. habe sehr gefasst gewirkt. Die Nachfrage von RA'in Pietrzyk, ob er „abgeklärt“ gewirkt habe, wird von RA Klemke beanstandet, da es sich um eine Suggestivfrage handele. Pröbstel erklärt, Suggestivfragen seien nicht verboten. Pietrzyk erklärt, bei sich nicht zur Sache einlassenden Beschuldigten sei es besonders wichtig, sich ein Bild vom Auftreten der Beschuldigten zu machen. Sie zieht die Frage dennoch zurück und fährt anders fort. Marko La. erklärt, er wisse nicht, ob über die Anbringung der Protektoren geredet worden sei. Insgesamt habe Thomas W. gewusst, was er sagt. Er habe in freier Rede gesprochen, daher habe Marko La. schon gedacht, dass Thomas W. sich im Vorhinein Gedanken über seine Aussage gemacht habe. Auswendig vorgetragen habe es jedoch nicht gewirkt.

Die Nebenklagevertreterin RA'in Lang erfährt auf Nachfrage von Marko La., dass Andre K. nach Ballstädt der Fahrer und Thomas W. sein Beifahrer gewesen sei. RA'in Lang fragt nach einem gedanklichen Abgleich dieser Information mit der Vernehmung von Matthias P. Marko La. fällt nach einigem Grübeln auf, dass da offenbar etwas nicht stimme. Laut Matthias P. ist Andre K. der Fahrer von Matthias P. gewesen, laut Thomas W. allerdings ist Andre K. der Fahrer von Thomas W. gewesen.

Auf Nachfrage von RA Lippold korrigiert Marko La. Lippold zunächst, dass die Vernehmung seines Erachtens nicht von Thomas W., sondern von RA Lippold ausgegangen sei. Die Gesprächsatmosphäre in der Vernehmung, eigentlicher Inhalt der Frage, bezeichnet Marko La. als „entspannt“. Zur Arbeitsteilung gefragt, erzählt Marko La., soweit er sich erinnere, habe Kollege KHK Johann R. die Gesprächsführung überwiegend übernommen, er sei Protokollant und POK Langlotz anwesend gewesen. Er wisse nicht mehr, ob das mögliche Ziel der Haftentlassung konkret thematisiert worden sei. Möglicherweise habe Johann R. vor der Besprechung zwischen RA Lippold und Thomas W. gesagt, dass das noch zu wenig sei und mehr kommen müsse. Lippold fragt, ob Marko La. den Eindruck eines Zweckverhaltens von Thomas W. gehabt habe? Es sei schon sachbezogen, aber auch zweckdienlich gewesen. Er könne sich nicht erinnern, ob Maske und Handschuhe wieder entdeckt worden seien. Es war intern schon Thema, sie hätten überlegt, die Autostrecke abzufahren, was sie aber verworfen hätten. Er wisse nicht mehr, ob sie Thomas W. einen anderen Eindruck bezüglich des Auffindens der Gegenstände vermittelt hätten, „das wäre ja eine verbotene Vernehmungsmethode“, so Marko La.

RA'in Ernst fragt, ob Marko La. das sogenannte Gelbe Haus und den Gemeindesaal kenne und wie weit die Orte entfernt seien. Er sei schon in Ballstädt gewesen, antwortet Marko La., jedoch nicht im Gemeindesaal. Er kenne das Gelbe Haus. Er schätzt die Entfernung zunächst auf 50/60 Meter. Die Nachfrage, ob die Gebäude in Sichtweite seien, bejaht Marko La. und korrigiert seine Einschätzung auf 40/50 Meter. Die Gebäude befänden sich in der gleichen Straße, die ein Stück um die Ecke ginge.
Er erinnere sich nicht mehr, ob sich alle Richtung Saal bewegt hätten oder einige auch am Gelben Haus gebliebenseien. Er habe daran keine konkrete Erinnerung. RA'in Ernst macht einen Vorhalt, nach dem Thomas W. gesagt habe: „Auf der Straße standen fünf bis sechs Leute von uns, andere blieben möglicherweise in den Autos“. Ähnlich fragt Ernst zu der Personenanzahl im Vorraum des Gemeindesaales. Laut Protokoll der Vernehmung berichtet Thomas W. von „ungefähr fünf bis sechs Leute von uns“.

RA Schwarz verdeutlicht mit Hilfe des Protokolls, dass Thomas W. diese Personen im Vorraum nach eigener Aussage nicht benennen konnte. Auf Nachfrage zu einem möglichen Angebot der Haftentlassung gegenüber Thomas W. gibt Marko La. an, dass er mit dem Thema „Haftentlassung“ in dem Fall nichts zu tun gehabt habe.

Da Marko La. zuvor erwähnt hatte, dass Kollege Johann R. auch geladen sei, fragt RA Waldschmidt, woher Marko La. von der Ladung von KHK Johann R. wisse. Marko La. bestätigt, dass Johann R. genau wie er eine Ladung erhalten habe und sie kurz miteinander über die Ladungen gesprochen hätten. Er glaube, er habe Johann R. kontaktiert, „um zu eruieren, ob er auch eine Ladung bekommen hat.“ Auf Nachfrage von RA Waldschmidt, warum er ausgerechnet Johann R. kontaktiert habe (er selbst riefe nach einer Gerichtsladung schließlich auch nicht alle Kolleg*innen an), erläutert Marko La., dass Johann R. halt Hauptermittler gewesen sei und er zuvor von anderen Ladungen nichts mitbekommen habe und sich gewundert habe, warum er als erster eine Ladung erhalten habe. Nach Vorhalt, dass sich aus dem Protokoll nicht ergebe, dass in Richtung Thomas W. seine Aussage als „zu wenig“ beanstandet worden sei, fragt Waldschmidt, ob Marko La. eine solche Äußerung für unwesentlich halte, die nicht protokolliert werden müsse. Marko La. antwortet, er halte es dahingehend für unwesentlich, dass der anwesende Rechtsanwalt keinen Widerspruch geäußert habe bzw. nicht auf eine Protokollierung bestanden habe.

RA Klemke fragt, ob Thomas W. in der Vernehmung von einem „erneuten Angriff“ auf das Gelbe Haus gesprochen habe. Dies sei möglich, sagt Marko La., vielleicht vermische er die Aussage auch mit eigenem Wissen. Ihm sei bekannt, dass es vorher eine länger zurückliegende Sachbeschädigung gegeben habe. Klemke weist darauf hin, dass es zirka zwei Wochen nach dem Einzug in das Haus einen ersten Angriff in Form von Aufklebern auf Fenstern und Briefkästen gegeben habe. Davon sei Marko La. nichts bekannt. Es habe im Vorfeld, er wisse nicht genau wann, Vorfälle gegeben, er sei aber von gleich gelagerten Sachverhalten wie dem Steinwurf ausgegangen. In dunkler Erinnerung meine er sich an etwas in Richtung Farbanschlag erinnern zu können. Klemke fragt nach Marko La. bekannten Parolen, Demonstrationen, Internetforen. Er wisse, dass es Aktionen gibt oder gab. Er könne zeitlich nichts genau einordnen, er wisse nur, dass es derartiges gebe oder gegeben habe. Wie es gegenwärtig aussehe, könne er nicht sagen. Auf Klemkes Frage, ob er konkret Anmelder*innen von Demonstrationen namentlich benennen könne, erwidert Marko La., dass er keine Kenntnis von einer konkreten Demo habe, mutmaßlich handele es sich bei solchen Anmelder*innen um Menschen aus dem ortsansässigen „Bürgerbündnis gegen Rechts“. Er wisse nicht, ob es 2013 im Gemeindesaal Veranstaltungen gegen das Gelbe Haus gegeben habe. Klemke sagt, es solle in diesem Saal ein Benefizkonzert mit AntiFa-Bands gegeben haben. Davon ist Marko La. nichts bekannt.

Die Frage von RA Schwarz, woher er das Gelbe Haus kenne, beantwortet Marko La. nicht und weist auf die fehlende erweiterte Aussagegenehmigung hin. Er kenne das Haus wegen einer Angelegenheit von vor dem 09.02.2014.

Auch die Frage von RA'in Pietrzyk zu Marko La. bekannten Nazibands im Gelben Haus, konkret der Gruppe „SKD“, beantwortet Marko La. nicht und weist erneut auf die fehlende Aussagegenehmigung hin.

RA Waldschmidt weist auf den Sachzusammenhang von eingeworfener Fensterscheibe und dem Überfall auf die Kirmesgesellschaft hin und fragt, ob die Straftaten mit gleicher Intensität geführt worden seien. Das Fenster sei in der AG auch Teil der Ermittlungen gewesen, so Marko La., weshalb in den Vernehmungen auch immer nach Erkenntnissen zu dem Fenster gefragt worden sei: „Wir hätten das Verfahren um das Fenster gerne aufgeklärt, das sage ich aus Sicht der Polizei deutlich.“
Marko La. ist noch in Hausdurchsuchungen am 15.02.2014 unmittelbar eingebunden gewesen. Konkret waren das Durchsuchungen bei Thomas W., Christina H., Manuela L., also der erste Komplex. Er sei Polizeiführer der Gesamtmaßnahmen gewesen. Ihn habe das erfolgreiche Auffinden von Beweisstücken überrascht. Sie hätten Kleidungsstücke mit bluttypischen Anhaftungen, Glassplitter und die besagte Hose gefunden.

Auf Nachfrage von RA'in Pietrzyk erklärt Marko La, bei der Durchsuchung der Wohnung von Tony S. nicht mit vor Ort gewesen zu sein.

Als Pröbstel den Zeugen Marko La. entlassen möchte, stellt Klemke einen Antrag auf Vereidigung des Zeugen. Pröbstel wirkt angesichts des Antrags überrascht. Klemke erklärt, er wolle Marko La. zum Zwecke einer wahrheitsgemäßen Aussage vereidigen lassen. Er habe den Eindruck, dass der Zeuge Vorwissen gehabt und gewusst habe, dass Andre K. unter Tatverdacht gestanden hätte. Als Indiz verweist Klemke auf die gemeinsame Anreise der beiden zur Dienststelle und auf die Frageformulierung, „mit wem“ Andre K. telefoniert habe. Zudem habe Marko La. sehr ausweichend auf seine Fragen geantwortet und sei hinsichtlich Matthias P. immer ins Ungefähre gegangen. Sein Mandant Matthias P. habe daher von Anfang an als als Beschuldigter befragt werden müssen. Die Indizien und Widersprüche seien erdrückend. Die Staatsanwaltschaft und Pröbstel sehen dennoch keinen Anlass zur Vereidigung. RA Waldschmidt schließt sich dem Antrag Klemkes an. Er weist auf den Status von Markus La. als „Fachbeamter für politische Straftaten gegen Rechts“ hin und könne nicht glauben, dass er in fünf Stunden nichts gemacht habe, wo er die Beamten sonst als sehr fleißig wahrnehme. RA Nahrath bekräftigt die Aussagen von Waldschmidt und Klemke. Der Zeuge habe von Sofortmaßnahmen gewusst und davon, dass etwas im Gange sei. Als Fachmann habe er davon ausgehen müssen, dass Matthias P. von Anfang an Verdächtiger sei. Die RA Nahrath und Schwarz schließen sich dem Antrag von Klemke an. Im Dialog mit Pröbstel und der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass Andre K. nach 16:07 Uhr über seine Rechte als Beschuldigter informiert worden ist, in einem späteren Dokument aber noch einmal als Zeuge bezeichnet wurde. Matthias P. sei zwar nach verdächtigen Gegenständen durchsucht worden, was anders als bei der Durchsuchung nach gefährlichen Gegenständen mehr als nur der Eigensicherung der Polizeibeamten diene. Es ergibt sich laut Pröbstel daraus aber nicht, dass Marko La. etwas von dieser Durchsuchung und der damit einhergehenden Verdächtigung gewusst habe. Marko La. habe teilweise unglückliche Formulierungen gewählt, was aber auch mit der zwischenzeitlichen Verwendung der Fragenden „im doppelten Konjunktiv“ zusammenhänge.

Nach einer Unterbrechung von 15 Minuten bestätigt die Kammer die Anordnung des Vorsitzenden Richters Pröbstel, den Zeugen Marko La. nicht zu vereidigen. Eine Vereidigung finde nur bei bestimmten Tatsachen statt, die offensichtliche Falschaussagen belegten und wenn absehbar sei, dass die Vereidigung zu anderen Erkenntnissen führe. Dies sei hier nicht der Fall. Klemke macht deutlich, mit dieser Entscheidung nicht einverstanden zu sein.

KHK Johann R. über die Vernehmung von Thomas W.

Anschließend tritt als Zeuge KHK Johann R. auf, ebenfalls vom LKA Thüringen. Er soll von der Vernehmung des Angeklagten Thomas W. berichten. Diese habe laut Johann R. Anfang April 2014 in der JVA Goldlauter auf Wunsch von Thomas W. stattgefunden. Er habe eingeräumt, von einer Geburtstagsfeier in Suhl nach Ballstädt gefahren zu sein um einen Schaden durch einen Steinwurf am sogenannten Gelben Haus zu begutachten. Danach sei er zum Gemeindesaal gegangen, wo er sich zum Tresen begeben habe um Nachfragen zur Sachbeschädigung zu stellen. Dann habe er die erste Person vom Stuhl geschlagen. Auf die, von den Zeugen beschriebene, signifikante Totenkopfmaske habe er sich zunächst nicht eingelassen. Erst nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt habe Thomas W. zugegeben, auf dem Weg aus dem Saal heraus zwei weitere Personen geschlagen zu haben, eine weitere Person am Tresen und eine an einem Tisch schlafend. Von den Geschehnissen im Vorraum des Saales will er keine Kenntnis haben und sich dann direkt zum Gelben Haus begeben haben. Johann R. vermutet, Thomas W. habe sich mit der Aussage wohl der U-Haft entziehen wollen. Dies sei während der Vernehmung allerdings nicht offen thematisiert worden. Von ihm sei zur Prüfung der Untersuchungshaft nichts gesagt worden. Auf Vorhalt von Pröbstel bestätigt Johann R. die Namen von genannten Partygästen in Suhl: Andre K., Christian H., Tim H., Matthias P., Rocco B., Frau Gr. – und später auf der Autofahrt nach Ballstädt die zugestiegene Ariane S. Die Namen habe Thomas W. frei herausgegeben. Die Information über den Steinwurf hätte er von Tony S. gehabt, der den Andre K. angerufen habe. Auf der Feier habe er wohl Alkohol getrunken, zur Menge kann Johann R. nichts sagen. Auch die Namen der Menschen, die mit nach Ballstädt gefahren seien (die gleichen wie oben), seien von Thomas W. gekommen. Auf Pröbstels Frage, ob ihnen die Namen schon vorher bekannt gewesen seien, antwortet Johann R., dass man eine Information vom Thüringer Verfassungsschutz zu einem Kontakt von Thomas W. gehabt habe.

Johann R. berichtet, dass Thomas W. zunächst das „Ju.w.el“ in Gotha als Ursache des Steinwurfs vermutet habe. Er sei nicht alleine gefahren, weil er nicht alleine auftreten wollte, falls es zu einer Eskalation kommen sollte. In Ballstädt selbst sei Thomas W. dann zum Gemeindehaus vorgelaufen „um die Sache zu klären“. Christina H. und Tony S. seien im Vorfeld wohl zum Saal vorgefahren und hatten daher die Information über die Feier der Kirmesgesellschaft. Diese Information hatten sie Thomas W. mitgeteilt. Pröbstel fragt, warum Thomas W. ausgerechnet zu der Gesellschaft im Ballstädter Saal wollte. Thomas W. habe dort wohl Menschen der linken Szene vermutet. Pröbstel weist hin: „Nicht jeder muss links sein, nur weil er was gegen Nazis hat.“ Daraufhin ergänzt Johann R., dass es sich um das Ballstädter „Bürgerbündnis gegen Rechts“ gehandelt haben könnte, von dem Thomas W. Mitglieder unter der Kirmesgesellschaft vermutet haben könnte.

Am Anfang habe Thomas W. nichts zum Tragen von Handschuhen gesagt. Erst nach der Besprechung mit seinem Rechtsanwalt habe er von Protektorenhandschuhen gesprochen. Die Maske habe er wohl verwendet um seine Identität zu verschleiern. Laut Eigenaussage ist Thomas W. vorgegangen und habe die Sache alleine klären wollen. Aus dem Protokoll wird ein Satz von Thomas W. vorgehalten: „Ich gehe da jetzt vor und ihr bleibt hier.“ Thomas W. habe Schlussfolgerungen auf die Täterschaft aus den Reihen der Kirmesgesellschaft wegen einer dort auf dem Tisch liegenden roten Serviette angestellt. Eine solche hätte sich auch beim Stein befunden.
Konkret habe Thomas W. eingeräumt, dass er zunächst einen Arm um einen Geschädigten gelegt habe, nach seiner Frage habe er denjenigen vom Hocker gestoßen und dann beim Hochkommen noch einmal mit der rechten Faust auf die linke Gesichtshälfte geschlagen. Weiteres habe Thomas W. zunächst bestritten.

Aus Sicht von Johann R. sei Thomas W. auch nach der Besprechung mit seinem Rechtsanwalt nicht überrascht gewesen. Er kenne Beschuldigtenvernehmungen und den Umgang mit der Polizei. Er habe sich „erfahren“ verhalten. Rechtsanwalt Lippold habe auch manchmal etwas gesagt. Nach der Besprechung mit Lippold habe Thomas W. einen weiteren Faustschlag in das Gesicht der zweiten Person am Tresen zugegeben, genauso wie das Schlagen auf einen am Tisch Schlafenden, was er „aus Frustration“ gemacht habe. Dann sei das mit den Handschuhen gekommen. Thomas W. habe Motorradhandschuhe mit Plastikprotektoren getragen. Die Maske sei schon mal bei einer Hausdurchsuchung in der ehemaligen Wohnung von Thomas W. in Crawinkel gesehen worden. Ansonsten habe Thomas W. ein dunkles Kapuzenshirt und eine dunkle Hose getragen. Bei der Hausdurchsuchung im Februar 2014 sei eine ähnliche oder diese Hose gefunden worden, sie habe sich in einem Kochtopf befunden und die Hosenbeine seien abgeschnitten gewesen (letztere seien nicht gefunden worden). Er habe aus der Hose wohl eine kürzere Hose machen wollen.

Als leitendes Motiv für seine Aussagen vermutet Johann R. die Beratung mit seinem Rechtsanwalt und mutmaßlich eine positive Entscheidung für die nächste Haftprüfung. Nach den bekannten Zeugenaussagen sei es sehr wahrscheinlich gewesen, dass Thomas W. der mögliche Haupttäter war, aber unwahrscheinlich, dass dann nur eine Person Opfer von ihm wurde. Warum er nichts Belastendes über andere gesagt habe? Er habe wohl nicht als... Johann R. überlegt... „Verräter“ dastehen wollen.

RA Lippold fragt nach der Information vom Verfassungsschutz. Johann R. erklärt, die Information sei seines Erachtens nach per Fax eingetroffen, es habe kein Wortprotokoll gegeben. Er glaube, Thomas W. habe nach diesen Erkenntnissen mit David S. telefoniert, „aber nageln Sie mich bitte nicht darauf fest“. An ein zwischenzeitliches Resumée der Vernehmung, bevor es zur Besprechung mit RA Lippold kam, kann sich Johann R. nicht erinnern.

RA Waldschmidt hakt nach: „Wäre so ein Angebot einer 'Haftentlassung' etwas Wesentliches gewesen, was Sie in das Protokoll geschrieben hätten?“ – „Ich hätte so ein Angebot nicht gemacht.“ Er wiederholt auf Nachfrage, dass in seinen Verhandlungen solche Angebote nicht gemacht würden.

Auf die Frage von RA Schwarz zur Arbeitsteilung in der Vernehmung erklärt Johann R., Marko La. habe das Protokoll geschrieben und er überwiegend die Fragen gestellt. RA Schwarz hält Johann R. Fragen aus dem Protokoll vor: „Welches Handy mit welcher Handynummer benutzen Sie derzeit? Wo ist Ihr Handy verblieben? Warum haben Sie mit dem Handy nach dem 09.12.2014 nicht mehr telefoniert?“ Schwarz fragt, woher Johann R. gewusst habe, dass er nicht mehr telefoniert habe. Johann R. erklärt, das könne er nicht mehr beantworten, das wisse er jetzt nicht.

RA'in Ernst fragt, wie zuvor auch schon Marko La., ob er den Saal und das Gelbe Haus kenne und wie weit er die Entfernung einschätze. Johann R. erklärt, er kenne die Gebäude nur von außen und schätze die Entfernung auf zirka 800 Meter, die Entfernung sei auch in den Akten dokumentiert. Befragt zur Anzahl der mitgelaufenen Personen kann sich Johann R. zunächst nicht an eine Aussage von Thomas W. erinnern. Ihm wird vorgehalten, laut Protokoll hätten fünf bis sechs Leute mit ihm auf der Straße gestanden. Johann R. erinnert sich daran, dass Thomas W. nicht gewusst habe und nicht wissen wollte, wer noch hinter ihm herlief.

RA Klemke hält vor: „Am Torbogen folgten mir fünf bis sechs Leute.“ Klemke fragt, ob sich Johann R. nun erinnere. „Das hat er wohl so gesagt.“ Klemke lässt nicht nach und fragt, ob er eine konkrete Erinnerung habe, woraufhin Johann R. einräumt: „Ja, jetzt erinnere ich mich daran.“ Ober nachgefragt habe, woher er das mit den Personen wisse; schließlich seien sie hinter ihm gewesen? „Vielleicht habe ich die Frage gestellt gehabt.“ Ob Thomas W. von sich aus etwas dazu gesagt habe? „Das hat er sicherlich auf Nachfrage gesagt, aber ich weiß nicht, ob er gesagt hat, woher er weiß, wer ihm folgte.“

RA Kalauch fragt nach einer Angabe zur Anzahl anderer Mitglieder im Vorraum des Gemeindesaals. Johann R. glaubt, Thomas W. habe keine Namen genannt, Zahlen stünden sicherlich im Protokoll. Kalauch hält vor: „Da waren ungefähr fünf bis sechs Leute von uns“. Johann R. erklärt zudem erneut, dass er die Fragen gestellt habe und Marko La. mitgeschrieben habe. Er wisse nicht, wie viele Verhandlungen er mit seinem Kollegen Marko La. geführt habe. Er sei Leiter und Sachbearbeiter der AG Ballstädt gewesen, habe aber keinen weiteren Verhandlungen beigewohnt.

RA Nahrath hält aus dem Protokoll vor, dass Thomas W. nicht habe sagen können, ob die anderen vermummt gewesen seien. Das hätte er nicht gesehen.

RA Klemke möchte wissen, inwieweit die AG Ballstädt neben dem Überfall auf die Kirmesgesellschaft Bemühungen zur Sachbeschädigung am Fenster unternommen habe, insbesondere zur Tatortsicherung und der (DNA-)Spurensicherung. Johann R. versichert, sie hätten fast jeden Bürger von Ballstädt zu den Vorkommnissen befragt und dabei auch immer nach dem Fenster gefragt. „Jeder, der angetroffen werden konnte, wurde befragt.“ Das Verfahren habe er übergeben, nachdem der Sachverhalt „Kirmesgesellschaft“ abgearbeitet gewesen sei, weshalb er zum aktuellen Sachverhalt Fenster nicht so viel sagen könne. Es habe wohl einen DNA-Treffer am Stein gegeben, aber mehr könne er nicht sagen. Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden wie dem Verfassungsschutz habe es seiner Meinung nach nicht gegeben. Er habe keine Erkenntnisse vom Verfassungsschutz wegen der Sachbeschädigung. Auf die Frage nach weiteren Vorfällen am Gelben Haus erklärt Johann R., dass es zwei Farbschmierereien gegeben habe, die polizeilich abgeschlossen seien. Im Detail könne er zu den Verfahren nichts sagen. Er persönlich habe dahingehend und im Bezug zum Sachverhalt „Fenster“ auch keine Recherche in Online-Netzwerken betrieben. Andere Aufgaben zur Ermittlung im Sachverhalt „Fenster“ habe er verteilt. Sie hätten die meisten Bürger und explizit nicht nur die Kirmesgesellschaft zu den Vorfällen befragt. Das sei teils-teils im Rahmen von Zeugenvernehmungen oder – wenn keine relevanten Aussagen ersichtlich waren – im Rahmen von informatorischen Befragungen abgelaufen. Eine weitere detaillierte Frage zur Causa „Fenster“ beanstandet RA'in Pietrzyk, da sie den Sachzusammenhang der Frage mit den Verletzungen ihres Mandanten, um die es in der Anklage gehe, nicht erkenne. Auch Pröbstel formuliert Befremden. Klemke zieht die Frage zurück.

Auf Nachfrage von RA Kalauch erläutert Johann R., er habe das Verfahren am 11.02. von Frau Sch. von der KPI Gotha übernommen. Befragt nach Informationen vom Thüringer Amt für Verfassungsschutz, denk Johann R., dass es Zuarbeiten dieser Behörde zur Handynummer von Thomas W. gegeben habe. Ob diese Zuarbeit Grundlage der Frage nach dem Handy gewesen sei? Er wisse trotzdem nicht, ob das eine normale Frage gewesen sei oder woher das Wissen gekommen sei.

RA Waldschmidt fragt nach dem Alkoholkonsum der anderen Leute außer Thomas W., wozu Johann R. nichts sagen kann. Ob er die Alkoholisierung von Tatbeteiligen für relevant halte? „Die Alkoholisierung von Tatbeteiligten ist sicherlich relevant, wenn man sie gerichtsfest nachweisen kann“. Waldschmidt fragt nach, was er mit gerichtsfestem Nachweis meine und ob nicht zum Beispiel eine Zeugenaussage, eine Person habe zehn Flaschen Bier getrunken, relevant sei. „Eine solche Zeugenaussage zum Alkoholkonsum“, so Johann R., „würden wir protokollieren.“

RA Lippold fragt noch einmal nach der Causa „Steinwurf“. Habe Johann R. mit DNA-Treffer gemeint, dass DNA am Stein gefunden worden sei oder dass ein Abgleich mit anderer DNA positiv gewesen sei? Johann R. habe das Verfahren um den Stein nicht endbearbeitet, meine aber, dass eine Person identifiziert worden sei. Ihm sei nicht bekannt, ob es in sozialen Netzwerken oder woanders Gruppen gebe, die sich im Ballstädter Zusammenhang irgendwie „gegen rechts“ oder so nennen.

Klemke fragt, ob Thomas W. seinen Verdacht gegen Linke aus Gotha bezüglich des Steinwurfs erklärt hätte. Aus einem Vorhalt ergibt sich, dass es drei, vier Wochen zuvor eine Sachbeschädigung gegeben habe. Klemke weist darauf hin, dass diese Sachbeschädigung auf der Homepage der Antifa Gotha gutgeheißen worden sei. Ob es deshalb Ermittlungen gegeben habe? Diese Frage wird von RA'in Pietrzyk beanstandet. Nach kurzem Disput lässt Pröbstel die Frage nicht zu. Klemke fordert einen Gerichtsbeschluss. Diesen gibt es nach einer kurzen Pause: Die Kammer bestätigt die Entscheidung von Pröbstel, die Frage zurückzuweisen, weil es keinen hinreichenden Bezug zum Verfahren gebe.

Klemke fährt fort. Ob sich Johann R. daran erinnern könne, dass Thomas W. Menschen aus dem Ballstädter „Bündnis gegen Rechts“ als mögliche Täter der Sachbeschädigung bezeichnet habe? Ja, er erinnere sich. Er wisse nicht, ob sie nachgefragt hätten, wieso er das glaube. Thomas W. habe keine konkreten Namen genannt. Johann R. sei Leiter der AG Ballstädt bis, so glaube er, August 2014 gewesen. Mit Übergabe der Akten an die Staatsanwaltschaft sei die AG aufgelöst worden. Der DNA-Treffer am Stein sei später vermutlich bei Kollege Ste. eingegangen. Von der Art der Trefferermittlung wisse er nichts. Ob er wisse, ob Ste. DNA-Überprüfungen mit Beschuldigten oder – Betonung – Zeugen vorgenommen habe? Johann R. habe den Treffer zur Kenntnis genommen. Weisungskompetenzen gegenüber Kollege Ste. habe er allerdings keine.

RA Nahrath fragt nach dem Vorhandensein eines Ermittlungsauftrags zu einem Vergleich der Servietten vom Stein und vom Gemeindesaal. Johann R. habe solch einen Ermittlungsauftrag nicht konkret formuliert, ob die Kriminaltechnik (KT) das gemacht habe, wisse er nicht. Ihm sei nicht bekannt, ob ein direkter Vergleich vorgenommen worden sei.

RA'in Pietrzyk fragt, ob den Geschädigten DNA entnommen sei? „Ja.“ – „Ist diese gespeichert?“ – „Nur für das Verfahren.“ – „Hat Ste. Ihnen mitgeteilt, ob ein DNA-Treffer mit den Geschädigten vorliege?“ – „Nein.“ Zudem fragt Pietrzyk, ob nur Thomas W. die Menschen aus Gotha im Verdacht hatte oder dies Gruppenüberlegungen gewesen seien. Vorhalt aus dem Protokoll: „Während der Autofahrt haben wir spekuliert, wer das Fenster eingeworfen haben könnte.“ Dann, so Johann R., werden sie das zusammen spekuliert haben. Im Auto saßen, auch dies ergibt sich wiederum aus einem Vorhalt, André K als Fahrer des VW Touran, Matthias W. als Beifahrer und auf der Rückbank Ariane S. und Frau Gr. Johann R. wisse nicht, ob alle mit spekuliert hätten, wer das Fenster eingeworfen haben könnte.

RA Klemke fragt, ob neben den Verletzten auch andere Menschen der Kirmesgesellschaft erkennungsdienstlich behandelt worden seien. Johann R. glaube, es betreffe nur die Geschädigten. Zur Zeit des Überfalls seien zwischen 25 und 30 Personen in dem Gemeindehaus gewesen. Johann R. glaubt, dass all diese Personen namhaft gemacht worden seien. Zumindest seien alle namhaft gemachten Personen zu den Vorfällen befragt worden. Sie hätten zudem eine Liste der eingeladenen Kirmesgäste gehabt, wobei einige der Eingeladenen zur Zeit des Überfalls nicht bei der Feier gewesen seien.

RA Alexander Dann fragt, ob der Steinwurf im Sinne einer möglichen Verwendung der DNA-Suren der Geschädigten ein anderes Verfahren darstelle. Johann R. bejaht dies. Auf die DNA der Geschädigten könne nicht zugegriffen werde. Für einen solchen Abgleich benötige man einen Tatverdacht und einen Gerichtsbeschluss.

Die Sitzung wird daraufhin um ziemlich genau 18 Uhr geschlossen. Die nächste Verhandlung findet am 20.01.2016 ab 09:30 Uhr statt. Dann werden weitere Polizeibeamte als Zeug*innen erwartet.

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Tag 4 – 20.01.2016

Am vierten Verhandlungstag drohen zwei Anträge Teile der Anklage zu zerstören. Begehrt wird die Feststellung der Nicht-Verwertbarkeit von früheren Aussagen der Angeklagten. Zudem treten zahlreiche Polizeibeamte als Zeugen auf. Der vielbeschäftigte Kriminalhauptkommissar (KHK) Jörg H. berichtet von den Vernehmungen von Thomas W., Tony S., Rocco B. und Marcus R. Danach äußert sich KHK Jörn P. zu der Vernehmung des Angeklagtem Andre K. Anschließend erinnert sich Polizeikommissar Martin St. an die Vernehmung von Matthias P. Von der Vernehmung des Angeklagten Markus B. erzählen die Polizeibeamten Thomas Bo. und Ralf D. Zuletzt spricht Richterin Katja K.-S. über ihre (fehlende) Erinnerung an die Vernehmung von Thomas W.

Es herrscht vergleichsweise gelöste Stimmung unter den Angeklagten. Insbesondere Kai L. versprüht vor Beginn der Verhandlung gute Laune und tauscht Begrüßungen und viele Worte mit anderen Angeklagten aus. Besonders fällt auf, dass auch Johannes B. und er sich einen Handschlag geben und sich länger miteinander austauschen. Johannes B. hatte in den Wochen zuvor ziemlich isoliert gewirkt und so, als habe er keinen Kontakt (mehr) zu den anderen Angeklagten. Möglicherweise hat sich seine Position durch seine Erklärung in der letzten Verhandlung verändert. Johannes B. hatte sich selbst von allen Vorwürfen frei gesprochen und auch niemand anderen belastet. Die Glaubwürdigkeit konnte mangels der Beantwortung von Nachfragen nicht überprüft werden.

Die Verhandlung beginnt, fast pünktlich, um 09:34 Uhr. Die Rechtsanwälte (RA) Nahrath und Klemke lassen sich von RA Gasparek bzw. RA Bunzel vertreten.

RA Kalauch weist zu Beginn auf die Anwesenheit von RA Hoffmann in der Nebenklage hin. Die Beiordnung von RA Hoffmann sei fälschlich erfolgt, worauf bereits am 03.12. hingewiesen worden sei. Der Vorsitzende Richter Pröbstel denkt darüber nach, ob RA Hoffmann entpflichtet werden müsse. Hoffmann selbst weist darauf hin, dass er bei fehlender Beiordnung diese ansonsten neu beantragen würde.

RA Waldschmidt kritisiert, dass seit dem Hinweis zur Sache „Beiordnung Hoffmann“ am 03.12.2015 nichts passiert sei. Herr RA Hoffmann müsse entpflichtet werden. Warum sei dieser Irrtum bis heute, den 20.01. nicht korrigiert worden? Pröbstel erklärt, er habe wegen der Befangenheitsanträge wochenlang nichts machen können. Er habe im Übrigen viele Sitzungen und komme zuweilen tagelang nicht in sein Dezernat. Er kümmere sich um die Angelegenheit, sobald er die Zeit dafür habe.

RA Windisch fragt angesichts der Ladungslisten, ob die Terminierung, teilweise im halbstündigen Rhythmus, nicht zu knapp sei und man dort mehr Luft lassen könne. Dies sei angesichts der Vielzahl an Prozessparteien, die Fragen stellen könnten, geboten. Pröbstel erinnert müde an die vergangene Sitzung, in der viel über die Vorgeschichte, aber nur in begrenztem Zusammenhang zum verhandelten Sachverhalt gesprochen worden sei. Die Sachbeschädigung am Fenster mag vielleicht Anlass für den Angriff auf die Kirmesgesellschaft gewesen sein, der Überfall sei aber auf jeden Fall eine unangemessene und strafwürdige Reaktion. Deshalb säßen alle Beteiligten nun auch hier. Pröbstel erklärt, er habe bezüglich des Fragerechts sehr spät eingegriffen, mahnt nun aber zur Konzentration auf den Sachverhalt, der schon umfangreich genug sei. Zudem erwarte Pröbstel von den mit wenig eingeplanter Zeit eingeladenen Zeug*innen wenig Erkenntnisse. Pröbstel bedankt sich dennoch für den Hinweis und versucht ihn für die Zukunft zu berücksichtigen.

Als nächstes stellt Nebenklagevertreter RA Kahlen einen Beweisantrag auf Ortsbesichtigung von Ballstädt. Die Entfernung zwischen dem Gemeindehaus und dem sogenannten „Gelben Haus“ müsse festgestellt werden. Zudem müssten die Sicht- und Hörverhältnisse in der mit Laternen ausgestatteten Straße, die die Häuser verbindet, festgestellt werden. Es sei darauf Rücksicht zu nehmen, ob man Schreie und Lärm im Gemeindehaus auch in einem geschlossenen Auto am Gelben Haus wahrnehmen könne. Zur Begründung des Antrags verweist RA Kahlen auf die Erklärung von Johannes B. zur Sache. Johannes B. hatte angegeben, vor dem Haus geparkt zu haben und nichts gesehen und gehört zu haben. Diese Aussage wird dahingehend in Frage gestellt, dass Johannes B. sowohl die Vermummung der Täter*innen als auch die Gewalttaten hätte wahrnehmen müssen. Johannes B. selbst gebe dagegen an, erst bei der Wegfahrt beim Entgegenkommen eines Krankenwagens vermutet zu haben, dass etwas „aus dem Ruder gelaufen“ sei. Der Beweisantrag diene der Auflösung des Widerspruchs zur Weg-Entfernung durch die unterschiedlichen Aussagen der Zeugen KHK Marko La. und KHK Johann R.

Pröbstel sagt, dass die Kammer auch bereits schon an einen Ortstermin zur Inaugenscheinnahme gedacht habe und diesen für denkbar halte. Er komme auf den Antrag zurück. RA Schwarz wendet ein, er habe gehört, die Laternen seien ab Mitternacht ausgeschaltet, weshalb die Laternenbeleuchtung keine Rückschlüsse auf die Sichtverhältnisse zur Tatzeit gegen 02:30 Uhr erlaubten. RA'in Ernst mutmaßt, dass auch eine Kartenbesichtigung zur Bestimmung der Entfernung ausreiche. Zudem frage sie sich, wie die Geräuschkulisse rekonstruiert werden könne. Ob die Prozessbeteiligten eine Schlägerei nachstellen sollten? RA Kahlen erklärt, die Entfernung zwischen den Häusern sei derart kurz, dass auch das eigene Ermessen zur Sicht- und Hörbarkeit ausreiche. Bei Zweifeln könnten weitere Beweisanträge Sicherheit verschaffen. RA Schwarz hält den Antrag dagegen für untauglich. Auch Pröbstel betrachtet den Antrag nun kritisch bezüglich dessen, was der Angeklagte Johannes B. habe hören müssen. Er könne ja immer noch einwenden, beispielsweise Musik gehört zu haben. Eine Stellungnahme zum Antrag könne jedoch später erfolgen.

RA'in Pietrzyk erklärt ihren Anschluss an den Beweisantrag von RA Kahlen. RA Kalauch beantragt dessen Abweisung, da er erstens nicht erforderlich und zweitens ungeeignet sei. Pröbstel entgegnet, der Teil der Hörverhältnisse sei ja nur ein Teilaspekt des Beweisantrags. Ein Ortstermin sei manchmal sinnvoll. RA Hoffmann erklärt ebenfalls seinen Anschluss an den Antrag. Zunächst müsse man feststellen, ob objektiv Sicht- und Hörbarkeit möglich gewesen wäre. Die Kenntnis um die objektiven Umstände sei dann die Grundlage für weitere Nachfragen um auch die subjektive Wahrnehmung nachzuvollziehen. RA Waldschmidt lehnt den Antrag ab. Er sei ungeeignet. Um ein Bild von den Wahrnehmungen zu bekommen, müsse man auch die Wetterlage rekonstruieren, beispielsweise die Mondlage und Nebelverhältnisse. Pröbstel gibt RA Waldschmidt bezüglich der Schwierigkeiten bei dieser Rekonstruktion recht. Er ruft anschließend den ersten Zeugen des Tages auf.

KHK Jörg H. über die Vernehmung von Thomas W.

Zeuge KHK Jörg H. vom Thüringer Landeskriminalamt (LKA) war bei mehreren Beschuldigtenvernehmungen der nunmehr Angeklagten anwesend. Er beginnt von seinen Erinnerungen an die Vernehmung von Thomas W. zu berichten. Anlass der Vernehmung sei der Angriff auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt gewesen. Es habe am 15.02.2014 eine Hausdurchsuchung bei Thomas W. gegeben, der direkt danach vernommen worden sei. Er habe seinen Rechtsanwalt Lippold jedoch nicht erreicht und keine Aussage gemacht. Mehr sei nicht passiert. Auf konkrete Nachfrage von Pröbstel nach den Konsequenzen der Vernehmung erklärt Jörg H., dass gegen Thomas W. die vorläufige Festnahme ausgesprochen worden sei.

KHK Jörg H. über die Vernehmung von Tony S.

Danach berichtet Jörg H. von der Vernehmung von Tony S. am 09.02.2014, also unmittelbar nach der Tatnacht. Die Vernehmung habe in der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Gotha stattgefunden. Jörg H. sei von zu Hause zur Vernehmung dazu gerufen worden. Tony S. sei vernommen worden, weil er in der Tatnacht vor dem Gemeindesaal in Ballstädt gesehen worden sei. Tony S. habe jegliche Beteiligung am Überfall abgestritten. Am 08.02. habe er seinen Geburtstag gefeiert und habe den Beamten von seiner Tagesgestaltung berichtet. Gegen 01:30 Uhr sei er von Gotha kommend mit seiner Freundin Christina H., die ebenfalls am 08.02. Geburtstag hat, nach Ballstädt gefahren. Dort hätten sie die Schäden am Gelben Haus bemerkt. Tony S. habe daraufhin nach „linksgerichteten“ Personen gesucht, die er als verantwortlich für die Sachbeschädigung vermutet habe. Er sei deshalb mit dem Auto durch Ballstädt gefahren und habe dabei eine Veranstaltung im Kulturhaus bemerkt. Christina H. habe mit dem Handy von Tony S. wohl Andre K. angerufen um von den Schäden zu berichten. Auch Tony S. habe später noch mit Andre K. telefoniert. Andre K. habe dann nach dem zweiten Telefonat gesagt, dass er vorbeikommen werde. Tony S. und Christina H. seien anschließend bereits bettfertig gewesen, als Ariane S. ihn angerufen und darum gebeten hätte, sie in Gotha abzuholen. In Gotha hätten Christina H. und er sich mit Ariane S. im „Burger King“ getroffen. Gegen 04:00 Uhr seien sie zurück nach Ballstädt gefahren, wo sie am Gelben Haus auf Polizeibeamte getroffen und von dort zur Dienststelle gebracht worden seien. Nach dieser Schilderung habe Tony S. also nicht so recht gewusst, was die Polizei von ihm wollte. Auf Nachfrage Pröbstels zu dem Geschehen vor dem Gemeindesaal erklärt Jörg H., dass Tony S. zunächst zum Bahnhof habe fahren wollen, weil er Menschen aus Gotha hinter dem Steinwurf vermutet habe und dort habe schauen wollen. Christina H. habe ihm gesagt, dass um die Uhrzeit keine Züge mehr fahren würden. Auf diesem Weg zum Bahnhof seien sie dann am Gemeindesaal vorbeigefahren. Das „Clubhaus“, wie Jörg H. auch sagt, sei ja nur 150 bis 200 Meter vom Gelben Haus entfernt und liege auf dem Weg zum Bahnhof. Es hätten sich Leute vor dem Haus befunden. Tony S. habe berichtet: „Wir sind dort hingefahren und angehalten. Wir sind im Auto sitzen geblieben.“ Leute hätten sie gefragt, was sie hier wollten. Dann seien sie wieder fort gefahren. In der Vernehmung sei auch ein Matthias erwähnt worden, der mit Andre K. zusammen arbeite. Andre K. habe Tony S. letztmalig am Nachmittag und Thomas W. den ganzen Tag über nicht gesehen.

Auf Nachfrage des Oberstaatsanwalts (OStA) Kästner-Hengst erklärt Jörg H., die Befragung habe am Vormittag stattgefunden und zirka zwei Stunden gedauert. Er habe gespürt, dass Tony S. den Vernehmenden eine Geschichte habe auftischen wollen. Das sei zumindest sei Gefühl gewesen. Er arbeite seit 1987 bei der Kriminalpolizei, da spüre man, wenn die Leute nachdenken, bevor sie etwas sagen. Ihm sei klar gewesen, dass die Aussagen von Tony S., der zudem polizeierfahren sei, nicht der Wahrheit entsprächen. Die Vernehmung sei von Tony S. beendet worden, weil er unterzuckert gewesen sei. Tony S. sei Diabetiker Typ 1.

Auf Nachfrage von RA'in Pietrzyk erklärt Jörg H., dass sie damals keine Anhaltspunkte gehabt hätten, welcher Matthias gemeint worden sei. Nach heutigen Erkenntnissen habe es sich dabei wohl um den Angeklagten Matthias P. gehandelt. Er selbst kenne Tony S. bereits von einer Vernehmung von vor zirka sieben Jahren im Zusammenhang mit einer Schlägerei in einer Kneipe in Bad Langensalza. RA'in Pietrzyk fragt, was der Hintergrund der damaligen Schlägerei gewesen sei. RA Bunzel beanstandet die Frage. RA'in Pietrzyk weist darauf hin, dass die Erfahrungen, die Jörg H. mit Tony S. gemacht habe, möglicherweise Rückschlüsse auf Unterschiede im Verhalten von Tony S. in den jeweiligen Vernehmungen durch Jörg H. zulassen könne. RA'in Lang weist zudem auf die mögliche Bedeutung der Vortat auf die Strafzumessung hin. RA Bunzel beanstandet die Frage weiterhin und beantragt einen Beweisbeschluss. Pröbstel blättert daraufhin in den Akten. In den Akten zu Tony S. sei ein Verstoß gegen das Brennstoffgesetz von 2014 vermerkt. Die Kenntnis von einer Körperverletzung in einer Gaststätte müsse eigentlich reichen, vermutet Pröbstel. RA'in Pietrzyk zieht die Frage daraufhin zurück.

RA Held fragt, ob Jörg H. den Angeklagten Tony S. auch von noch älteren Vernehmungen kenne. Jörg H. erklärt, dass er glaube, vor der sieben Jahre alten Vernehmung noch eine weitere Vernehmung mit Tony S. wegen einer Sache in Bad Langensalza gehabt zu haben. Genauere Erinnerungen hat er jedoch nicht.

RA Kalauch fragt, woran Jörg H. spüre, dass Tony S. nicht die Wahrheit gesagt habe. Jörg H. erklärt, seine Antworten seien nur auf stetige Nachfragen und stockend erfolgt. Das sei alles nicht flüssig rübergekommen.

RA Waldschmidt fragt, ob Jörg H. schon einmal 18/19 Stunden durchgemacht und danach eine Vernehmung erlebt habe und ob ihm die Folgen von Schlafentzug bekannt seien. Jörg H. erklärt, er kenne solche Vernehmungen und dass ihm die Folgen bekannt seien. Er kenne die Symptome von Diabetes im Konkreten nicht, kenne jedoch den Zusammenhang mit Blutzucker. Ob es möglicherweise während der Vernehmung ein Problem mit Unterzuckerung gegeben habe? Das, so Jörg H., hätte Tony S. sagen können, ganz einfach. Tony S. habe erklärt, der Vernehmung folgen zu können.

RA Schwarz hält aus dem Protokoll der Vernehmung vor, dass das Handy von Tony S. sichergestellt worden sei. Tony S. habe auf „möglicherweise verfassungsfeindliche Inhalte“ hingewiesen. Ob Jörg H. das Handy benutzt habe um mal einen Blick auf die Inhalte zu werfen? Jörg H. verneint. Das Handy sollte ausgelesen werden, wofür eine Spezialeinheit zuständig sei.

Es sei nicht kontrolliert worden, ob der „Burger King“ in Gotha nachts überhaupt geöffnet sei. Dass laut der Niederschrift im Protokoll Tony S. gegen zwei Uhr zum „Burger King“ gefahren sei, wo ihm auf dem Weg bereits ein Krankenwagen entgegenkommen sei, obwohl Tatzeit doch gegen 02:30 Uhr war, könne mit den relativen und groben Zeitschätzungen von Tony S. zusammenhängen. Das Fahrzeug von Tony S. habe sich Jörg H. nicht angeschaut.

KHK Jörg H. über die Vernehmung von Rocco B. und Marcus R.

Rocco B. habe in der Vernehmung keine Aussage gemacht. Die Vernehmung war nicht besonders. RA Schwarz war mit dabei.

Marcus R. sei als Beschuldigter geladen gewesen und habe ebenfalls keine Aussage gemacht.

KHK Jörg H. berichtet von weiteren Maßnahmen

Generell sei versucht worden, von jedem Beschuldigten DNA zu entnehmen, wenn nicht freiwillig, dann mittels erwirktem richterlichen Beschluss. Am 15.02. sei Jörg H. bei der Hausdurchsuchung von Thomas W. mit dabei gewesen, am 09.02. ebenfalls bei der Ortsbesichtigung bei Andre K. In Bad Langensalza habe man den Vater von Andre K. getroffen. Der Vater habe beim Besuch von einer roten Serviette gesprochen, die im Gelben Haus gefunden worden sei. Er habe während des Besuchs seinen Sohn angerufen, der dann zusammen mit Matthias P. gekommen sei. Sein Kollege Polizeibeamter Boh. und er hätten Matthias P. und Andre K. gemeinsam zur Dienststelle gebracht, wo andere die Vernehmung übernommen hätten. Zusammen hätten sie später noch überschüssige Asservate zurückgegeben.

Zum Gelben Haus sei Jörg H. mitgegangen, als Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) dort mit Hunden eine Durchsuchung gemacht hätten. Die Einheit sei auf Thomas W. mit seiner Freundin Manuela L. und seinen Hund gestoßen und habe T-Shirts sichergestellt. Gesucht habe man ein aus dem Gemeindesaal geraubtes Handy, die von den Beschuldigten benutzten Handys und eine Maske von der Tatnacht. Die Einheit habe eine abgeschnittene Cargo-Hose gefunden, die noch nass gewesen sei. Da sie noch nicht ausgefranst gewesen seien, seien die Hosenbeine wohl neu abgeschnitten gewesen. Dazu habe Thomas W. jedoch nichts erklärt.

RA Hoffmann weist auf eine in den Akten befindliche Spurenliste aus einer Hausdurchsuchung in Crawinkel hin. Dort habe Jörg H. zirka ein Jahr zuvor eine Hausdurchsuchung begleitet. Dabei sei es um Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gegangen. Jörg H. erinnert sich jedoch auch auf Vorhalt nicht daran, einen Totschläger und Patronen in der Jacke von Thomas W. gefunden zu haben. Er erinnere sich jedoch an Scheinwaffen und daran, dass man die gesuchten Waffen nicht gefunden habe.

RA Schwarz fragt, warum Tony S. als Beschuldigter vernommen worden sei. Jörg H. meint sich daran zu erinnern, dass Tony S. sogar vorläufig festgenommen worden sei. Da sei ihm nichts anderes übrig geblieben, ihn als Beschuldigten zu vernehmen. Es habe keine Anhaltspunkte für die Tatvorwürfe gegeben, er sei ihm jedoch als Beschuldigter übergeben worden. Er habe gewusst, dass sich auch Christina H. mit auf der Dienststelle befunden habe. Während der Vernehmungen habe es allerdings keine Absprachen gegeben. Im Nachhinein hätten sie die Aussagen natürlich verglichen. Er habe um 08:30 einen Anruf erhalten, sich dann nach Mühlhausen und anschließend nach Gotha begeben, wo er gegen 09h30 angekommen sei. Er selbst sei seit drei Jahren zum LKA abgeordnet.

Auf Nachfrage von RA Waldschmidt erinnert sich Jörg H. daran, dass er auch bei einer Vernehmung von Christian H. nach einer Hausdurchsuchung in Bad Langensalza dabei gewesen sei. Am Tatort sei er dagegen nicht gewesen. Er habe sich auch nur vor dem Objekt „Gelbes Haus“ befunden, während die BFE die Hausdurchsuchung durchgeführt habe. Er habe die Einheiten nach der Hausdurchsuchung auf die rote Serviette hingewiesen, von der der Vater von Andre K. gesprochen hatte. Daraufhin seien die Beamten noch einmal in das Haus gegangen und hätten wohl Fetzen der Serviette gefunden.

Auf Nachfrage von RA Schwarz berichtet Jörg H., dass das Verfahren erst bei der KPI Gotha anhängig war und später vom LKA übernommen wurde. KHK Marko La. sei jetzt sein unmittelbarer Vorgesetzter, damals noch sein Arbeitskollege in der BAO ZESAR gewesen. Tony S. habe er bereits gekannt und von seiner Zugehörigkeit zum rechten Spektrum gewusst, bevor er in die Spezialeinheit BAO ZESAR gekommen sei. Auf Nachfrage, warum er sich nach so langer Zeit noch an Tony S. erinnere: „Manche Menschen vergisst man einfach nicht.“ Vor sieben Jahren sei er bei der Kriminalpolizeistation (KPS) Mühlhausen für politisch motivierte Taten zuständig gewesen. Dass er dort bereits auf den nunmehr Angeklagten Tony S. getroffen sei, sei Zufall. Zeuge KHK Jörg H. wird danach unvereidigt entlassen.

KHK Jörn P. über die Vernehmung von Andre K.

Nach einer kurzen Pause betritt Zeuge KHK Jörn P. den Gerichtssaal. Er ist Polizeibeamter in Eisenach und war bei der Vernehmung von Andre K. Protokollant. Die Vernehmung von Andre K. sei durchgeführt worden durch den Kollegen Perry M. von der KPS Eisenach. Er selbst habe keine Erinnerung mehr an diese Vernehmung. Er erklärt, dass er sich als Protokollant generell bemühe, die Aussagen so genau wie möglich, also möglichst wortgetreu aufzuschreiben. Vor- und Nachgespräche abseits der Vernehmung würden per Aktenvermerk gekennzeichnet. Im Regelfall könne ein Vernommener alle Seiten ausgedruckt lesen und sie danach als korrekt bestätigen oder ändern lassen. Änderungen würden handschriftlich hinzugefügt, seien also für Aktenkundige erkenntlich. Unzutreffendes werde durchgestrichen. Mit Andre K. habe er auch vorher immer wieder zu tun gehabt. Er komme aus der Abteilung Staatsschutz. Zum Einsatz sei er womöglich wegen seines Fachwissens hinzugezogen worden. Er sei kurz in den Sachverhalt eingewiesen worden. Bei der Vernehmung sei es um die Sachbeschädigung gegangen, wegen der Andre K. Strafantrag gestellt habe. Um 18:00 Uhr habe es eine Unterbrechung gegeben und danach die Beschuldigtenvernehmung des Andre K. stattgefunden. Andre K. sei mit dem Fahrzeug und einer weiteren Person zur Vernehmung gekommen. Auf Vorhalt aus der Akte, dass Tony S. am 09.02.2014 eine Verletzung an der linken Hand gehabt habe, die er sich nach eigener Aussage wegen eines Ausrutschers aufgeschürft habe, erinnert sich Jörn P. nicht.

RA'in Pietrzyk fragt, ob Jörn P. Kontakt zu Andre K. im Rahmen seiner Arbeit beim Staatsschutz gehabt habe. Jörn P. erklärt, er begleite Veranstaltungen, wenn dort Personen kontrolliert und Auflösungen stattfinden würden. Dort sei er auch auf Andre K. gestoßen. RA'in Pietrzyk bezeichnet die Formulierungen von Jörn P. als „kryptisch“ und fragt, was das für Veranstaltungen seien, die Jörn P. beschreibe. Jörn P. erklärt, es fänden regelmäßig Veranstaltungen der – Polizeijargon – „rechten Szene“ statt, insbesondere in Kirchheim und Crawinkel. Dabei ginge es sowohl um Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetz als auch um öffentliche Vergnügungen im ordnungsrechtlichen Sinn. Die Frage, ob damit auch Konzerte gemeint seien, wird von RA Junge beanstandet. Pröbstel erklärt, es handele sich bei diesem Prozess nicht um ein politisches Verfahren. Den Steinwurf halte die Kammer genauso wie die politische Einstellung der Beteiligten nicht für wichtig. Für politische Fehden gebe die Anklageschrift keinen Anlass. Das habe er vor zwei Wochen auch RA Klemke gesagt. OStA Kästner-Hengst gibt zu bedenken, dass, falls es zu Verurteilungen kommen sollte, auch das Motiv, auch wenn es ein politisches ist, eine Rolle spiele. Im Rahmen der Strafzumessung sei zu beachten, ob die Tat einer Grundhaltung entspringe oder quasi versehentlich passiert sei und keine Wiederholungsgefahr bestünde. Er ist sich jedoch unsicher, ob es wirklich auf eine Antwort der beanstandeten Frage ankomme. RA Hoffmann erläutert, dass es zur Klärung des Tatvorwurfs auch auf die Angeklagten als Gruppe ankäme: „Wer kennt wen? Wer macht was zusammen?“ Es gehe um die Beziehungen. Deshalb liege die Frage von RA'in Pietrzyk nahe. Pröbstel gibt RA Hoffmann in seiner Begründung recht, bittet in diesem Fall aber um konkrete Fragen und kein zu weites Ausholen.

Jörn P. meldet sich nun selbst zu Wort. Er habe regelmäßig mit Andre K. bei Ermittlungsverfahren zu tun, dazu gehörten aber auch Sachbeschädigungen am Gelben Haus, an dem Andre K. Miteigentümer sei. RA'in Pietrzyk fragt, ob es Verfahren von Andre K. mit anderen Angeklagten oder Verfahren mit mehreren der Angeklagten gebe. Jörn P. erinnert sich nicht daran, ob es entsprechende Ermittlungsverfahren gegeben habe. Für entsprechende Veranstaltungen in Ballstädt sei die BAO ZESAR zuständig.

OStA Kästner-Hengst fragt, wer noch Eigentümer am Gelben Haus sei, wenn Andre K. „Miteigentümer“ sei. Nach Kenntnis von Jörn P. hätten Steffen M. und Andre K. das Haus zusammen notariell beurkundet gekauft. Er sei jedoch nur bei den Erstaufnahmen um das Gelbe Haus dabei gewesen, danach habe BAO ZESAR übernommen. Thomas W. habe ebenfalls in Ballstädt gewohnt.

RA Kalauch fragt, ob Protokolle vom Vernehmenden diktiert oder direkt selbst protokolliert würden. Jörn P. erklärt, dass es nur bei Tonbandprotokollen ein Diktat gebe. Er mache es immer so, dass er alles mitzuschreiben versuche, dazu zählt er auch Pausen und „ähm's“. Grundsätzlich notiere er wörtliche Rede, Anführungsstriche verwende er nur bei speziellen Formulierungen und Spitznahmen. Theoretisch könne man also auch das ganze Protokoll in Anführungsstriche setzen, da ja alles gesagt worden sei, was aufgeschrieben werde. Er bemühe sich zumindest, das so einzuhalten, notfalls bitte er die Beteiligten, langsamer zu sprechen. Eine 100%-ige Niederschrift gebe es freilich nur bei ausgebildeten Schreibkräften mit Kenntnissen der Stenografie.

Auf Nachfrage von RA Waldschmidt gibt Jörn P. an, dass es im polizeilichen Dateiprogramm Formularblätter für die Belehrungen gebe. Beschuldigtenbelehrungen würden sie so machen, wie sie es gelernt hätten. Im Normalfall werde der Wortlaut der Belehrung festgehalten, manchmal gebe es auch nur eine Dokumentation der Belehrung im Protokoll.

RA Schwarz weist darauf hin, dass Jörn P. auch Christina H. befragt habe, woraufhin Pröbstel einwirft, dass diese nicht angeklagt sei. Christina H. solle deshalb erst selbst Gelegenheit bekommen, vor Gericht zu sprechen, bevor Jörn P. von dieser Vernehmung berichtet. Auf Vorhalt von RA Schwarz erklärt Jörn P., dass er zwar gedacht habe, dass sein Kollege Perry M. dort Protokollant und er Vernehmender gewesen sei, da dies aus dem Protokoll jedoch anders hervorgeht, habe dann wohl doch er selbst das Protokoll geführt. Daraufhin wird Jörn P. unvereidigt entlassen.

PK Martin St.

Als nächstes wird Polizeikommissar (PK) Martin St. in den Zeugenstand berufen. Er habe bei der Vernehmung von Matthias P. und an einem Vermerk zu der Maske mitgewirkt. Bei dem Überfall soll ein Täter eine Maske getragen haben. Martin St. habe sich daran erinnert, eine Maske aus anderen Verfahren zu kennen. Er habe deshalb altes Videomaterial gesichtet und eine Maske bei einer Hausdurchsuchung von Thomas W. gefunden, außerdem noch ein Foto von Thomas W. mit der Maske in seinem Zimmer. Bei dieser Maske könnte es sich nach den Aussagen der Zeug*innen und Geschädigten um die Maske der Tatnacht handeln.

Auf Nachfrage von RA Hoffmann berichtet Martin St., dass es bei der Durchsuchung, die zu dem Maskenfund führte, um einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gegangen sei. Ob dort auch andere Dinge gefunden seien? RA Waldschmidt beanstandet die Frage wegen mutmaßlich fehlender Aussagegenehmigung des Zeugen. Martin St. gibt an, seine Aussagegenehmigung erstrecke sich auf das Verfahren in Ballstädt. Pröbstel weist darauf hin, dass in den Akten der Auszug einer Spurenliste vorhanden sei, der von Martin St. erstellt worden sei. Nach seiner Auffassung erstrecke sich die Aussagegenehmigung für Martin St. dann also auch auf diese Spurenliste. RA Waldschmidt argumentiert, dass „eine“ Spurenliste möglicherweise nicht die Spurenliste sei, nach der RA Hoffmann gefragt habe. Gemeinsam werfen die Beteiligten einen Blick in die Akten. Dabei erkennen sie, dass die Liste doch nicht von Martin St., sondern vom Leiter der AG Ballstädt, von Johann R., erstellt worden ist.

PK Martin St. über die Vernehmung von Matthias P.

Bei der Vernehmung von Matthias P. habe Martin St. als Protokollant mitgewirkt. Matthias P. sei von KHK Marko La. zunächst als Zeuge, später als Beschuldigter vernommen worden. Während der Vernehmung sei Martin St. die ganze Zeit im Raum gewesen. Marko La. sei kurz herausgegangen, als die Kollegin Fr. Sch. einen Hinweis gab. Dann gab es den Umschwung auf die Vernehmung als Beschuldigter. Befragt zum Grund des Umschwungs gibt Martin St. an, die Angaben zum Aufenthaltsort von Matthias P. seien widersprüchlich zu anderen Aussagen gewesen. Bei einem solchen Umschwung von Zeugen- in Beschuldigtenvernehmung würde er die betroffene Person darüber belehren, dass er bei den Angaben aus dem Zeugenstand bleiben oder die Aussagen widerrufen könne. Es wird das Protokoll vorgehalten, aus dem sich ergibt, dass Matthias P. darüber belehrt worden ist, dass er die bisherigen Aussagen widerrufen könne. Pröbstel weist darauf hin, dass bei diesem Satz jedoch der Hinweis fehle, dass die bisherigen Aussagen dann auch nicht verwertbar seien. Martin St. gibt auf Nachfrage an, dass er den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bisherigen Aussagen protokolliert hätte, wenn dieser so gefallen worden wäre. Wie zwei Wochen zuvor schon RA Klemke weist nun auch RA Bunzel darauf hin, dass die Befragung von Matthias P. somit nicht in das Verfahren aufgenommen werden dürfe.

Auf Nachfrage von RA Lippold erklärt Martin St., der sei noch weiter in das Verfahren eingebunden. Er habe das Gelbe Haus wegen Sachbeschädigung besucht. Den Gemeindesaal habe er sich nicht angesehen. Daraufhin wird Martin St. unvereidigt entlassen.

Beweisverwertungsverbot für die Vernehmungen von Tim H. und Matthias P.?

Pröbstel möchte gerade die Mittagspause einleiten, als RA Windisch eine Erklärung ankündigt, die noch vor der Pause erfolgen solle. Im Folgenden beanstandet RA Windisch die Verwertbarkeit der Aussagen seines Mandanten Tim H. während des Ermittlungsverfahrens. Tim H. sei Mitte Februar 2014 zwei Mal vernommen worden. Dabei habe mindestens ein Mal keine qualifizierte Belehrung stattgefunden. Zudem habe das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz den ermittelnden Polizeibeamten Informationen aus einer Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) übermittelt, die nicht verwertbar seien. Erst die Verwendung dieser Informationen habe zu Tim H. und seinen Aussagen geführt. Es habe jedoch keine Katalogtat vorgelegen (vgl. Liste der Straftaten, zu deren Aufklärung eine TKÜ prinzipiell möglich ist, § 100a Abs. 2 StPO). Die Verwendung der Informationen des Landesamts für Verfassungsschutz sei daher nicht gerechtfertigt gewesen. Diesen Hinweis habe auch OStA Kästner-Hengst bereits Mitte Februar 2014 gegeben. Deshalb habe OStA Kästner-Hengst gefragt, ob das verlorene Handy eines der Geschädigten mittlerweile gefunden worden sei und – als diese Frage verneint worden sei – die Ermittlungen auf den Tatbestand des Raubes nach § 249 StGB erweitert. Diese Erweiterung sei willkürlich erfolgt, um die Informationen des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz verwerten zu können. Die Ergebnisse der TKÜ dürften daher nicht verwertet werden. Erst diese hätten für den Vorwurf gegen Tim H. gesorgt. Außer RA Lippold und RA Giehler schließen sich alle Verteidiger*innen dem Antrag von RA Windisch an. RA Bunzel erklärt in diesem Zusammenhang auch die Aussagen aus der Vernehmung von Matthias P. als nicht verwertbar. RA Waldschmidt fragt als letzter vor der Mittagspause, ob das von Martin St. erwähnte gesichtete Videomaterial überhaupt noch hätte vorrätig sein dürfen.

KK Thomas Bo. über die Vernehmung von Markus B.

Nach der Mittagspause erklärt Pröbstel, dass aufgrund der Einwände gegen die Verwertbarkeit der Aussagen von Tim H. der Zeuge Sün. entlassen worden sei und heute keine Vernehmung von ihm stattfinden werde. Als nächster Zeuge tritt Kriminalkommissar (KK) Thomas Bo. vom LKA Thüringen auf. Er berichtet von der Vernehmung des Angeklagten Markus B. Vor der Vernehmung habe Thomas Bo. selbst eine oberflächliche Einweisung in das Geschehen des Überfalls erhalten und sei nach Schleiz gefahren, wo eine kurze Vernehmung stattgefunden habe. Markus B. habe jedoch von seinem „Recht auf Amnesie“ Gebrauch gemacht. RA Giehler,Verteidiger von Markus B., kritisiert lautstark die Bezeichnung „Amnesie“ und wird von Pröbstel darauf hingewiesen, dass er gerade die Vernehmung leite. Thomas Bo. erzählt weiter, dass Markus B. kaum Äußerungen getätigt habe. Er habe sich an nichts erinnern können, weil das seinem „Naturell“ entspreche. Wieder regt sich RA Giehler auf. Thomas Bo. fährt fort, dass Markus B. sich nach eigener Aussage den ganzen Abend der Tatnacht bei seiner Freundin aufgehalten habe, er habe aber keine detaillierte Aussage machen können, weder zum Fernsehprogramm noch zum Abendessen. Markus B. habe die Vernehmung von sich aus abgebrochen. Nach Wahrnehmung von Thomas Bo. habe er dies getan, als die Nachfragen auf seine zuvor ausweichenden Antworten schärfer geworden seien. Markus B. habe noch drei Mal vergeblich versucht, seinen Rechtsanwalt anzurufen.

Die Frage zu Vorinformationen bezüglich Markus B. verneint Thomas Bo. mit dem Hinweis darauf, dass er aus einer völlig anderen Abteilung komme. Er sei am Samstag oder Sonntag Abend, auf jeden Fall außerhalb jeglicher Dienstzeit, angerufen und bestellt worden. Dabei habe er einige Sachen aus seinem beruflichen Verständnis nicht nachvollziehen können. Das Protokoll habe er selbst geschrieben. Das Gespräch habe wesentlich länger gedauert, als es sich lese. Es sei eine völlig normale Vernehmung gewesen, da könne er nichts negatives sagen, aber es sei eben nichts bei herumgekommen. Alle Fragen seien ins Leere gelaufen. OStA Kästner-Hengst fragt, ob noch weitere Details von der Abendgestaltung mit der Freundin in Zeulenroda genannt worden seien. Auf Vorhalt erinnert sich Thomas Bo. an die Formulierung von Markus B., erst „gepoppt“ und dann zusammen Fernsehen geschaut zu haben.

RA Giehler fragt, wie der Angeklagte aufgefunden worden sei. Thomas Bo. gibt an, Markus B. selbst von zu Hause zu später Stunde abgeholt zu haben. Er sei sehr kooperativ gewesen und mit zur Dienststelle gekommen. Dort sei alles niedergeschrieben und ausgedruckt worden. RA Giehler zeigt sich überrascht darüber, dass im Protokoll auf der Seite vor dem Protokoll und nach den Personalien zwei Kästchen bestünden: „Ich möchte mich zur Sache äußern“ – „Ich möchte mich nicht zur Sache äußern“ und dort angekreuzt sei, dass sich Markus B. nicht zur Sache äußern wolle. Umso überraschender sei es, dass dann aber doch ein Vernehmungsprotokoll vorliege. Thomas Bo. kann diesen Widerspruch nicht erklären. Er sagt, die Atmosphäre sei entspannt und der Beschuldigte kooperativ gewesen. Bis zu seinem Abbruch der Vernehmung habe sich Markus B. auch geäußert. Die Leistung der Unterschrift unter das Protokoll sei dann am Schluss erfolgt.

KHK Ralf D. über die Vernehmung von Markus B.

Danach wird Zeuge KHK Ralf D. vom Thüringer LKA in den Zeugenstand berufen. Auch er berichtet von der Vernehmung von Markus B. Dieser habe eigentlich keine Aussage gemacht, die für die weiteren Maßnahmen zielführend gewesen seien. Laut Aussage von Markus B. sei dieser am Abend vor der Tat von seiner Freundin abgeholt worden, sie hätten Geschlechtsverkehr gehabt, zu Abend gegessen, Fernsehen geschaut und seien dann eingeschlafen. Während der Vernehmung habe Markus B. ein paar Mal versucht, seinen Rechtsanwalt anzurufen. Pröbstel fragt nach dem in der Zeugenbefragung zuvor erwähnten Widerspruch der Kästchen „Ich möchte mich zur Sache äußern“ – „Ich möchte mich nicht zur Sache äußern“, von dem letzteres angekreuzt sei. Ralf D. erinnert sich nicht, warum trotz einer Vernehmung dieses Kästchen angekreuzt worden sei. Er habe wohl erst nichts sagen wollen, dann aber doch geredet. Pröbstel fragt, warum dann nicht notiert worden sei, dass er sich nun doch äußern wolle. Ralf D. antwortet, dass Markus B. einfach so erzählt und erzählt habe. Warum habe er dann am Ende doch nichts mehr sagen wollen? Habe es einen Knackpunkt gegeben? Ralf D. sagt, er habe keine Erinnerung daran, ob die Fragen ihm womöglich zu eng gewesen seien. Als Vorinformation habe Ralf D. eine kurze Einweisung zum Überfall vorgelegen, dass Markus B. Beschuldigter sei und dass ein Handy entwendet worden sei. Sie hätten Markus B. bei seiner Freundin angetroffen und von dort in die Polizeiinspektion (PI) Schleiz gebracht, wo die Vernehmung stattgefunden habe.

OStA Kästner-Hengst möchte wissen, wie Nachfragen zu Details beantwortet worden seien. Bezüglich des Essens ist sich Ralf D. nicht sicher, ob es seine Freundin, die er ebenfalls vernommen habe, oder Markus B. gewesen sei, der gesagt habe, ob sie warm oder kalt gegessen hätten. Dazu wolle er nichts sagen, weil er Angst habe, die Vernehmungen zu vermischen. Ganz sicher wisse er aber, wie die jeweiligen Antworten zum Fernsehprogramm und zum konkreten Abendessen lauteten: „Weiß ich nicht.“

RA Schwarz hält den Tatvorwurf aus dem Protokoll vor. Er fragt, wie die Vernehmungsbeamten zu dem ausführlichen Tatvorwurf trotz nur kurzer Einweisung gekommen seien. Natürlich, sagt Ralf D., hätten sie Informationen für den Vorhalt bekommen, mehr aber nicht: „Wir haben nur den ersten Angriff getan.“ RA Schwarz wirf Ralf D. vor, die protokollierte Frage „Haben Sie zusammen zu Abend gegessen? Wenn ja, was?“ wirke spöttisch. Ralf D. entgegnet, die Frage sei mitnichten spöttisch gemeint gewesen. Thomas Bo. habe die Vernehmung geleitet, er selbst habe die ein oder andere Nachfrage gestellt. Befragt zu den Gemeinsamkeiten der Vernehmungen von Markus B. und seiner Lebensgefährtin erklärt Ralf D., dass er beiden nicht geglaubt habe. Sie hätten zwar beide vom Abholen und vom Geschlechtsverkehr gesprochen und hätten auch eine zeitliche Eingrenzung treffen können. Auf ihn habe es aber – subjektiv – abgesprochen und unglaubwürdig gewirkt.

RA Waldschmidt fragt, welche Information es zu dem verlorenen Handy, einem „IPhone 5“, gegeben habe und was sie Markus B. vorgeworfen hätten. Sie hätten die Information im Rahmen der Einweisung erhalten. Er wisse jedoch nicht mehr, ob sie gesagt hätten, dass das Handy weg sei oder dass es gewaltsam entwendet worden sei. Ralf D. gibt RA Waldschmidt recht, dass das natürlich ein wichtiger Unterschied sei. Er verweist darauf, dass die Vernehmung zwei Jahre her sei. Er erklärt RA Waldschmidt zudem, dass es die erste gemeinsame Vernehmung von Thomas Bo. und ihm gewesen sei, weshalb die Vernehmungsdurchführung nicht genau abgemacht worden sei. Warum sie überhaupt als Beamte vom LKA gerufen worden seien? Ralf D. erklärt, man werde gerufen und dann müsse man halt kommen. RA Waldschmidt fragt weiter, ob diese Vorgehensweise beim Thüringer LKA üblich sei. OStA Kästner-Hengst beanstandet diese Frage. Die Aussagegenehmigung des Zeugen umfasse sicherlich nicht die „übliche“ Arbeitsweise des LKA. Ralf D. bestätigt diese Auffassung.

RA Schwarz weist darauf hin, dass die Vernehmung um 0:30 Uhr begonnen habe, an einem Samstagabend, eine Woche nach dem Überfall. Er fragt, warum Ralf D. ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gerufen worden sei. Ralf D. antwortet, dass sie zu der Zeit alarmiert und beauftragt worden seien. RA Schwarz weist darauf hin, dass die Vernehmung eineinhalb Stunden gedauert habe. Das Lesen des Protokolls nehme jedoch nur 7/8 Minuten in Anspruch. Ralf D. bestätigt das. RA Schwarz: „Haben Sie sich denn den Rest der Zeit angeschwiegen?“ – „Ja, genau!“

Markus B. sei von ihnen abgeholt worden und habe sich bereit erklärt, mit ihnen mitzufahren. Im Auto seien höchstens über allgemeine Dinge ohne Verfahrensbezug geredet worden, daran kann sich Ralf D. nun jedoch nicht mehr erinnern. Eine Streife habe dann Markus B. nach Hause und ihnen die Freundin gebracht.

Natürlich hätten sie gewusst, was in der Presse gestanden habe. Das sei es dann aber auch gewesen mit Vorinformationen zum Überfall.

RA Nahrath möchte wissen, was passiert wäre, wenn Markus B. nicht mit zur Dienststelle gekommen wäre. „Dann hätten wir die Vernehmung bei ihm durchgeführt.“ Es sei jedoch praktischer, dies auf der Dienststelle zu machen. Ob die Beamten dies Markus B. so angekündigt hätten? Ralf D. verneint. Markus B. habe nicht nachgefragt, was passiere, wenn er nicht mitkäme. Ralf D. wird daraufhin unvereidigt entlassen.

RA Schwarz erklärt noch nach § 257 StPO, dass KHK Marko La. im Zeugenstand gesagt habe, dass Matthias P. und Andre K. gemeinsam bei Rocco B. gefeiert hätten. Danach seien sie, ohne Nennung von Rocco B., nach Ballstädt gefahren. RA Schwarz erklärt für seinen Mandanten Rocco B.: „Mein Mandant ist also nicht mit nach Ballstädt gefahren.“

RA Waldschmidt erklärt, dass er bisher in diesem Verfahren gelernt habe, dass das LKA Zeug*innen anschweige und ein Kriminalhauptkommissar fünf Stunden nur Kaffee trinke. Er erklärt, dass er gerne beim LKA arbeiten möchte. OStA Kästner-Hengst bietet RA Waldschmidt an, sich zu bewerben. RA Waldschmidt ist sich unsicher, ob sie bei den Gehaltsvorstellungen zusammen fänden.

Richterin Katja K.-S. über die Vernehmung von Thomas W.

Als letzte Zeugin des Tages kommt Richterin Katja K.-S., die kurzfristig quasi als Ersatz für den entlassenen Zeugen Sün. bestellt worden ist. Sie ist Richterin am Landgericht Erfurt.

Katja K.-S. berichtet, dass die Befragung von Thomas W. an einem Wochenende mit vielen Hausdurchsuchungen stattgefunden habe. Sie habe jedoch keine Erinnerung mehr an den Inhalt der Vernehmung. Die Konsequenz der Vernehmung sei die Inhaftierung gewesen. Nach Vorhalt, wer die Protokollantin war, erklärt Katja K.-S., dass diese nicht aus dem Strafrecht käme und sie ihr das Protokoll sicherlich diktiert habe. Die Beschlüsse zu den Hausdurchsuchungen seien tags zuvor erlassen worden. Katja K.-S. wird vorgehalten, es sei unter anderem um eine Hose gegangen. Ihr werden auch die Bilder der Maske vorgehalten. Katja K.-S. erklärt jeweils: „Ich habe überhaupt keine Erinnerung mehr an diese Vernehmung.“ Es habe jedoch keine Einwände gegen das Protokoll gegeben. OStA Kästner-Hengst habe dieses genauso unterzeichnet wie Thomas W. und sein RA Lippold.

RA Waldschmidt möchte wissen, ob die Konsequenz der Inhaftierung der Normalfall solcher Vernehmungen sei. Katja K.-S. erklärt energisch, dass die Inhaftierung nicht der Normalfall, sondern das Ergebnis der jeweiligen Ermittlungen sei. Katja K.-S. wird anschließend unvereidigt entlassen.

Die Verhandlung wird anschließend auf kommenden Mittwoch, den 27.01.2016 um 09:30 Uhr vertagt. Bezüglich des Zeugens Sün. warte die Kammer auf eine Erklärung der Staatsanwaltschaft. Auf Nachfrage von RA'in Pietrzyk erklärt Pröbstel, dass Richer Mü.-Hi. nicht vergessen worden sei, sondern mittwochs zur Zeit immer Sitzungen habe. Er komme jedoch später noch auf die Ladungsliste, sobald Pröbstel ihn erreicht habe.

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Tag 5 – 27.01.2016

Am 27.01.2016 berichten drei unmittelbare Zeugen von dem Überfall. Die drei Personen waren auf der Feier der Ballstädter Kirmesgesellschaft und wurden von den Angreifenden verletzt. Die Verhandlung wird fortgesetzt am 10.02.2016 um 09:30 Uhr im Schwurgerichtssaal des LG Erfurt.

Die Rechtsanwälte (RA) Waldschmidt und Klemke lassen sich vertreten, letzterer erneut von RA Bunzel. Die Staatsanwaltschaft hat noch keine Stellungnahme zum Antrag von RA Windisch vom vierten Verhandlungstag vorgelegt, kündigt diese jedoch für die nächste Woche an.

Der erste Zeuge E.

Es beginnt die Vernehmung des Geschädigten und Zeugen E. Seine Vertreterin RA'in Pietrzyk sitzt dabei neben ihm. E. erklärt sinngemäß:

„An dem besagten Abend war ich zunächst bei einem Kumpel, wir hatten einen TV-Abend gemacht. Die Kirmesfeier hatte ich zunächst vergessen. Die S. J. hatte mich aber abends angerufen und daran erinnert. Ich bin dann nicht sofort los, sondern bin erst so gegen dreiviertel Zwölf nach Hause gelaufen. Weil ich gesehen habe, dass noch Licht im Gemeindehaus leuchtete, bin ich noch zur Kirmesfeier gegangen. Dort waren die Leute schön am feiern. Gegen zirka 2 Uhr kam ein Vermummter in den Saal. Er hat zunächst etwas geschrien. Was genau, das kann ich nicht sagen. Dann kam er direkt auf mich zu. Er hat gerufen 'Wart ihr das mit der Fensterscheibe?' und dann hat er mir schon – ohne dass ich antworten konnte – einen Faustschlag in die linke Gesichtshälfte verpasst. Während der Angreifer ganz schnell wieder weg war, ist mir das Blut am Kopf richtig heruntergeströmt. Ich dachte 'Was ist jetzt los?'. Ich hatte einen kleinen Blackout und Verbandsmaterial und Tücher von anderen Leuten der Kirmesgesellschaft bekommen. Ich erinnere mich auch noch an die Feuerwehrsirene im Dorf. Danach wurde ich drei Tage stationär im Krankenhaus behandelt. Da die Wunde zunächst nicht gut verheilte, war ich noch bis zum 30.03. krank geschrieben.“ - „Also fast zwei Monate“, betont Pröbstel.

„Die Kirmesfeier war eine Nachfeier, zu der alle Helferinnen und Helfer der Kirmes eingeladen wurden. Ich wurde mündlich eingeladen. Die eigentliche Kirmes findet meistens am zweiten Oktoberwochenende statt. Die Nachfeier findet dann statt, wenn es sich terminlich ergibt. Ich selbst bin kein Mitglied der Kirmesgesellschaft mehr. Die Feier war schön. Um 2 Uhr waren noch ein paar Ältere und mehr Junge dabei. Wir haben auch Alkohol getrunken. Die Stimmung war gut. Die Feier war bis zum Angriff noch am Laufen.

In das Haus des Saals kommt man über einen Vorplatz, der zur Hauptstraße führt. Im Haus muss man die Treppe hochgehen und kommt durch eine Tür in einen Vorraum mit einem Spiegel. Wenn man dort geradeaus geht, kommt man in den Großen Saal. Biege man zwei Mal nach rechts ab, kommt man durch einen Vorraum in in den Kleinen Saal, in dem auch die Kirmesfeier stattgefunden hat. Nach dem Öffnen einer Tür muss man noch ein paar Treppenstufen hinaufgehen, bis man direkt im Kleinen Saal steht. Ich selbst stand rechts am Tresen des Saals, als der Angreifer kam. Mir wurde zugetragen, ich hätte dort mit dem Zeugen F. gestanden. Mein Blick ging Richtung Saaleingang. Ich sah den Mann daher sofort, als er hereinkam.

Der Angreifer war vermummt mit einer schwarz-weißen Maske. Er war mindestens so groß wie ich, ich bin 1,87 Meter groß. Die Maske ging über das ganze Gesicht. Die Haare konnte ich nicht erkennen. Zunächst dachte ich, es würde sich um einen Spaß handeln. Mit der Frage 'Wart ihr das mit der Fensterscheibe?' konnte ich nichts anfangen. Der Schlag, den ich dann bekam, war heftig. Er erfolgte mit der rechten Hand oder Faust. Einige von der Kirmesgesellschaft sind dem Mann dann hinterhergelaufen, als er wieder den Saal verlassen wollte.“

An dieser Stelle wird die Vernehmung kurz unterbrochen, weil im Publikum ein Mann mit Schreibblock von der Polizei nach „seiner Zugehörigkeit“ gefragt wird und der Mann diese Frage vehement nicht beantworten möchte. RA Nahrath veranlasst der Zwischenfall, nach der richterlichen Verfügung zu fragen: Weshalb werde nach „Zugehörigkeit“ gefragt? Derweil hält RA Bunzel es für unzulässig, dass die Nebenklagevertreterin RA'in Pietrzyk mit ihrem Mandanten das Protokoll der polizeilichen Verfügung bespreche. Diese lacht: „Das ist die Ladung meines Mandanten.“ RA Bunzel versucht mittels Verrenkungen seines Halses auf das angesprochene Dokument zu blicken. Währenddessen klären Polizei, der Mann mit Schreibblock und Pröbstel die Angelegenheit vor der Tür. Pröbstel erklärt anschließend, als alle Beteiligten wieder im Gerichtssaal sind, dass die Frage der Polizei nicht auf einer richterlichen Verfügung basiere, sondern die Polizei damit versuche, Sicherheit und Ordnung im Zuschauerbereich zu gewährleisten, was nachvollziehbar sei. Bei dem Mann handele es sich um eine Person, die sich als Pressevertreter vorgestellt habe, aber keinen bzw. keinen gültigen Presseausweis vorgelegt habe. Die Angelegenheit sei nun geklärt. Der „Journalist“ grüßt beim erneuten Betreten des Zuschauerbereichs den anwesenden Zuschauer und Neonazi Steffen R., vor den er sich in die erste (Presse-)Reihe setzt und mit dem er später auch eine Zigarette rauchen wird.

E. fährt fort. Sinngemäß erklärt er:
„Nach dem Angriff bin ich über in ein Hinterzimmer des Kleinen Saales gegangen. Erst später sind wir dann über den kleinen Saal zurückgegangen und von den Rettungswagen abgeholt worden. Zu dem Vorhalt, dass ich damals in einer Polizeivernehmung von zwei Schlägen gegen mich gesprochen habe, kann ich nur sagen, dass ich mich heute nur noch an einen Schlag erinnere. Zur Zeit des Angriffs waren noch 15 – 20 Leute der Kirmesgesellschaft auf der Feier.“

Pröbstel möchte wissen, was E. gedacht habe, wer für den Angriff verantwortlich sei. E. erklärt, dass im Dorf zwar gemunkelt worden sei, dass Rechte in die alte Bäckerei im Dorf, in das sogenannte „Gelbe Haus“, eingezogen seien. Er wisse aber nicht mehr, ob er in der Tatnacht schon über ein Motiv und einen möglichen Angriff von Rechten nachgedacht habe. Auslöser soll wohl die eingeworfene Fensterscheibe gewesen sein. Wirklich wissen tue er jedoch auch heute nichts über die Hintergründe des Angriffs. Im Dorf habe sich nach dem Einzug der mutmaßlich Rechten eine Allianz gebildet, das Bürgerbündnis gegen Rechts. Er sei nicht in dem Bündnis gewesen. Das Gelbe Haus sei vom Gemeindesaal nicht direkt sichtbar, dafür müsse man auf die Hauptstraße gehen. Die Gebäude seien maximal 100 Meter voneinander entfernt.

Auf seinem Weg zur Feier sei E. nicht am Gelben Haus vorbei gegangen, sondern von der anderen Richtung gekommen. Auf dem Weg sei alles ruhig gewesen. Damals sei die Straßenbeleuchtung normalerweise bis Mitternacht an gewesen, aber anlässlich von Feiern sei das Licht häufig länger an. Er wisse nicht mehr, ob die Straßenbeleuchtung zur Zeit des Angriffs noch an war.

Zu den Folgen des Angriffs erklärt E., dass er eine Wunde am Ohr erlitten habe, die mit sieben oder acht Stichen genäht worden sei. Dort sei etwas aufgeplatzt gewesen. Jetzt habe er nur noch die Narbe, die man auch sehen könne, die ihn ansonsten aber nicht störten. Aus dem medizinischen Gutachten, das Pröbstel vorliest, ergeben sich als Folgen u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, eine arterielle Blutung, zwei Schnittwunden und Erinnerungslücken zum Vorfall. An das genaue Aussehen der Maske kann sich E. auch auf Vorlage von Bildern nicht mehr erinnern.

Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst fragt, ob E. noch Erinnerungen zur Zahl der Verletzungen habe. E. weist auf zwei Schnittwunden am Ohr hin, die nicht miteinander verbunden seien. Dies ergebe sich auch aus dem Attest. Die Verletzung habe tatsächlich wie ein Schnitt und weniger wie ein typisches „Aufplatzen“ ausgesehen. Die Wucht des Schlages sei hart gewesen. Er könne nicht sagen, ob die Hand vielleicht verstärkt gewesen sei. Kästner-Hengst fragt, ob angesichts der Verletzungen vielleicht doch mehrere Schläge gegen E. erfolgt seien. RA Kalauch beanstandet die Frage als „Suggestivfrage“. Pröbstel versteht den Einwand nicht. Zudem weist er (zum wiederholten Male) darauf hin, dass Suggestivfragen laut StPO nicht verboten seien. Es wird ergänzt, dass die Frage bereits gestellt worden sei und als Wiederholungsfrage nicht gestellt werden dürfe. Kästner-Hengst zieht die Frage daraufhin zurück und erklärt, dass er nun in Zukunft besser darauf achten werde, dass auch die Verteidiger*innen keine Wiederholungsfragen stellen.

Befragt zum Alkoholkonsum erklärt E., dass sie gut drauf gewesen seien und er ein bisschen mehr als angeheitert gewesen sei. Auf Nachfrage des Nebenklagevertreters RA Adam schließt E. nicht aus, dass es neben dem Schlag weitere körperliche Einwirkungen gegeben habe. E. zählt weitere Verletzte auf, die auch von der Schlägerei verletzt worden seien. Die Leute seien auf der Kirmesfeier gewesen und hätten ihm im Krankenhaus erzählt, dass es mehrere Schläger gegeben habe.

Auf Nachfrage von RA Schwarz gibt E. an, dass der Angreifer dunkle Kleidung angehabt habe. Auch die Hose sei dunkel gewesen, ob es sich dabei um eine Jeans gehandelt habe, könne er nicht sagen.

Auf Nachfrage von RA'in Brodowsky erinnert sich E., dass ihm das Blut auf den Pullover gelaufen sei und auch auf den Fußboden tropfte, als er sich nach vorne gebeugt habe. Er sei aber von niemandem angerempelt worden.

RA Windisch hält vor, dass E. den Angreifer in der polizeilichen Vernehmung als 175 – 180 cm groß beschrieben habe. Zudem habe er die Maske als weiß und rot beschrieben. E. erklärt, dass er das dann wohl so gesagt habe und dass der Angreifer auf jeden Fall eine Maske getragen habe.

Auf Nachfrage von RA Kalauch gibt E. an, er wisse nicht mehr, wie viele Personen dem Angreifer hinterhergelaufen seien. Es sei mehr als eine Person gewesen. Er wisse nicht, was genau die gemacht hätten. Die Diskrepanz zu Ursache (Schlag) und Folge (Schnittwunde) sei nie erörtert worden.

RA Giehler interessiert sich für die Diagnose „Erinnerungslücken“. Der Zeuge erklärt, dass er erstmals mit einem Arzt über den Vorfall gesprochen habe, als er im Zimmer gelegen habe. Der Arzt habe sich gewundert, dass die Wunde von nur einem Schlag gekommen sei. Möglicherweise sei der Arzt deshalb auf die Diagnose der Erinnerungslücken gekommen, vermutet RA Giehler, der sodann nach dem genauen Alkoholkonsum fragt. E. spricht von jeweils drei oder vier Halbliter-Bieren beim Kumpel und auf der Kirmesfeier. Die Wunde sei nach dem Krankenhausaufenthalt nur beobachtet und nicht weiter therapiert worden.

Nebenklagevertreter RA Hoffmann fragt nach den Erinnerungen an die polizeilichen Vernehmungen. Die erste Vernehmung habe im Krankenhaus, die zweite zu Hause stattgefunden, meint E. Die Vernehmungen hätten jeweils zirka zwei Stunden gedauert. Bei den damaligen Vernehmungen seien seine Erinnerungen an den Angriff sicherlich besser gewesen als heute. Er habe den Angriff seitdem eher zu verdrängen versucht. E. wird anschließend unvereidigt entlassen.

Der zweite Zeuge J.

Als nächstes betritt der Geschädigte und Zeuge J. den Gerichtssaal. Erneut sitzt RA'in Pietrzyk daneben. J. erklärt sinngemäß:
„Ich war Mitveranstalter der Dankeschön-Feier für die Kirmesgesellschaft. Das war eine Nachfeier, zu der alle Helfer*innen eingeladen wurden. Auf der Feier waren anfangs schätzungsweise 50 – 60 Menschen. Die Feier fand im Kleinen Saal in Ballstädt statt. Ich selbst habe nicht viel getrunken, später wurden 0,25 Promille gemessen. Die Stimmung war gut und die Veranstaltung entspannt. Ich habe die Musik gemacht. Dafür stand ich hinten in einer Ecke. Das Licht vom Kleinen Saal kann man auch von der Straße aus sehen. Irgendwann nachts kam ein Mann in den Saal und schlug E. und F. nieder. Ich bin dann quer durch den Saal dorthin gelaufen und habe gefragt: 'Was soll der Scheiß?' Dann habe ich direkt auch eine kassiert. Mir fehlt dann ein kleiner Teil der Erinnerung. Anschließend bin ich in den Hinterraum, das sogenannte Jägerzimmer, gelaufen und habe die Polizei angerufen. Die ist bereits informiert gewesen.

Zur Zeit des Angriffs waren noch 15 – 20 Leute auf der Kirmesfeier. Den Eingang vom Kleinen Saal konnte ich zwar einsehen, aber den Angreifer habe ich selbst erst wahrgenommen, als E. auf dem Boden lag. Der Angreifer war ein Mann mit Kapuze, Handschuhen und einer Skelettmaske vor dem Gesicht. Die Handschuhe waren schwarz, mehr weiß ich über sie nicht. Nach meiner Frage habe ich sofort eine auf das Jochbein kassiert. Ich denke, dass ich kurz bewusstlos war. Ich erlitt eine Gehirnerschütterung und das Jochbein war 3, 4 Tage dick. Ich war eine Woche krank geschrieben. Wegen der Gehirnerschütterung sollte ich möglichst im Krankenhaus bleiben, ich bin aber noch in der gleichen Nacht wieder nach Hause. Die nächsten Tage ging es mir richtig scheiße, ich hatte einen ordentlichen Brummschädel.

Nachdem ich im Jägerzimmer die Polizei angerufen hatte, kam mir E. entgegen. Dorthin kamen auch M.I. und die Frauen. M.I. hatte eine Tür eingetreten, damit wir in die Gaststätte gehen und dort die Verletzten versorgen konnten. Andere Leute haben mir mitgeteilt, dass mehrere Menschen den Saal gestürmt hätten. Nach einer notdürftigen Versorgung von E. in der Gaststätte bin ich wieder in den Saal gegangen.“

Auf dem Weg zum Saal habe er zahlreiche Verletzte gesehen. Die Angreifer seien da schon weg gesehen. Die Gäste hätten noch miteinander gesprochen. Die Leute von der Feier hätten keine Chance gehabt, sei ihm erzählt worden. Im Vorraum des Kleinen Saales habe ein „Empfangskomitee“ die Gäste alle verprügelt. Die Ursache des Angriffs sei ihm unklar gewesen. Von der Fensterscheibe habe er erst im Nachhinein erfahren. Er wisse auch nicht mehr, warum Leute von der Kirmesgesellschaft recht bald die Menschen vom Gelben Haus im Verdacht hatten. Möglicherweise hänge das damit zusammen, dass die Menschen im Gelben Haus alle eine Vorgeschichte hätten. Das Gelbe Haus hätten Nazis gekauft. Das wisse man aus den Medien und Kundgebungen, die erfolgt seien.

Er selbst habe bei einem Hardcore-Konzert im Dezember 2013 mitgeholfen, dessen Einnahmen zugunsten Opfer rechter Gewalt gespendet worden seien. Reaktionen auf das Konzert habe es seines Erachtens nicht gegeben. Er wisse davon, dass am Gelben Haus gesprüht worden sei, mehr Vorfälle dieser Art seien ihm nicht bekannt. Zu Hintergründen bezüglich der eingeworfenen Fensterscheibe wisse er nichts.

Später habe er gehört, dass der Angeklagte Tony S. am Tatabend nach der Veranstaltung im Saal gefragt hätte. Der Zeuge H. habe Tony S. am Tatabend vor Mitternacht vor dem Saal getroffen und ihm auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Kirmesgesellschaft feiere.

Im Saal hätten E. und F. am Fenster gesessen. Er habe nicht mitbekommen, wie F. angegriffen worden sei. Davon sei ihm erst später erzählt worden. Unter der Maske habe er nur die Augen gesehen. Die bei einer polizeilichen Vernehmung angegebenen „kurzen bloden Haare“ des Angreifers könne er heute nicht mehr bestätigen. Der Zeuge erkennt die Skelettmaske in der Akte wieder.

Auf Nachfrage von Kästner-Hengst erklärt der Zeuge, dass der Angeklagte von Typus und Statur als Täter des ersten Angriffs in Betracht käme. Gegenüber RA Lippold erklärt er, dass er nicht mehr wisse, ob mehrere Gäste nach den Schlägen zu E. und S. gelaufen seien. Die Verletzungen von E. habe er erst im Jägerzimmer bemerkt. Er selbst könne sich an die Polizeivernehmung erinnern. Zu dem Vorhalt, dass er damals angegeben habe, dass er nicht sagen könne, ob die Person Handschuhe getragen hätte oder nicht, könne er heute nichts sagen.

Auf Nachfrage von RA Kalauch erklärt der Zeuge, dass er nichts Gerufenes oder Gesagtes des Angreifers beim Hereintreten vernommen habe. Er selbst habe vor den Musikboxen gestanden. Auf weitere Nachfragen erklärt der Zeuge, dass im Raum bewegtes Diskolicht geleuchtet habe und es eher dämmerig im Saal gewesen sei. Ob die Hauptbeleuchtung an gewesen sei, wisse er nicht. Zur Partybeleuchtung habe auf jeden Fall auch rotes Licht gehört. Welche Servietten sie auf der Feier benutzt hätten, wisse er nicht mehr.

Von dem Zeugen M.G. wisse er, dass wohl eine Frau vor dem Haus die Zeit gestoppt habe oder so. RA'in Taakens und ihre Mandantin Ariane S. tuscheln angesichts dieser Aussage unruhig und RA'in Taakens vergewissert sich anschließend über die Identität des Zeugen, der von der Zeit stoppenden Frau berichtet habe.

RA Schwarz fragt, ob der Zeuge sich noch an die zum Tatzeitpunkt gespielte Musik erinnere. Der Zeuge verneint, alle Musikrichtungen seien gelaufen. Er wisse nicht mehr, ob die Polizei sich vor der Vernehmung bei ihm zu Hause angekündigt hatte. Von den Bewohnern vom Gelben Haus habe er ansonsten nichts mitbekommen.

RA Giehler interessiert sich für Gespräche der Zeug*innen zwischen Angriff und ersten Vernehmungen im Krankenhaus. Der Zeuge erklärt, sie seien zu viert von einem Fahrer im Feuerwehrauto ins Krankenhaus gebracht worden. Auf der zehn- bis fünfzehnminütigen Fahrt hätten sie bestimmt über den Vorfall geredet, an den genauen Gesprächsablauf erinnere er sich jedoch nicht. Alle Geschädigten seien zudem ins Krankenhaus gebracht worden. Dort hätten sie auch Alkoholtests machen müssen und seien vernommen worden. Er selbst wisse nicht mehr, ob er auch im Krankenhaus vernommen worden sei. Als er dann in der gleichen Nacht wieder zurück nach Ballstädt gebracht worden sei, habe er die Verbandskästen aufgefüllt und sei dann nach Hause gelaufen. Der Zeuge erklärt weiter, dass die Zeug*innen auf'm Dorf leben würden und sich folglich praktisch jeden Tag sehen würden. Ihre Anwälte hätten ihnen jedoch mitgeteilt, sich nicht über den Prozess zu unterhalten. RA Giehler möchte dazu mehr wissen und fragt, wann die Anwälte was genau gesagt hätten, was von RA'in Pietrzyk wegen der Vertraulichkeit des Mandatsverhältnisses beanstandet wird, woraufhin RA Giehler sagt, er könne die Frage auch später stellen. RA Giehler fragt als nächstes, wie die Opferberatung von „ezra“ abgelaufen sei. Kästner-Hengst beanstandet die Frage in aller Form, RA'in Pietrzyk schließt sich dem wegen mangelnden Sachzusammenhang zur Anklage an. Zwecks Diskussion verlässt der Zeuge den Saal.

RA Giehler erklärt, er wolle mehr zu Vorgaben hinsichtlich des Aussageverhaltens der Zeug*innen erfahren. Pröbstel verdeutlicht, dass er die Arbeit der Opferberatung aus anderen Verfahren kenne und für wichtig erachtet. Bezüglich der Inhalte der Opferberatung solle nicht so viel gemunkelt werden, dort passiere keine Verheimlichung. Den Zeug*innen werde im Übrigen regelmäßig gesagt, sich nicht mit anderen Zeug*innen über den Vorfall zu unterhalten, damit die eigenen Erinnerungen sich nicht mit den Aussagen Dritter vermischten. Dieser Hinweis diene somit der Wahrheitsfindung. Es entspinnt sich auch eine Diskussion um die Arbeit von ezra, einem Projekt in Trägerschaft der evangelischen Kirche für die psychosoziale Beratung von Gewaltopfern. Deren Arbeit sei auch durch § 406g StPO [Psychosoziale Prozessbegleitung] besonders wert geschätzt. Dass die Norm erst zum 01.01.2017 in Kraft trete, ändere nichts an er sich daraus seit 2015 erkennbaren Intention des Gesetzgebers. Pröbstel erklärt RA Kalauch, dass er die Frage zum Mandatsbeginn für legitim halte. RA Hoffmann weist auf die Möglichkeit geschickterer Fragestellungen hin.

Der Zeuge betritt wieder den Saal und erklärt RA Giehler, der Kontakt zu ezra sei seines Erachtens durch das Ballstädter Bürgerbündnis gegen Rechts zustande gekommen. Alle Geschädigten, teilweise mit Rechtsanwält*innen, hätten sich gemeinsam mit Fr. und Ro. von ezra getroffen. An dem Tag habe er ezra auch eine Vollmacht erteilt. Seine Anwältin habe er erst später eingeschaltet. Ezra habe sich vorgestellt und Hilfe u.a. auch bei der Suche nach Anwält*innen angeboten. An konkrete Empfehlungen zum weiteren Verhalten erinnere er sich nicht. Weitere Fragen zum konkreten Inhalt der Opferberatung werden von der Staatsanwaltschaft nach § 68a I StPO [Beschränkung des Fragerechts aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes] beanstandet. RA Bunzel sieht allerdings die Ausnahme in § 68a II StPO einschlägig, dass es also um die Glaubwürdigkeit des Zeugen gehe. RA'in Pietrzyk schließt sich der Beanstandung an, da es bei Opferberatung um einen höchstpersönlichen Bereich gehe, der zudem zur Aufklärung der Tat nichts beitragen könne. Zudem habe die Vernehmung durch der Polizei bereits am 12.02. und somit vor dem Termin mit ezra stattgefunden. Pröbstel erklärt, er erkenne die Intention der Fragen von RA Giehler nicht, weil der Zeuge sich nicht grundsätzlich widersprochen habe. Kästner-Hengst kritisiert, es gehe hier um Ausforschung. Pröbstel weist den sich nun ohne Worterteilung sprechenden RA Bunzel zurecht und wiederholt, keinen Sachzusammenhang und keine Zielrichtung zu sehen. Der Zeuge J. erklärt RA Giehler dennoch noch, dass es keine Einzelgespräche mit F. und R. von ezra gegeben habe. Zudem sei im Gruppengespräch nicht erklärt worden, wie man sich bei polizeilichen oder richterlichen Vernehmungen zu verhalten habe.

Auf Nachfrage von RA Kalauch, erklärt der Zeuge J., dass ihnen bereits bei ezra gesagt worden sei, sie sollten nicht mehr mit anderen Zeug*innen über die Tat sprechen. Die Vernehmung der Polizei habe vor dem Termin mit ezra stattgefunden und dieser wiederum vor der Einschaltung seiner RA'in Pietrzyk.

RA Schwarz fragt nach der Kleidung von Fr. und Ro. während des Termins mit ezra. Aufgrund der offensichtlichen Absurdität dieser Frage dauert es einige Blickkontakte zwischen (Ober-)Staatsanwaltschaft und RA'in Pietrzyk, bis letztere die Frage beanstandet. RA Schwarz konkretisiert seine Frage dahingehend, ob Fr. und Ro. Kleidung mit politischen Botschaften getragen hätten. Nach einem Blickkontakt zwischen RA'in Pietrzyk und dem Zeugen J. beantwortet letzterer die Frage mit einem „Nein“. RA Nahrath kritisiert anschließend, es habe eine Weisung der RA'in Pietrzyk an den Zeugen stattgefunden. Pietrzyk erklärt, sie habe dem Zeugen lediglich mitgeteilt, dass er die Frage beantworten könne. Pröbstel ergänzt, er habe Zeugen und RA'in direkt in seinem Blickfeld und könne die Wahrnehmung von RA Nahrath nicht nachvollziehen. RA Giehler fragt noch, ob sich Fr. und Ro. im Gerichtssaal befänden, was verneint wird. Anschließend wird der Zeuge unvereidigt entlassen und die Mittagspause beginnt.

Zu Wiederbeginn der Verhandlung bittet RA Kalauch um Verlesung aus den Akten zur Feststellung, wann RA'in Pietrzyk von dem Zeugen J. eingeschaltet worden sei. Es liegt eine Vollmacht vom 14.05.2014 vor.

Zeuge F.

Als letzter Zeuge des Tages berichtet der ebenfalls beim Überfall Geschädigte F. sinngemäß wie folgt:
„Am 08.02.2014 veranstaltete unsere Ballstädter Kirmesgesellschaft eine Nachfeier als Dankeschön für die Helfer*innen. Die Feier begann um 20 Uhr mit einer Rede der Bürgermeisterin. Ich half bis zirka 23 Uhr an der Bar mit und habe danach mit gefeiert. Gegen 01/01:30 Uhr wurde die Veranstaltung leerer. Zwischen 02:00 und 03:00 Uhr kam eine vermummte Person in den Saal herein. Sie war dunkel gekleidet und hatte eine Skelettmaske auf dem Gesicht. Da ich niemanden sonst erwartete und die Person direkt auf uns zuging, dachte ich zunächst, das wäre mein Cousin und grüßte die Person. Die Person schrie: „Wer von euch Arschlöchern hat das Fenster eingeschlagen?“ Dann hat er E. niedergeschlagen, wobei E. die Brille davongeflogen ist. Der Vermummte ist dann gleich wieder raus gegangen, andere Leute sind ihm hinterhergelaufen. Ich habe die Brille von E. gesucht, weil ich selbst als Brillenträger weiß, welche Probleme der Verlust der Brille verursacht. Als ich die Brille gefunden und E. gegeben hatte, drehte ich mich um. Ich sah, dass einige Leute in den Saal gestürmt kamen. Eine Person lief auf mich zu und schlug mich nieder. Als ich auf dem Boden lag, verpasste er mir drei, vier Tritte in die Nieren. Ich habe mit den Händen meinen Kopfbereich geschützt und schrie: „Wir haben eure scheiß Scheibe nicht eingeschlagen!“ Ich bin anschließend in den Hinterraum, in das Jägerzimmer gelaufen. Der Angreifer hat noch einen Tisch oder Stuhl nach mir geworfen. Da ich schon weit genug von ihm weg war, konnte ich noch ausweichen.

Im Zimmer saßen schon einige Gäste. Kurz danach kam auch E. Wir versuchten seine Wunden zu stillen, wofür Taschentücher nicht ausreichten. Dann war es wieder ruhig und ich habe mich wieder nach oben in den Saal getraut. Der Saal sah ziemlich zerstört aus, als ich durch ihn ging. Dann kam auch schon die Polizei.

Alle Gäste der Feier waren förmlich geladen worden. Es gab bis zum Angriff keine Vorkommnisse und meines Erachtens keine ungeladenen Gäste. Da man zum Rauchen vor das Haus gehen muss, ist es gut möglich, dass Gäste raus und rein gegangen sind. Ich bin aber Nichtraucher und war höchstens mal kurz draußen. Ich schätze, dass am Anfang 40/50 Leute auf der Feier waren. Am Ende waren es 15 bis maximal 20.

Ich hatte mit E. an der Bar auf Barhockern gesessen. Wir haben uns unterhalten. Ich habe auf der Feier Alkohol getrunken, war meiner Einschätzung nach aber noch recht klar im Kopf. Den direkten Eingang hatte ich nicht im Blick, weil es nach der Saaltür noch ein paar Treppenstufen hoch geht. Als die vermummte Person auf der Ebene des Saales war, habe ich sie sofort gesehen. Die Person kam direkt auf uns zu. Der Mann war groß, kräftig, aber schlank und trug eine Skelettmaske. Auf Handschuhe habe ich nicht geachtet.

Bei der Frage nach dem Fenster habe ich sofort gedacht, dass es sich um das Gelbe Haus handeln könnte. Das war eine spontane Assoziation, wohl auch, weil es dort auch vorher Aktionen gegeben hatte, damit meine ich Schmierereien am Gelben Haus. Ich kann mich an einen Schlag gegen E. erinnern, bei dem gleich die Brille vom Kopf wegflog. Wir haben E. wieder aufgesetzt und dann habe ich die Brille gesucht, das hat vielleicht 20 Sekunden gedauert. Und dann war einer schon direkt zirka fünf Meter vor mir. Ich schätze, es waren so sieben, acht Angreifer im Saal. Alles ging so schnell, dass ich keine konkrete Erinnerung mehr habe an die Personen und ob sie vermummt waren. Ich bin mir aufgrund der zeitlichen Abfolge sicher, dass es die gleiche Person war, die mir auf die Wange schlug und dann auf mich eintrat.

Durch den Angriff erlitt ich eine Zahnabsplitterung, Aufschürfungen und Prellungen im Nierenbereich. Ich wurde ambulant im Krankenhaus versorgt und bin danach noch in der gleichen Nacht nach Hause gegangen. Den Zahn habe ich zeitnah,wenige Tage nach dem Angriff, machen lassen. Ansonsten ist nichts zurückgeblieben, nur der Zahn muss regelmäßig neu gemacht werden.

Als ich in den Saal ging, kamen mir einige andere Leute von der Kirmesgesellschaft verletzt entgegen. Die mussten außerhalb des Saal attackiert worden sein, denke ich. Ich weiß nicht, ob die Leute, die der ersten Person hinterhergelaufen sind, aus aus dem Saal herausgegangen sind. Wenn ich sage, dass der Saal zerstört aussah, meine ich damit, dass überall Tische und Stühle und Scherben und Blutflecken herumlagen.

Nach dem Angriff wusste ich zunächst nicht, ob wir in Ballstädt sicher weiterleben und -feiern können. Die Radionachricht tags darauf war für uns alle vollkommen unverständlich. Im Radio hieß es, die Kirmesgesellschaft habe eine Schlägerei veranstaltet und sich mit dem Wirt angelegt. Den Wirt gibt es da aber gar nicht.

Von der Polizei wurde ich gegen zirka 04:00 Uhr auf der Ambulantenstation vernommen. Es gab später eine weitere Vernehmung. Bis dahin gab es sicher Gespräche mit anderen Beteiligten und mir. Meine eigene Erinnerung an den Vorfall war meines Erachtens nach aber noch sehr gut. Es gab dann auch sehr schnell die Info, dass wir uns nicht austauschen sollten um die eigene Erinnerung zu behalten. Vom Hörensagen weiß ich beispielsweise, dass eine Person durch den Raum, eine andere Person in einen Spiegel geworfen wurde. Genauso vom Hörensagen habe ich, dass weitere Personen der Kirmesgesellschaft geschlagen wurden und dass eine Person auf die Zeit des Überfalls geachtet haben soll. Exakt an die Maske erinnere ich mich nicht mehr. Wir hatten sicherlich Servietten im Festsaal. An deren Farbe erinnere ich mich nicht mehr.

Im Vorfeld des Angriffs sind Menschen in das Gelbe Haus gezogen, wogegen es Gegenbewegungen gab. Es gab eine Demonstration und ein Konzert, wo ich mich jedoch nicht beteiligt habe. Die Leute im Gelben Haus sind mir nicht durch irgendwelche Aktionen aufgefallen. Zu der Zeit habe ich aber in Jena studiert und deshalb nicht so viel mitbekommen. Wir wusste vom Hörensagen, dass es sich bei den Leuten im Gelben Haus um politisch rechts Motivierte handelte. Die Beschmierungen fand ich aber auch nicht okay.“

Pröbstel sagt, dass er den Auslöser der Demonstration gegen das Gelbe Haus noch nicht verstanden habe. Zeuge F. erklärt, dass es allgemeine Meinung war, politisch rechte Menschen nicht im Dorf haben zu wollen. Er kenne das Bürgerbündnis gegen Rechts, dessen Buttons sie auf der Feier der Kirmesgesellschaft auch getragen hätten. Pröbstel möchte wissen, ob der Angreifer durch die Buttons auf die Assoziation „Kirmesgesellschaft und eingeworfene Fensterscheibe“ gekommen sein könnte, was F. nicht ausschließen kann. Er schätze die Kirmesgesellschaft aber nicht so ein, dass dort jemand Fensterscheiben einwerfe.

F. erklärt weiter, dass man nach dem Angriff relativ schnell gehört habe, dass es sich bei den Angreifenden um Leute aus dem Gelben Haus gehandelt habe. Dies sei ja auch in den Nachrichten gewesen. Er kenne die Angeklagten nur vom Namen, könne die Gesichter aber nicht zuordnen.

F. erklärt, dass es die Dankesfeier jedes Jahr gebe und im Dorf wohl sehr bekannt sei. Es sei auch typisch, dass die Nachfeier so spät stattfinde, sie könne auch im März oder April stattfinden. Es habe Einladungen per Brief gegeben. Das ganze Dorf hätte theoretisch wohl von der Feier wissen können.

Auf die Frage, wie es ihm heute gehe, erklärt F., dass er den Überfall allgemein recht gut eingeordnet habe. Bei Feiern gehe er nun aber meist früher und vor 02:00 Uhr nach Hause. Er gibt ferner an, dass niemand auf ihn zugegangen sei um auf seine Aussagen gegenüber Polizei und Gericht einzuwirken.

Die Musik im Saal sei bei der Kirmesfeier erfahrungsgemäß laut. Die Beleuchtung sei dämmerig gewesen, die Barbeleuchtung sei bestimmt angeschaltet gewesen, die große Deckenbeleuchtung bestimmt nicht. Durch das Fenster, an dem ich war, konnte ich den Hauseingang nicht erblicken. Der Eingangsbereich des Hauses bestünde aus einem zirka 10 x 20 Meter großen Platz und sei von anderen Fenstern aus einsehbar. Über diesen Eingangsbereich müsse man gehen um auf die Straße zu kommen. Ob der Platz vom Haus aus gut beleuchtet gewesen sei, wisse er nicht. Die Straßenbeleuchtung gehe normalerweise um Mitternacht aus.

Auf Nachfrage von RA Lippold erklärt der Zeuge F., dass er sicher sei, dass verschiedene Personen E. und ihn angegriffen hätten. Gegenüber RA Windisch erklärt F., dass er nicht wisse, wer zum Tatzeitpunkt alles im Saal gewesen sei und ob der Zeuge J. sich schützend vor E. und ihn gestellt habe. F. habe sich nur auf die Suche der Brille fokussiert und nicht mitbekommen, ob der erste Angreifer noch mehrmals zugeschlagen habe. Er habe den einen Schlag mitbekommen, ein Gezerre mehrerer Personen und dass der Angreifer dann gegangen sei.

RA Schwarz will genau wissen, wer genau neben dem Zeugen F. sitze und erfährt, dass es sich dabei um Fr. von ezra handelt, der als Zeugenbeistand dabei ist. Gegenüber RA'in Taakens erklärt F., dass er nicht mehr wisse, ob er zum Tatzeitpunkt etwas in der Hand gehalten habe. Er gehe von einem Bierglas aus, dass er aber vielleicht auch auf der Fensterbank abgestellt hätte. Die blutende Wunde von E. sei ihm erst auf der Treppe zum Jägerzimmer aufgefallen. Dort hätten sie E. zu versorgen versucht. Der Zeuge F. wird daraufhin unvereidigt entlassen.

In der kommenden Woche seien Schulferien. Die Verhandlung werde in zwei Wochen am Mittwoch, den 10.02.2016 um 09:30 Uhr fortgesetzt.

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Tag 6 – 10.02.2015

Der sechste Verhandlungstag am 10.02.2016 wirft die Fragen auf, wann das Fragerecht missbraucht wird und wie sich Gerichte gegen Prozessverzögerung wehren können. Rechtsanwalt (RA) Klemke provoziert 19 (!) Kammerbeschlüsse, die allesamt unzulässige Fragen des RA Klemke feststellen beziehungsweise einmal eine von RA Klemke beanstandete Frage zulassen. Erneut droht dabei der brutale Überfall auf eine Kirmesfeier in Ballstädt am 09.02.2014 in den Hintergrund zu treten. Drei Geschädigte berichten an diesem Verhandlungstag von ihren Wahrnehmungen und Erinnerungen. Dabei wird besonders durch die Befragung des letzten Zeugen K. der Eindruck gewonnen, der erste vermummte Angreifer habe Menschen aus dem Kleinen Saal bewusst in den dunklen Vorraum gelockt, wo eine größere Gruppe anfing, die Gäste der Feier zusammenzuschlagen.

RA'in Kati Lang aus der Nebenklagevertretung wird von RA Steffen Trostorff vertreten. Statt RA Lippold vertritt RA'in Annett Döbert den Angeklagten Thomas W. Statt RA'in Ernst vertritt RA'in Susanne Bloß den Angeklagten Johannes B. RA Lindner (für den Angeklagten Stefan F.) lässt sich ebenfalls vertreten. An der Stellungnahme zum Antrag von RA Windisch (siehe Tag 4) arbeitet die Staatsanwaltschaft noch, der Staatsanwalt wird deshalb heute lange Zeit der Verhandlung fernbleiben. Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst bleibt der Verhandlung dagegen wie gewohnt treu. Zu Beginn fragt RA Klemke nach dem Status von RA Hoffmann, bei dem immer noch die Frage der Beiordnung als Nebenklagevertreter ungeklärt sei. Der Vorsitzende Richter Pröbstel gibt an, diesbezüglich bereits einen Schriftsatz mit der Bitte um Stellungnahme verschickt zu haben, die entsprechende Verfügung sei am 04.02. erfolgt. RA Klemke gibt an, diesen seiner Meinung nach nicht erhalten zu haben.

Der Zeuge So.

Der Zeuge So. betritt den Gerichtsaal. Zum in Frage stehenden Vorfall erklärt er sinngemäß:
„Die Sache ist schon eine Weile her. Ich versuche mich daran zu erinnern. Pf. und ich standen draußen um Luft zu schnappen, weil ich ziemlich betrunken war. Wir hatten eine geraucht und uns unterhalten. Ich habe nicht mitbekommen, was passiert ist und selbst nichts wahrgenommen. Aber Pf. meinte schließlich zu mir, dass sich da 'was zusammenbraue' und wir 'mal reingehen' sollten. Das wird gegen 2 Uhr nachts gewesen sein. Im Flur hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Als ich im Kleinen Saal war, weiß ich noch, wie jemand von uns versuchte, die Tür zuzuhalten, doch dann kamen mehrere Leute herein, von denen mich einer geschlagen hat.

Befragt zu den Anfängen der Feier kann ich sagen, dass ich mit einem Kumpel zur Kirmesfeier gefahren bin und dort ab 20 Uhr war. Auf der eigentlichen Kirmes hatte ich Trompete gespielt. Als Pf. und ich draußen standen, war ich so betrunken, dass ich nicht mehr geradeaus laufen konnte. Auf einer (Be-)Trunkenheitsskala von eins bis zehn würde ich sagen, ich war bei sieben.

Als wir hineingegangen sind, befanden wir uns im Vorraum des Saales, dem sog. Spiegelsaal. Ein Vermummter ist dort durch und in den Saal gegangen. Der Mann hatte mit einer Art Mundtuch sein Gesicht verdeckt. Er war ungefähr so groß wie ich, ich bin 1,82 Meter; er war ein bisschen stämmiger. Ich vermute, dass es ein Mann war. Wir, Pf. und ich sind dem Vermummten in den Saal hinterher gegangen. Vor der Bar im Kleinen Saal ist so eine Art Tanzfläche. Ich habe gesehen, wie die vermummte Person dort Gäste der Kirmesgesellschaft anpöbelte. Das heißt, sie hat Leute mit den Armen herumgeschubst und mit der Schulter angerempelt. Worte habe ich nicht verstehen können. Von zwei, drei anderen Gästen der Gesellschaft wurde die Person dann in den Vorraum zurückgedrängt. Jemand von uns hat die Tür zum Vorraum zugehalten, aber die Tür wurde aufgedrängt. Dann kamen mehrere Personen in den Kleinen Saal, eine ging auch auf mich zu und schlug mir ins Gesicht. Diese Person trug ebenfalls ein Mundtuch. Ich denke, dass erst einmal vier oder fünf weitere Angreifer im Saal waren. Der Schlag gegen meine linke Gesichtshälfte, auf Höhe der Schläfe, brachte mich zum Taumeln. Ich bin dann aus dem Saal hinausgelaufen durch den Vorraum und hinunter auf die Toilette, wo ich mich eingeschlossen und versteckt habe. In dem Vorraum hatte ich noch einige Angreifer gesehen. Das waren wesentlich mehr als fünf. Nach kurzer Zeit hörte ich eine, ich meine weibliche, Stimme rufen: „Alle raus hier!“. Dann kam auch schon bald die Polizei. Ich kam in der Nacht noch ins Krankenhaus, aber es war nichts weiter und ich wurde sofort entlassen. Ich hatte noch zwei Tage Schmerzen im Unterkiefer und war nicht krank geschrieben.

Vor der Fahrt ins Krankenhaus hatte ich noch einmal den Saal gesehen. Dort waren Blutflecken auf dem Boden und es sah chaotisch aus. Auch der Vorraum war ganz schön ramponiert. Bei Gesprächen im Krankenhaus ging es zunächst um den Ablauf der Geschehnisse. Vor Ort hatte ich von anderen Verletzten nichts mitbekommen, sondern erst im Krankenhaus. Die Polizei hatte Atemalkoholtests gemacht, bei mir sind 0,8 Promille gemessen worden. Ich konnte mir zunächst keinen Reim machen, was da in der Nacht eigentlich passiert ist. Ich wusste, dass Leute der Kirmesgesellschaft bei „Ballstädt gegen Rechts“ waren. Es wurde gesagt und vermutet, dass es wohl Leute aus der rechten Szene waren. Ich selbst kenne das sogenannte Gelbe Haus in Ballstädt nicht. Ich komme nicht aus Ballstädt, sondern spiele nur auf der Kirmes Trompete. Nach dem Vorfall hatte ich nicht mehr großartig mit Leuten von der Kirmesgesellschaft darüber gesprochen.“

So. kann auf Vorhalt die Skelettmaske nicht wieder erkennen. Er ergänzt, dass er glaube, dass die Person, die ihn schlug, eine andere Person als der erste Angreifer gewesen sei. Der Schlag sei mit der rechten Faust erfolgt. Auf Nachfrage des Oberstaatsanwalts (OStA) Kästner-Hengst betont So., dass vielleicht nicht wesentlich, aber auf jeden Fall mehr als fünf Leute im Vorraum waren, die nicht zur Kirmesgesellschaft gehörten; dazu noch die zirka fünf Leute im Kleinen Saal. Alle hätten ihr Gesicht verdeckt gehabt und langärmelige, größtenteils schwarze Kleidung angehabt. Er wisse nicht, ob alle Kopfbedeckung getragen hätten. Zumindest der erste Angreifer habe eine Kapuze aufgehabt. Dieser sei kräftiger gewesen als er selbst, er wiege 82 kg. Den Angreifer, der ihn selbst schlug, vermag So. nicht zu beschreiben, außer, dass er ebenfalls ein Tuch trug, um das Gesicht zu verdecken. Auf die Frage, ob jemand unter den 15 Angeklagten als Täter in Betracht komme, erklärt So., dass er sich diesbezüglich nicht festlegen wolle bzw. könne. Ob unter den Angreifenden mehr als eine weibliche Person gewesen sein könnte? Diese Frage des OStA wird von RA'in Takens und RA Klemke beanstandet, da es auf die subjektiven Wahrnehmungen des Zeugen und nicht darauf ankomme, was gewesen sein „könnte“. Der OStA zieht die Frage zurück und fragt noch einmal nach dem Geschlecht der Person, die „alle raus“ gerufen habe. So. erklärt, dass die Stimme wohl weiblich gewesen sei. Auf Vorhalt, dass er gegenüber der Polizei im Februar 2014 die Stimme als männlich bezeichnet habe, gibt So. an, dass er nach heutiger Erinnerung weiblich sagen würde, aber nicht mehr sicher sei.

Auf Nachfrage des RA Hoffmann erklärt So., dass die Polizei zwei, drei Wochen nach dem Überfall eine Hose von ihm sichergestellt habe. Zu dem Zeitpunkt hatte er die Hose noch nicht gewaschen. Nach dem ersten Schlag habe es keine weiteren Berührungen gegen ihn gegeben. Er sei dann sofort auf die Toilette gelaufen um sich zu verstecken. RA'in Pietrzyk fragt, warum die Hose sichergestellt worden sei. RA Klemke beanstandet die Frage, da der Zeuge die Hintergründe von Polizeimaßnahmen nicht kenne. Pröbstel reagiert verärgert und bezeichnet RA Klemke als „Meister des Konjunktivs“. RA'in Pietrzyk vermeidet eine Entscheidung der Kammer über die Zulässigkeit der Frage und formuliert um, ob Blutflecken an der Hose gewesen seien, was So. bejaht.

RA Nahrath fragt nach dem Ballstädter „Bündnis gegen Rechts“. So. gibt an, er wisse nicht, wer in dem Bündnis aktiv sei. Ihm sei lediglich von der Existenz des Bündnisses erzählt worden. RA'in Döbert bittet um fünf Minuten Unterbrechung zur Besprechung mit ihrem Mandanten. Pröbstel fragt, warum das nun während der Zeugenvernehmung notwendig sein solle. Pröbstel bevorzugt, zunächst die anderen Verteidiger zu Ende fragen zu lassen.

Auf Nachfrage von RA Waldschmidt sagt So., er wisse weder, wer den ersten Angreifer hinausgedrängt habe, noch, wie dies passiert sei. Was genau der erste Angreifer aufgehabt habe: Maske? Mundtuch? Halstuch? Sturmhaube? So. weiß das nicht mehr. RA Waldschmidt möchte wissen, wie der Schlag gegen die Schläfe mit Schmerzen im Unterkiefer in Verbindung zu bringen sei. RA Hoffmann beanstandet die Frage, weil die Wahrnehmungen entscheidend seien und nicht anatomisch-biologische Hintergründe, für die man einen Gutachter benötige. So. sagt, er habe anfangs auch Schmerzen an der Schläfe gehabt, Tage später aber nur noch am Unterkiefer. Befragt zur Hose, erklärt So., dass er diese nach dem Vorfall weder getragen noch gewaschen habe, sondern dass sie im Haus seiner Eltern gelegen habe.

RA Klemke fragt, wer So. vom Ballstädter Bündnis gegen Rechts erzählt habe. Der Zeuge berichtet, dies sei durch eine Frau erstmals im Krankenhaus geschehen. Den Namen der Frau weiß er nicht. Später hätten ihm auch J. und eine Person mit dem Spitznamen „Max“ (gekürzt) von dem Bündnis erzählt, Namen von Mitgliedern hätten sie nicht genannt. „Max“ habe ihm später von dem Bündnis erzählt, als er bei ihnen auf einer Feierlichkeit gewesen sei. RA Klemke fragt, wie sie auf das Gespräch über das Bündnis gekommen seien. Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst beanstandet die Frage aufgrund fehlenden Sachzusammenhangs zur angeklagten Tat. Pröbstel will die Frage nicht zulassen und sagt RA Klemke, dass die Kammer dies auch beschließen könne. Tatsächlich fordert RA Klemke den richterlichen Beschluss über die Zulässigkeit der Frage. Daraufhin wird die Verhandlung unterbrochen, damit sich die Kammer beraten und einen Beschluss anfertigen kann.

Nach der Unterbrechung zwecks Kammerbeschluss <1> verkündet der Vorsitzende Richter Pröbstel, dass die Kammer die Zurückweisung der Frage des RA Klemke an den Zeugen, wie es zum Gespräch über das Bündnis und etwaige Mitgliedschaften gekommen sei, durch den Vorsitzenden Richter Pröbstel billige. Begründet wird der Kammerbeschluss mit dem nicht hinreichenden Sachzusammenhang der Frage mit der angeklagten Tat. RA Klemke fährt fort und fragt stattdessen, von wem die Initiative für das Gespräch um das Bündnis ausging. Kästner-Hengst beanstandet die Frage. Pröbstel und RA Klemke geraten in einen kurzen Zwist, als Pröbstel eine weitere Beratung der Kammer ankündigt, die RA Klemke als „Alibiberatung“ bezeichnet und als Begründung auf angeblich fehlenden Blickkontakt Pröbstels mit seinen Schöffen verweist, die auch ein Mitspracherecht hätten. Pröbstel ist entrüstet. Er fragt, woher RA Klemke zu wissen glaube, mit wem er wie Blickkontakt gehabt habe und dass er sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen müsse. Pröbstel ergänzt, dass sie „dieses Spiel“ noch weitere Stunden spielen könnten, was RA Klemke bejaht und erneut einen richterlichen Beschluss einfordert.

Nach der erforderlichen Unterbrechung wird die Frage von RA Klemke per Kammerbeschluss <2> als unzulässig bezeichnet, die Begründung nimmt Bezug auf den vorangegangenen Beschluss. RA Klemke fragt nun, wie es im Krankenhaus im Gespräch mit der Frau zu dem Thema „Mitgliedschaften im Bürgerbündnis“ gekommen sei. Der OStA beanstandet die Frage und weist RA Klemke auf die „falsche Himmelsrichtung“ der Fragestellungen hin. Erneut fordert RA Klemke einen Kammerbeschluss <3>.

Nach Unterbrechung fordert RA Klemke die schriftliche Vorlage der verkündeten Kammerbeschlüsse gem. § 35 StPO. Zudem bittet er um eine zehnminütige Unterbrechung zwecks Besprechung mit seinem Mandanten aufgrund der durch die Kammerbeschlüsse angeblich neuen Situation. RA Waldschmidt bittet ebenfalls um die Überreichung der schriftlichen Beschlüsse nebst Begründung. Pröbstel gibt an, dass die Beschlüsse derart umfangreich nicht seien. RA Waldschmidt fragt nach, ob er richtig verstanden habe, dass Pröbstel etwas mit „Erinnerungsvermögen“ gesagt habe, woraufhin dieser antwortet, er wisse nicht, ob RA Waldschmidt etwas mit den Ohren habe; er habe nicht von „Erinnerungsvermögen“ gesprochen. Pröbstel kündigt an, die Beschlüsse zu kopieren und ebenso, dass die Beschlüsse handschriftlich in seiner Sauklaue verfasst worden seien, „wenn Sie die lesen können.“

Nach zehnminütiger Unterbrechung fährt RA Klemke mit der Befragung des Zeugen So. fort. Der Zeuge erklärt, er sei von Beschmierungen am sogenannten Gelben Haus informiert worden, wisse jedoch nicht mehr, von wem. Das müssten Leute aus Ballstädt gewesen sein, die dort wohnen. Er wisse jedoch nicht, bei welcher Gelegenheit und wann genau er von den Schmierereien erfahren habe. Die Sache sei zwei Jahre her, er führe darüber kein Protokoll. RA Klemke moniert, dass es keinen Grund gebe, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Pröbstel entgegnet, wenn man solche Fragen stelle, müsse man mit entsprechenden Antworten rechnen. RA Klemke beanstandet wegen der angeblich „flapsigen“ Aussage des Zeugen die Nicht-Zurechtweisung des Zeugen durch den Vorsitzenden Richter und fordert dazu einen Kammerbeschluss. OStA Kästner-Hengst rät RA Klemke, er solle lieber eine schriftliche Erklärung abgeben, woraufhin RA Klemke ihm entgegnet: „Von Ihnen benötige ich keinen Rechtsrat!“ – „Offenbar doch“, meint Kästner-Hengst. Pröbstel erklärt, dass dies kein zulässiger Antrag sei, sondern eine Erklärung. Zwischendurch entzieht Pröbstel RA Klemke das Wort, damit er selbst ausreden kann. Danach weist RA Klemke auf § 238 II StPO [Verhandlungsleitung] hin. Demnach müsse die Reaktion auf eine beanstandete Anordnung des Vorsitzenden Richters ein Gerichtsbeschluss sein. RA'in Pietrzyk bittet, da sich nur noch angeschrien werde, um die Verweisung des Zeugen. So. darf daraufhin vor die Tür. Pröbstel entscheidet schließlich, dass die Forderung eines Gerichtsbeschluss statthaft ist und unterbricht deshalb die Sitzung.

Nach der Unterbrechung zwecks nicht-öffentlicher Beratung und Beschlussfassung <4> rügt die Kammer die unterlassene Zurechtweisung des Zeugen durch den Vorsitzenden Richter nicht. Der Hinweis auf die fehlende Protokollführung habe dem Zeugen als Begründung gedient, warum er sich nicht erinnern könne, wann ihm von Schmierereien am Gelben Haus berichtet worden sei. So. betritt nach dieser Verkündung wieder den Gerichtsaal und wird von RA Klemke gefragt, wann die Schmierereien erfolgt sein sollen. OStA Kästner-Hengst beanstandet die Frage und gibt an, dass er die Beanstandung nicht mehr begründen werde. Pröbstel weist RA Klemke darauf hin, dass er sich auf dünnem Eis befinde, wenn er sich immer weiter von dem zur Anklage gestellten Sachverhalt entferne. RA Klemke möchte seine Frage erklären und bittet um Verweisung des Zeugen, der daraufhin wieder den Saal verlässt. RA Klemke gibt an, dass aktenkundig sei, dass eine Fensterscheibe eingeworfen worden sein soll. Die Beziehung von Schmierereien und der rechten Szene sei durch den Zeugen selbst eingebracht worden. Es sei nun zu klären, ob der Zeuge noch mehr mitbekommen habe. Die Schmierereien fügten sich ein in eine Reihe von Vorfällen gegen das Gelbe Haus und seine Bewohner*innen, wo der Steinwurf nur der letzte Akt gewesen sein soll. Es gebe also den Zusammenhang Schmierereien/Steinwürfe/Angriff auf die Kirmesgesellschaft und deshalb müsse alles gemeinsam geklärt werden. Wie er die Fragen stelle, sei allein seine Sache, ergänzt RA Klemke. Es kümmere ihn im Übrigen nicht, dass er auf dünnem Eis stehe, solange er nicht einbreche. RA Klemke und Pröbstel kündigen sich gegenseitig eine Fortsetzung des „Spiels“ an. Pröbstel gibt an, dass „wir dann noch morgen früh hier sitzen“. RA Klemke erläutert, dass er das in Kauf nehme.

Nach Unterbrechung wird der Kammerbeschluss <5> verkündet, dass die Frage von RA Klemke, wann der Zeuge von Beschmierungen erfahren habe und wann diese erfolgt sein sollen, wegen unzureichendem Sachzusammenhang mit der angeklagten Tag unzulässig ist. Der Zeuge betritt wieder den Saal und bejaht auf Nachfrage von RA Klemke, dass die Vermutung bestanden habe, dass es einen Zusammenhang zwischen Schmierereien und dem Angriff gegeben haben könnte. Von dem Steinwurf habe er jedoch erst nach dem Vorfall gehört. Bei welcher Gelegenheit er davon gehört habe? „Beim Bier, auf irgendeiner Feierlichkeit.“ So. weiß nicht mehr, wer ihm das erzählt habe, vielleicht seien es auch mehrere Leute gewesen.

Auf Nachfrage von RA'in Döbert gibt So. an, dass er zu dem Zeitpunkt, in dem der erste Angreifer in den Kleinen Saal gegangen sei, noch im Vorraum gestanden habe. Er sei dann ein bisschen später in den Saal gegangen. Der Angreifer habe sich gegen das ihn betreffende Hinausdrängen – so glaube er – gewehrt. Es sei nicht viel Zeit vergangen, bis die anderen Angreifer in den Saal gestürmt seien, vielleicht zwei oder drei Minuten. Ob die Tische im Saal dekoriert gewesen seien? Er denke ja. Ob es rote Servietten auf den Tischen gegeben habe? Das wisse er nicht mehr. Er habe keine Erinnerung an die Dekoration.

RA'in Takens möchte wissen, ob So. Gespräche über die Person geführt habe, die „Raus hier!“ gerufen hätte. So. bejaht, dass er sich im Krankenhaus mit der bereits erwähnten Frau kurz darüber unterhalten habe. Auf Nachfrage von RA Kalauch erklärt So., dass die Untersuchung durch einen männlichen Arzt erfolgt sei, der ihm erklärt habe, dass alles in Ordnung sei und er wieder gehen könne. Er habe dem Arzt geschildert, wo er getroffen worden sei und dass die Schmerzen nicht so schlimm seien. Auf Vorhalt, dass im Protokoll des Arztes „keine Beschwerden“ vermerkt sind, erklärt So., dass er dem Arzt auch gesagt haben könne, dass er keine Beschwerden habe. Er habe eigentlich nur wieder aus dem Krankenhaus raus gewollt. Auf Nachfrage von RA Nahrath erklärt So., dass er sich nicht mehr an Scherben im Gemeindehaus erinnern könne.

So. erklärt RA Schwarz, dass man, um vom Kleinen Saal auf die Toiletten zu kommen, eine Treppe hinunter. Die Stimme „Raus hier! Raus hier!“ sei seinem Vernehmen nach aus dem Vorraum gekommen. Wenn sie aus dem Saal gekommen wäre, hätte er sie auf der Toilette nicht mehr hören können. Anschließend erklärt So. RA Klemke den Aufbau der Toilette. Sie bestehe aus einem kleinen Raum mit Waschbecken, durch eine Tür komme man zu den Pissoirs und zwei Kabinen mit Sitzklos. Er habe sich in einer Kabine versteckt und diese verschlossen. Die Toilettenanlage an sich sei offen gewesen. RA Klemke interessiert sich zudem für den Alkoholtest. So. erklärt, dass Atemalkoholgerät habe der Polizeibeamte mit sich geführt. Welche Maßeinheit das Gerät angezeigt habe, wisse er nicht. Er glaube, dass der Test nur einmal durchgeführt worden sei. Gegenüber RA Hoffmann ergänzt So., dass er sofort das Geschubse gesehen habe, als er in den Saal gekommen sei. Das vollständige Geschehen habe er jedoch nicht sehen können, weil der Angreifer vor ihm im Kleinen Saal gewesen sei. So. wird daraufhin unvereidigt entlassen.

Der Zeuge B.

RA Rasmus Kahlen ist Nebenklagevertreter für den Zeugen B. und sitzt während der Zeugenbefragung links neben ihm. RA Klemke bittet zu Beginn um eine Umsetzung des RA Kahlen auf die rechte Seite, weil er den Zeugen nicht sehen könne. Pröbstel verweigert diesen Wunsch, das Problem hätten sonst die Nebenklagevertreter*innen. RA Klemke könne seinen Stuhl ein wenig verrücken, was er dann auch tut.

Der Zeuge B. erklärt sinngemäß:
„Gegen 19 Uhr bin ich zur Dankesfeier für die Kirmesgesellschaft gekommen. Es war das übliche Programm aus Essen, Trinken und Danksagungen. Gegen 02:00 Uhr/ 02:30 Uhr habe ich mich mit Ma. im Vorraum befunden. Eine Person mit Maske ist durch den Vorraum in den Saal gegangen. Wir wussten nicht, ob das ein Spaß war und sind der Person hinterher gegangen. Dort sah ich bereits, dass mein Cousin E. verdattert schaute und am Tresen neben seinem Stuhl lag. Kurz darauf verließ die Person mit Maske den Saal. Ma. versuchte erfolglos, ihn daran zu hindern. Ma. ist der Person hinterher, ich ebenfalls. Als ich in den Vorraum kam, wurde auch schon auf mich eingeschlagen. Ich weiß nicht, wie lange das dauerte. Als nächstes erinnere ich mich an die Erstversorgung durch die Feuerwehr, später kam die Polizei und dann kam ich ins Krankenhaus, wo meine linke Schläfe mit zwei Stichen genäht wurde.

Zu dem Zeitpunkt des Angriffs waren schätzungsweise noch zehn bis fünfzehn Gäste auf der Feier. Um zum Saal zu gelangen, geht man vom Vorraum durch eine Tür, dann drei Stufen hoch. Auf der linken Seite beginnt dann gleich der Tresen. Im Saal standen mehrere Tische, einer direkt am Anfang, wo man hereinkommt. Zur Dekoration hat es maximal weiße Tischdecken und Servietten auf den Tischen gegeben. Die Farbe der Servietten weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall nicht weiß. Ich war nicht betrunken, eher müde. Später wurden 0,5 oder 0,6 Promille bei mir gemessen. Eine Glastür führt in den Vorraum. Der erste Angreifer trug eine Maske mit einem Totenkopf. Er war zirka 1,90 Meter groß und schwarz gekleidet. Als er das erste Mal in den Vorraum kam, schaute er sich kurz um, wo es lang geht und ging dann kommentarlos in den Saal. Ich bin ihm unmittelbar hinterher gegangen. Ich weiß allerdings nicht, ob der Angreifer Menschen geschlagen hat. Er hat zumindest schnell wieder die Flucht versucht. Ma. ist im Kleinen Saal nichts passiert. Mir fehlt ein Stück der Erinnerung in dem Moment, als ich aus dem Saal heraus in den Vorraum ging. Ich erinnere mich daran, wie ich in Scherben lag und auf mich eingeschlagen wurde. Ich lag vor der Spiegelwand, die befindet sich gegenüber vom Eingang in den Kleinen Saal. Ich weiß nicht, ob ich in den Spiegel geworfen bin oder der schon vorher kaputt war.

Die Behandlung im Krankenhaus erfolgte ambulant. Eine weitere ärztliche Behandlung erfolgte nicht. Die Fäden hat mir meine damalige Freundin gezogen. An der linken Schläfe ist eine Narbe geblieben. Die sieht man auch, wenn man genau hinschaut. Ich benötigte nach dem Überfall eine gute Woche, bis ich wieder fit war. Das Einschlagen erfolgte meines Erachtens mit der Hand. Soweit ich das mitbekommen habe, erfolgten keine Tritte gegen mich. Mein Hemd war danach kaputt und auch meine Mütze konnte ich wegschmeißen.

Nach dem Vorfall hat es Gespräche mit anderen Gästen der Gesellschaft gegeben, allerdings keine abendfüllenden. Im Verlauf der Woche hatten wir über facebook darüber gesprochen, im Krankenhaus selbst nicht. Bei facebook wurden mir Seiten zugeschickt, die von dem Steinwurf am Gelben Haus vor dem Überfall berichteten. Das Gelbe Haus kenne ich aus Medien und Erfahrungsberichten. Ich habe gehört, dass dort Rechte eingezogen sind. Die Leute sind mir bis dahin im Dorf nicht aufgefallen. In Ballstädt gab es Reaktionen, als es hieß, dass das Gelbe Haus von Rechten gekauft wurde. Auf der ersten Demonstration, als es um die Käufer des Hauses ging, war ich dabei. Ich bin auch Administrator einer entsprechenden facebook-Seite gewesen. Vom Steinwurf weiß ich nur aus den Medien. Beim Angriff ist mir auch ein Stück Zahn abgesplittert, das erneuert wurde. Bis zum Überfall war es ein gemütlicher Abend. Ich persönlich kann zu den Hintergründen der Tat nichts sagen, weil ich nichts mitbekommen habe.“

Der Zeuge B. beschreibt die Maske des ersten Angreifer als schwarz mit einem weißen Skelett darauf. Auf Vorhalt eines Bildes aus der Akte erkennt B. die Maske wieder. Er habe keinen Ruf „Alle raus! Alle raus!“ mitbekommen. Er habe mehrere Schläge auf den Oberarm erhalten. Von diesen erfolgten Schlägen wisse er 100%-ig. Er wisse jedoch nicht, ob eine Person oder möglicherweise mehrere auf ihn eingeschlagen hätten. Er habe sich bewusstlos stellen wollen. Er wisse nicht, ob er möglicherweise sogar wirklich kurzzeitig bewusstlos gewesen sei.

Auf Nachfrage des OStA Kästner-Hengst erklärt B., dass er nur gesehen habe, wie sein Cousin auf dem Boden gelegen habe. Er mutmaße deshalb, dass er geschubst oder geschlagen worden sei. Schließlich kippe er nicht einfach so vom Stuhl, derart betrunken sei er nicht gewesen. Der Angreifer habe eine Kapuze aufgehabt. Laut Vorhalt der Polizeivernehmung hat B. gesagt, dass wenn er die Haare überhaupt gesehen habe, dann seien sie kurz geschoren oder ganz kurz und blond gewesen. B. bestätigt diese Aussage. Kästner-Hengst hat Probleme mit der gewählten Formulierung. Ob er nun Haare gesehen habe und wenn ja, warum er meine, dass die Haare blond gewesen seien, wenn er selbst nicht wisse, ob er Haare gesehen habe? B. ist selbst nicht klar, warum er diese Formulierung gewählt habe. Die Polizeivernehmung habe vier, fünf Tage nach dem Vorfall stattgefunden. Damals sei seine Erinnerung sicherlich besser gewesen als heute.

Der erste Angreifer sei größer gewesen als er selbst, er sei 1,87 Meter groß. OStA Kästner-Hengst fragt den Zeugen, ob er sich die Angeklagten anschauen und sagen könne, wer von den Angeklagten der Täter gewesen sein könnte. RA Klemke beanstandet die Frage. „Warum?“, fragt Kästner-Hengst sofort. Für die Begründung verlässt der Zeuge den Gerichtsaal. RA Klemke hält die Frage für eine unzulässige Gegenüberstellung, bei der eine 100%-ige Trefferquote bestünde, da mit der Antwort die Angeklagten nur weiter belastet werden könnten. Außerdem halte er das Mittel für ungeeignet, da man die damals Maskierten nun nicht mehr erkennen könne. RA Hoffmann versteht den Einwand. Er selbst habe ihn auch bereits mehrmals vergeblich vorgebracht. Er weist darauf hin, dass das Gericht den eingeschränkten Beweiswert dieses Mittels zu berücksichtigen habe. RA Waldschmidt schließt sich der Beanstandung mit der Frage: „Wie soll ein Zeuge den Täter erkennen, wenn alle Angeklagten sitzen?“ RA Hoffmann erklärt, dass man die Zeugen ja bitten könne, aufzustehen, was sie allerdings nicht müssten. OStA Kästner-Hengst sagt, dass RA Hoffmann damit im Grunde alles Wesentliche gesagt habe, woraufhin die beiden schmunzeln. Pröbstel selbst hält die Frage für zulässig. Bei lediglich einem Angeklagten werde der Zeuge ebenfalls regelmäßig gefragt, ob er den Angeklagten wieder erkenne. Hier, angesichts von 15 unmaskierten Angeklagten, sei der Beweiswert ungleich geringer. Dennoch sei die Frage an sich zulässig. RA Klemke hält seine Beanstandung aufrecht.

Nach einer Unterbrechung ergeht der Kammerbeschluss <6>, dass die Frage des OStA Kästner-Hengst nach der Wiedererkennung eines Angeklagten als Täter gebilligt wird. Der Zeuge betritt den Gerichtssaal und beantwortet die nun gebilligte Frage des OStA mit einem Nein; er habe keine Erinnerung an die Täter, die eine Wiedererkennung ermöglichten. Auf die letzte Frage des OStA gibt B. an, dass die Polizei ein Hemd von ihm sichergestellt habe, weil sich Blut von ihm darauf befunden habe.

Auf Nachfrage von RA Hoffmann ergänzt B., dass er nach einem Faustschlag im Vorraum sofort zu Boden gegangen sei. Er erinnere sich daran, wie er mit dem rechten Arm den Kopf geschützt habe. Ihm sei wiederholt gegen den rechten Oberarm geschlagen worden. Der linke Arm habe sich unter seinem Körper befunden. In der Folge habe er blaue Flecken am Arm gehabt, die er auch fotografiert habe. Die Bilder könne er gerne zur Verfügung stellen.

Auf Nachfrage von RA'in Takens erinnert sich B. daran, in Scherben vor dem Spiegel im Vorraum gelegen zu haben. An Scherben im Kleinen Saal könne er sich jedoch nicht erinnern. Gegenüber RA Schwarz gibt B. an, nicht mehr zu wissen, wie seine Polizeivernehmung, die vielleicht 30 bis 60 Minuten gedauert habe, genau abgelaufen sei. Zwei Polizisten hätten sich mit ihm im Raum befunden. Einer habe protokolliert und dem anderen habe er den Verlauf der Nacht geschildert. Er wisse nicht mehr, ob es Nachfragen gegeben habe. B. erklärt RA'in Döbert, keine whatsapp-Gruppe zu kennen, in der sich über den Überfall unterhalten worden sei.

Auf Nachfrage von RA Klemke sagt B., von den Rechten in Ballstädt im Alltag nichts mitbekommen zu haben. Er sei aber auch nur unregelmäßig in Ballstädt gewesen. Am Gelben Haus hätten sich häufig Autos mit unterschiedlichen Kennzeichen getroffen. RA Klemke fragt, was die Motivation des Zeugen gewesen sei, als Administrator der facebook-Gruppe zur Demonstration des Bürgerbündnisses gegen Rechts zu fungieren. OStA Kästner-Hengst beanstandet die Frage, Pröbstel lehnt die Frage ab. RA Hoffmann sagt, dass nach den Wahrnehmungen des Zeugen gefragt werden dürfe, jedoch nicht nach den Motiven. RA Klemke betont, dass Motive innersubjektive Wahrnehmungen seien und deshalb nach ihnen gefragt werden dürfen. Es erfolgt eine Unterbrechung und der Kammerbeschluss <7> über die Nicht-Zulassung der Frage wegen unzureichendem Sachzusammenhang zur angeklagten Tat. RA Klemke fragt weiter nach den Motiven des Zeugen zur Teilnahme an der erwähnten Demonstration. Pröbstel lehnt diese Frage ab. RA Waldschmidt bittet um eine Unterbrechung, da sein Mandant seit geraumer Zeit auf Toilette müsse. Es folgen eine Unterbrechung, in der der Mandant auf Toilette gehen darf, und ein weiterer Kammerbeschluss <8>. Die Frage der Motivation an der Teilnahme einer Demonstration habe keinen ausreichenden Bezug zur Tataufklärung.

Gegenüber RA Klemke erzählt B., dass er aus Medien und facebook wisse, dass bei Rechten in Crawinkel, von denen einige nach Ballstädt gezogen sein sollen, auch Schusswaffen gefunden worden seien und dass einer in Österreich gefangen genommen worden sei. RA Klemke möchte wissen, wer noch in dem Bürgerbündnis gegen Recht Mitglied sei. RA Hoffmann beanstandet die Frage wegen fehlendem Sachzusammenhang mit der Tatnacht. Pröbstel weist auf den räumlich-zeitlichen Zusammenhang der eingeworfenen Fensterscheibe mit der zur Anklage gestellten Tat hin. Für den Steinwurf sei möglicherweise das Bürgerbündnis verantwortlich. RA Hoffmann stellt klar, dass das Bürgerbündnis legal mobilisiere und insoweit ein Zusammenhang nicht erkennbar sei, da sich im Fall des Steinwurfs gerade außerhalb der Legalität bewegt worden sei. Wer legal mobilisiere, meide ja gerade die Illegalität. Pröbstel hält den Verdacht dagegen noch für vertretbar, dass Mitglieder des Bündnisses während der Kirmesfeier für den Steinwurf verantwortlich gewesen seien. RA'in Pietrzyk schließt sich der Beanstandung an und argumentiert, dass die Frage in ihrer Pauschalität einen Sachzusammenhang zur angeklagten Tat vermisse, weil eben nur nach der Mitgliedschaft gefragt werde. Der Vorsitzende Richter Pröbstel gibt RA'in Pietrzyk recht und lehnt die Frage ab. B. verlässt den Gerichtssaal, da RA Klemke noch argumentieren möchte. Er führt aus, dass es ihm darum gehe, die Zeug*innen der Tatnacht auf ihre Mitgliedschaft im Bürgerbündnis zu überprüfen. RA'in Pietrzyk sagt, dass die Frage dann falsch gestellt worden sei, denn RA Klemke frage vorliegend nach einer Mitgliedsliste. RA Klemke bittet daraufhin um eine fünfzehnminütige Unterbrechung zur Vorbereitung der bekannten Zeug*innen aus der Anklageschrift. RA Hoffmann weist darauf hin, dass Vorbereitungen vor der Verhandlung und nicht jetzt zu Lasten aller Anwesenden statt zu finden hätten. Es folgt dennoch eine Unterbrechung zwecks Kammerbeschluss <9>, da die Frage von RA Klemke keinen hinreichenden Bezug zur angeklagten Tat aufweise und daher die Ablehnung der Frage durch den Vorsitzenden Richter von der Kammer gebilligt werde.

RA Klemke benennt nun einige Zeug*innen namentlich und fragt B. jeweils, ob ihm die Person bekannt sei und, wenn ja, ob sie Mitglied im Bündnis sei. Humorvollerweise fragt RA Klemke auch nach Christina H., der Freundin des Angeklagten Tony S., die B. nicht kennt. Kästner-Hengst fragt dann auch, ob RA Klemke die Christina H. denn kenne, was unbeantwortet bleibt. B. kennt ansonsten fast alle genannten Personen, verneint aber jeweils die Mitgliedschaft im Bürgerbündnis. RA Klemke fragt schließlich, ob überhaupt Menschen in dem Bürgerbündnis seien. Die Frage steht im Raum, bis Kästner-Hengst fragt: „Ist die Frage Ihr Ernst?“, was RA Klemke bejaht. OStA Kästner-Hengst beantwortet die Frage, „so blöd wie sie ist.“ Es entsteht ein Zwist zwischen Pröbstel, der die Frage nicht zulässt und RA Klemke, der nun sehr laut ins Mikrofon schreit. Letztlich akzeptiert er aber die Entscheidung. Stattdessen fragt er B., mit wem er als Administrator der facebook-Seite zu tun gehabt habe. Es folgen Beanstandung von Kästner-Hengst, Nicht-Zulassung durch Pröbstel, Unterbrechung und Kammerbeschluss <10>. RA Klemke fragt, wie es dazu gekommen sei, dass B. Administrator der facebook-Seite wurde. Es folgen Beanstandung von Kästner-Hengst, Nicht-Zulassung durch Pröbstel, Unterbrechung und Kammerbeschluss <11>. Zwischendurch erscheint der bis dato fehlende Staatsanwalt wieder und setzt sich neben OStA Kästner-Hengst.

RA Klemke fährt fort mit der Nennung einzelner namentlich bekannter Zeug*innen und der Frage nach ihrer Mitgliedschaft im Bürgerbündnis. Zuletzt fragt er, ob B. die benannten Menschen auch aus anderen Zusammenhängen außer dem gleichen Wohnort Ballstädt kenne. RA Hoffmann beanstandet die Frage, RA Klemke formuliert die Frage um, woraufhin B. angibt, dass Ni. ebenfalls Mitglied und Administrator der facebook-Seite „Ballstädt gegen Rechts“ sei. RA Klemke fragt weiter, wo die Demonstration gegen das Gelbe Haus stattgefunden habe. Kästner-Hengst beanstandet die Frage, Pröbstel erklärt gegenüber RA Klemke: „Ich habe das Gefühl, Sie wollen nicht verstehen, wo die Grenze zur unzulässigen Frage erreicht ist.“ RA Klemke wird gefragt, ob er den Hintergrund seiner Frage näher begründen wolle, woraufhin er erklärt: „Vor diesem Gericht verzichte ich auf weitere Erklärungen.“ Damit scheint ein wunder Punkt, auch im Publikum, getroffen zu sein: Eine Zuschauerin ist hörbar empört über die Aussage von RA Klemke, ein Neonazi antwortet mit einem lauten „StaSi-Diktatur!“. Die Polizei setzt sich demonstrativ wieder in die Mitte zwischen die nach „Zugehörigkeit“ (siehe Tag 4) getrennten Zuschauer*innen. Es folgen eine Unterbrechung und ein Kammerbeschluss <12> gegen die Frage von RA Klemke. Dieser fragt danach, ob B. auf der Demonstration Banner der „Antifaschistischen Aktion“ gesehen habe. OStA Kästner-Hengst beanstandet die Frage. Zudem führt er aus, dass bei Fortsetzung dieser Art von Fragen wegen missbräuchlicher Ausübung des Fragerechts ein Entzug dieses Rechts beantragt werde. RA Klemke droht: „Das versuchen Sie mal.“ Es folgen eine Unterbrechung und ein Kammerbeschluss <13>, laut dem die Frage nach Bannern der „Antifaschistischen Liga“ auf der Demonstration als unzulässig betrachtet wird. RA Klemke beschwert sich, dass er nicht nach einer „Antifaschistischen Liga“, sondern der „Antifaschistischen Aktion“ gefragt habe. Pröbstel korrigiert den Beschluss ohne weitere Unterbrechung.

RA Klemke möchte wissen, wie lange B. Administrator der facebook-Seite gewesen sei. Der Zeuge B. erklärt, er sei dies seit Beginn und auch noch heute. RA Klemke fragt nach ihm bekannt gewordenen zustimmenden oder relativierenden Kommentaren auf der facebook-Seite in Bezug auf Gewalttaten gegen das Gelbe Haus. Er erklärt, damit meine er Kommentare, die Gewalttaten herunterspielen würden nach dem Motto „Gegen Nazis, da macht Sachbeschädigung nichts.“ Die Nebenklagevertretung beanstandet die Frage mit der Begründung, es komme zur Tataufklärung nicht auf die Meinung von Dritten an, die sich jemals, als Mitglieder oder „Follower“ der Seite, geäußert hätten. Pröbstel macht noch einmal deutlich, dass die Anklage sich auf eine gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch beziehe. Der Steinwurf mag die Tat mit-veranlasst haben, ein weiterer Zusammenhang sei jedoch nicht erkennbar. RA Klemke verweist auf die Möglichkeit der Erklärung nach § 257 StPO, in der er Zusammenhänge aufzeigen werde. Es folgen eine Unterbrechung und Kammerbeschluss <14>. RA Schwarz fragt, ob die Bürgermeisterin von Ballstädt Mitglied in dem Bürgerbündnis gegen Rechts sei. B. sagt, dass er das gar nicht genau sagen könne. Daraufhin wird der Zeuge unvereidigt entlassen.

Erklärung von RA Klemke

RA Klemke möchte eine Erklärung abgeben. Er führt aus, dass der Zeuge B. hinsichtlich der Wiedergabe seiner Erinnerungen an die Tatnacht subjektiv „bemüht“ gewesen sei. Bezüglich seiner Erinnerungen an das Bürgerbündnis sei B. jedoch nicht so bemüht gewesen. Er habe den Zeugen nur unzureichend befragen können, da das Gericht, vor allem der Vorsitzende Richter, meine, es komme nicht auf die Vorfälle vor dem Steinwurf an. Dabei sei dieser nur der Endpunkt der Entwicklung gewesen. Man könne nicht sagen, dass dies kein politischer Prozess sei. Es habe sogar ein Medienprozess gegen das Gelbe Haus stattgefunden. RA Hoffmann unterbricht, dass dies allgemeine Ausführungen seien, die besser für ein Plädoyer am Ende der Verhandlung geeignet seien als für eine Erklärung hinsichtlich der Zeugenaussage. RA Klemke fährt fort, dass es den Versuch der Nebenklage gebe, Vorfälle, die zum Gesamtgeschehen gehörten, außen vor zu halten. Nach kurzem Zögern sagt RA Klemke, dass er gestört worden sei und aus dem Konzept geraten sei und deshalb am besten noch einmal von vorne anfange. OStA Kästner-Hengst fragt, ob RA Klemke sich nicht lieber schriftlich äußern wolle. RA Nahrath bittet nun um das Wort und führt aus, dass er bereits einmal gerügt worden sei, weil er einfach in den Raum gerufen habe, allerdings Kästner-Hengst ständig eigenmächtig das Wort ergreife. Pröbstel verspricht, dass er sich zukünftig besser um die gewünschte Lenkung der Verhandlung bemühe. Anschließend findet eine Mittagspause statt.

Nach der Mittagspause beginnt RA Klemke erneut mit seiner vor der Pause unterbrochenen Erklärung. Er schildert sinngemäß:
„Der Zeuge B. hat, soweit er die Tatnacht geschildert hat, subjektiv glaubhaft seine Erinnerungskraft bemüht. In Bezug zum Bürgerbündnis gegen Rechts ist sein Aussageverhalten, um es vorsichtig zu formulieren, sehr sehr zurückhaltend. Leider wurden viele Fragen an den Zeugen nicht zugelassen. Das isolierte Vorkommnis der eingeworfen Fensterscheibe am Gelben Haus kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Das ist eine Entwicklung. Es gab die Medienberichterstattung, das Bürgerbündnis, mindestens zwei Demonstrationen, ein Benefizkonzert. Es ist ein Klima der Stimmungsmache gegen die Bewohner*innen des Gelben Hauses entstanden, das Folgen hatte und zu Gewalt gegen Sachen führte: Schmierereien und eingeworfene Scheiben. Aus den Polizeiberichten geht hervor, dass dies der Auslöser des Überfalls gewesen sein soll. Deshalb kann ich das Vorgeschehen nicht außen vor lassen. Ich hacke zu Recht auf dem Bürgerbündnis herum. Heiko Maas hätte gesagt: 'Das Bündnis hat mitgeschmiert.' Aber das darf ich ja nicht sagen, denn ich bin nicht der Justizminister. Bei den betroffenen Bewohner*innen ist ein Gefühl des Ausgeliefertseins entstanden.“

RA Hoffmann beanstandet die Ausführungen von RA Klemke, da sie in keinem Zusammenhang zu der Zeugenaussage stehe. RA Kalauch reagiert verärgert: „Seien Sie doch ruhig!“ Es lägen erhebliche strafmildernde Umstände vor. Pröbstel erklärt, dass das Gericht selbstverständlich alle Umstände der Tat berücksichtige. Für die Einschätzung der Tat sei aber irrelevant, wer an einer Demonstration teilgenommen habe.

Der Zeuge K.

Der Zeuge K. berichtet von seinen Erinnerungen an den Überfall sinngemäß:
„Die Kirmesfeier war zunächst ein lustiger Abend. Um Mitternacht gab es ein bisschen Unruhe, weil draußen der Zeuge H. auf den Angeklagten Tony S. traf, der nach der Veranstaltung im Saal gefragt hat. Gegen 02:30 Uhr befand ich mich am hinteren Buffet in einem kleinen Raum am Saal und unterhielt mich mit M.I. Ich bekam dann mit, dass nach einer Scheibe gefragt wurde und dass dann zwei Gäste geschlagen worden sind. Der Täter war ziemlich groß, dunkel gekleidet und trug eine Kapuze und eine Totenkopfmaske, durch die man nur die Augenpartie sehen konnte. Wir sind dem Angreifer hinterher in den Vorraum gelaufen. Der Vorraum füllte sich plötzlich schlagartig mit Menschen. Kaum war ich über die kleine Treppe in dem Raum gelangt, da packte mich einer an die Seite und drängte mich in die Garderobe. Ich redete auf ihn ein, er solle aufhören. Er schlug mir drei Mal ins Gesicht, ich ging dann zu Boden. Als ich dort lag, wurde P. über den kleinen Tresen geworfen und landete direkt neben mir. Ich habe gehört, wie Scheiben und Flaschen klirrten, außerdem eine Stimme, die rief „Weg hier!“, dann legte sich der Lärm.

Zur Höchstzeit waren 50 Leute auf der Feier. Wir haben genug getrunken. In der Notaufnahme worden bei mir 0,8 Promille oder so gemessen. H. hatte über das Treffen mit dem Tony S. berichtet. Mir selbst wurde die Sache von jemand anderem erzählt. Man wusste, dass Tony S. in dem Gelben Haus wohnte. In Ballstädt hatte ich ihn zuvor nie getroffen. In Ballstädt wissen alle, wer das Haus gekauft hat. Ich wusste nicht, das am Gelben Haus vor dem Angriff auf die Kirmesfeier etwas passiert ist. Im Moment des Angriffs stand ich schätzungsweise 10 bis 15 Meter vom Tresen im Kleinen Saal entfernt. An dem Tresen standen E. und F. Der Angreifer musste fünf Stufen vom Vorraum in den Kleinen Saal hochgehen, dann links herum, wo sofort der Tresen anfängt. Der Mann ist also einfach wahllos zu den ersten Menschen hingegangen. Im ersten Moment hatte ich nur die Stimme gehört, die nach der Scheibe fragte. Sie war laut und aufgeregt. Ich vermutete zunächst einen schlechten Scherz.

Der Mann mit der Maske hat meines Erachtens erst F. und dann E. geschlagen, letzter flog vom Stuhl. Bei F. weiß ich nicht, ob er getroffen wurde. Ich habe nicht gesehen, ob weitere Personen geschlagen wurden. Mir ist danach auch kein Gerangel oder Geschubse aufgefallen. Dass wir dem Mann hinterhergelaufen sind, war eine Affekthandlung. Ich kam so ziemlich als letzter in den Vorraum, wo ich noch das Gerangel sah, als ich selbst abgedrängt wurde. Im Vorraum befand sich ein Pulk an Menschen, ich konnte nicht richtig sehen, wer eigentlich wer ist, wer eigentlich Kirmesbesucher ist und wer zu den anderen gehörte. Ich weiß nicht, was mit den anderen Gästen passiert ist. Ich selbst ging die fünf Stufen in den Vorraum hinunter und von links kam gleich die Person und drängt mich hinter den Tresen in den Garderobenbereich. Die Schläge erfolgten mitten auf die Nase. Ich versuchte die Hände des anderen festzuhalten und schrie „Hör doch auf!“. Mit seinem Knie trat er auch gegen meinen Oberschenkel.“

In diesem Moment weist OStA Kästner-Hengst RA Nahrath darauf hin, dass er doch bitte seinen Mandanten Marcus R. wecken möge. RA Nahrath bittet um zweiminütige Unterbrechung um zu eruieren, welche Gründe das Einschlafen von Marcus R. haben könne. Pröbstel fragt den Angeklagten selbst, der das erste Mal in der Verhandlung spricht: „Ich bin ziemlich erkältet.“ Nach kurzem Gespräch erklärt RA Nahrath, sein Mandant sei noch krank und habe die letzten 48 Stunden kaum geschlafen. Er bittet daher darum, dass man heute vielleicht nur noch die Befragung des anwesenden Zeugen abschließe. Pröbstel zeigt sich für den Vorschlag offen. Man sei ohnehin im zeitlichen Verzug und habe bereits Zeugen für heute wieder ausgeladen.

Der Zeuge K. erklärt weiter sinngemäß: „Als P. neben mir lag, konnte ich weiter nichts wahrnehmen. Zuletzt sah ich jedoch noch, dass der Spiegel von der wohl letzten Person, die aus dem Kleinen Saal kam, zerstört wurde, indem etwas dagegen geworfen wurde.“ K. wird nach vorne gebeten. Sie begutachten die Bilder der Verletzungen des Zeugen. Zudem wird ihm ein Bild der Maske gezeigt, die der Zeuge K. wieder erkennt. Als Folge des Angriffs seien bei K. Schwellungen und Hämatome diagnostiziert. Die Nase sei nicht gebrochen gewesen. Er sei drei Tage krank geschrieben gewesen. Die Hämatome seien innerhalb von zirka zwei Wochen verheilt. Seine Brille habe er verloren. Am schlimmsten seien die Schmerzen an der Nase gewesen, vor allem, wenn er mal aus Versehen gegen sie gekommen sei. Die Hämatome am Oberschenkel hätten ihn weniger beeinträchtigt. Ob es Überlegungen gegeben habe, was eigentlich los gewesen sei? Man habe schon gedacht, dass es die Rechten gewesen seien.

K. schildert, dass die Tische dekoriert gewesen seien. Er schließt nicht aus, dass die Servietten rot gewesen seien, aber 100%-ig könne er das nicht sagen. Er erklärt zudem, dass er nicht in Ballstädt wohne. Dennoch habe er von der beschmierten Fassade am Gelben Haus mitbekommen, deren Hintergründe nie geklärt worden seien. Er sei ebenfalls bei der ersten Demonstration und auf dem Benefizkonzert gewesen. Daran seien einzelne Mitglieder der Kirmesgesellschaft, aber nicht die Kirmesgesellschaft als solche beteiligt gewesen. Der Mann, der den Spiegel kaputt gemacht habe, schätzt K. als männlich ein, er sei dunkel gekleidet gewesen. Ohne seine Brille, er sei kurzsichtig, habe er aber nicht mehr viel gesehen. Der Schrei „Raus hier! Raus hier!“ sei aus der Mitte des Vorraums gekommen. Die Stimme sei männlich gewesen. Geschätzt habe das ganze Geschehen zwei Minuten gedauert. Es sei wirklich schnell gegangen. Im Vorraum hätten sich geschätzt zehn bis fünfzehn Leute befunden, darunter auch Leute von der Kirmesgesellschaft. Befragt zu den Lichtverhältnissen im Vorraum, erklärt K., der Vorraum sei relativ dunkel gewesen. Er glaube sogar, es habe gar kein Licht gegeben, sondern dass Licht von der Toilette in den Raum geschimmert habe. Die Umrisse der Menschen habe man erkennen können, mehr jedoch nicht. Im Kleinen Saal habe es Diskobeleuchtung gegeben.

Auf Vorhalt des OStA Kästner-Hengst ergänzt K., dass sich der erste Angreifer im Kleinen Saal nach dem Schlag gegen E. in Richtung Mitte des Saales gedreht und beide Arme halbhoch gehoben habe. Er habe die anderen im Raum so aufgefordert, doch zu ihm zu kommen. Dann habe er sich umgedreht und sei schnell zum Vorraum gegangen.

Auf Nachfrage von RA Trostorff erklärt K., dass er seine Brille beim ersten Schlag verloren habe. Der Schlag sei mit der Faust erfolgt. Es könne sein, dass die Faust behandschuht gewesen sei. Er habe aber keine Erfahrung damit, wie sich ein Faustschlag mit und wie sich einer ohne Handschuh anfühle. Der Schlag habe sich rau angefühlt. Die Versicherung sei sehr kulant gewesen und habe ihm eine neue Brille bezahlt, obwohl er die alte Brille nicht mehr habe wiederfinden können.

RA Klemke fragt, wie es zu der Demonstration in Ballstädt gekommen sei. K. sagt, diese sei angepriesen worden. Als RA Klemke fragend den Begriff „angepriesen“, wiederholt, ergänzt der Zeuge, er habe von der Demonstration gehört und sei dann dorthin gegangen. RA Klemke fragt nach dem Motto der Demonstration. Die Frage wird von RA'in Pietrzyk beanstandet. Es folgen eine Unterbrechung, ein Kammerbeschluss <15> sowie eine Begründung, die auf die bereits gefassten Beschlüsse bei der Befragung des Zeugen B. Bezug nimmt.

RA Klemke fragt, wofür oder wogegen die Demonstration gewesen sei. Auch diese Frage will Pröbstel nicht zulassen. RA Nahrath kritisiert, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Pröbstel selbst habe den Zeugen nach der Demonstration gefragt. Pröbstel erklärt, dass er den Zeugen bewusst nach der Demonstration gefragt habe, um RA Klemke entgegen zu kommen. Der Zeuge habe dort schon gesagt, dass er nichts Genaueres mehr wisse. RA Nahrath sagt dazu, dass man mit anderen Fragen eventuell doch noch mehr Erkenntnisse erzielen könne. Pröbstel merkt an, dass seine Frage zur Demonstration nicht beanstandet worden sei, dann aber wohl doch unzulässig gewesen sei. Da er den kleinen Finger gereicht habe und nun die ganze Hand genommen werde, werde er diese Fragen in Zukunft nicht mehr an den Zeugen stellen. RA Waldschmidt möchte sich vergewissern, ob der Vorsitzende Richter bewusst unzulässige Fragen stelle und wie er das zu interpretieren habe. RA Hoffmann erläutert, dass hier offenbar ein Missverständnis vorliege. Er selbst habe bereits die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass der Vorsitzende Richter anders fragen könne als die anderen Prozessbeteiligten. Der Vorsitzende Richter führe die erste Befragung durch, solle dabei auf Vollständigkeit achten und die entscheidenden Weichen stellen. Danach allerdings könnten Fragen als unzulässig betrachtet werden. Die Fragen des Vorsitzenden hätten eine andere Bedeutung als die der Verteidiger. RA Klemke erklärt, dass diese Ansicht „natürlich falsch“ sei. Alle Fragen dienten der Wahrheitsfindung. Deshalb werde er auch nach dem Benefizkonzert fragen, nach dem auch der Vorsitzende Richter gefragt habe. Die Staatsanwaltschaft weist auf § 241 II StPO hin, in dessen Normenkette die Berufsrichter nicht aufgeführt würden; diese könnten also keine unzulässigen Fragen stellen. RA Klemke kritisiert, dass in diesem Falle dennoch ein Verstoß vorliege, da das Gericht in diesem Falle im Widerspruch zur Konzentrationsmaxime eine falsche Frage gestellt habe. Diese Situation sei doch absurd. Dann wird die Verhandlung unterbrochen und Kammerbeschluss <16> billigt die Zurückweisung der Frage des RA Klemke an den Zeugen K. durch den Vorsitzenden Richter Pröbstel.

RA Waldschmidt meldet sich zu Wort und möchte, dass seine Frage an den Vorsitzenden Richter beantwortet werden müsse, sonst bitte er um eine Unterbrechung für einen unaufschiebbaren Antrag. Pröbstel reagiert verständnislos: „Wie soll ich die Frage beantworten, wie Sie mein Verhalten zu interpretieren haben? Diese Frage kann ich nicht beantworten. Wie Sie mein Verhalten interpretieren, ist Ihre eigene Sache.“ RA Waldschmidt fragt, ob Pröbstel bewusst unzulässige Fragen gestellt habe. OStA Kästner-Hengst erläutert, dass die Verteidigung hier nicht das Gericht verhöre. Wenn RA Waldschmidt einen Antrag stellen wolle, solle er dies tun. RA Schwarz betont, dass er alle Fragen, sowohl die des Vorsitzenden als auch die von RA Klemke, für zulässig erachte. RA Nahrath bemerkt, dass RA Waldschmidt nur frage, ob er den Vorsitzenden Richter richtig verstanden habe. Pröbstel betont, dass er dieses Spiel nicht mitspiele. Gegebenenfalls solle ein Antrag gestellt werden.

Auf Nachfrage von RA Klemke schildert K., dass er die anderen Bewohner*innen des Gelben Hauses nicht kenne. Warum konkret er zur Demonstration gegangen sei? Auf diese Frage folgen eine Unterbrechung und ein Kammerbeschluss <17> über die Unzulässigkeit der Frage. RA Klemke fragt, ob K. noch wisse, wer das Benefizkonzert veranstaltet habe. RA'in Pietrzyk beanstandet die Frage. RA Klemke formuliert stattdessen eine andere Frage: Wie das Motto für die Veranstaltung gelautet habe? Pröbstel lässt die Frage nicht zu. Dann passiert kurz nichts. Pröbstel wartet, RA Klemke ebenso. Dann entsteht ein Zwist darüber, ob der Rechtsanwalt einen Gerichtsbeschluss beantragen oder dieser auf die Zurückweisung einer Frage zwingend folgen müsse. Sicherheitshalber beantragt RA Klemke mit einem „Natürlich!“ einen richterlichen Beschluss. Die Kammer erhebt sich bereits, dann setzt sie sich wieder, da die Staatsanwaltschaft etwas ergänzen möchte. Sie sagt, dass sich die Fragen wiederholen würden. Mittels Beschluss könne festgelegt werden, zu welchen Themenkomplexen Fragen nicht mehr zugelassen würden. Dann müsse nicht mehr über jede Einzelfrage neu entschieden werden. Diese Kompetenz ergebe sich aus § 241 StPO als „Minusmaßnahme“ zum Entzug des Fragerechts. Dann folgen Unterbrechung und Kammerbeschluss <18>. Zur Anmerkung der Staatsanwaltschaft sagt Pröbstel, dass ein Missbrauch des Fragerechts möglicherweise vorliegen könne. Darüber werde er nachdenken.

RA Klemke fragt, ob es auf der Demonstration Symbole von der „Antifaschistischen Aktion, oder wie sie sich schimpft“, gegeben habe. RA Klemke erklärt, dass es auf Webseiten der AntiFa einen positiven Bezug zu Aktionen gegen das Gelbe Haus gegeben habe, weshalb der Sachbezug vorliege. Pröbstel entgegnet, er verstehe dies als Beginn des Missbrauchs des Fragerechts. Es folgen eine Unterbrechung und ein Kammerbeschluss <19> über die Zurückweisung der Frage. Die Stimmung im Saal ist angespannt und feindselig. Bereits zuvor hatte jemand über das Saalmikro eines Verteidigers „Currywurst mit Pommes“ bestellt, in dieser Unterbrechung versucht ein Angeklagter offenbar bewusst lauter zu „husten“ als der Staatsanwalt.

Gegenüber RA'in Döbert gibt K. an, dass er nicht wisse, wo die erste, vermummte, Person am Ende gewesen sei. Er habe die Person mit dem Betreten des Vorraums aus den Augen verloren und nicht mehr wahrgenommen. Auf Nachfrage von RA Schwarz betont K., dass die Bewegung des ersten Angreifers ein „Folgt mir nach!“ symbolisiert habe. Die Türen vom Vorraum zum Kleinen Saal hätten offen gestanden. Als der „Weg!“-Ruf erfolgt sei, seien Angreifer auch aus dem Kleinen Saal herausgelaufen. RA Waldschmidt möchte wissen, ob H. negative Erfahrungen gegenüber Tony S. gemacht habe. Das ist K. nicht bekannt. Er selbst habe noch keine gewalttätigen Erfahrungen mit Tony S. gehabt. Ob K. mit Tony S. also auch ein Bier trinken würde? „Ausgeschlossen.“  „Warum ausgeschlossen?“ - „Ich kenne Tony S. nicht. Ich trinke doch kein Bier mit jemanden, den ich nicht kenne.“ - „Dann fehlt es Ihnen an der Weltoffenheit.“ K. könne Tony S. bei einem Bier doch auch kennen lerne. RA Waldschmidt fragt, wie es sein könne, dass allein die Anwesenheit von Tony S. Unruhe verursache. K. erklärt, man habe nicht darüber gesprochen, warum die Leute erregt gewesen seien. Das sei aber auch nur ein kurzer Moment gewesen, als man über die Begegnung von H. und Tony S. gesprochen habe. Die Feier sei immer noch lustig gewesen. K. schildert zudem, dass er nicht mehr sicher sagen könne, ob der erste Angreifer in den Vorraum gegangen oder gerannt sei. Ein Herausdrängen des Angreifers habe er nicht gesehen, sondern, wie sich der Angreifer weggedreht habe und dann weggegangen sei.

RA Hoffmann möchte wissen, wie es dem Zeugen heute nach dem Vorfall ginge. Anfangs, in den ersten Wochen und Monaten, so K., habe er die Sache immer im Hinterkopf gehabt. Die Kirmesfeier gebe es allerdings noch. Er habe sie zuletzt wegen Urlaubs verpasst. Der Zeuge K. wird anschließend unvereidigt entlassen. Aufgrund der Gesundheit des Angeklagten Marcus R. wird auf die Vernehmung des Zeugen P. verzichtet.

RA Klemke gibt zuletzt noch eine Erklärung ab. Die Verteidigung habe nicht nach allen verfahrensrelevanten Umständen fragen können. Menschen seien nach Mund-zu-Mund-Propaganda auf Demonstrationen gegangen. Das müsse man sich mal vorstellen. Das Grundgesetz sehe die Niederlassungsfreiheit vor. Zivilgesellschaftliche Kräfte nähmen sich das Recht heraus, diese anzugreifen. Pröbstel erwidert, es gebe auch die Demonstrationsfreiheit. Er wisse nicht, was die Erklärung eigentlich solle. RA'in Pietrzyk beanstandet, RA Klemke mache allgemeine Ausführungen, die in ein Plädoyer gehörten. RA Klemke entgegnet, seine Erklärung sei relevant für die Beweiswürdigung und die Strafzumessung. Pröbstel sagt, er entziehe RA Klemke das Wort, wenn er seine Aussagen nicht auf den Zeugen beziehe. RA Klemke bittet um Protokollierung dieser Wortentziehung. Pröbstel lässt protokollieren, dass der Vorsitzende RA Klemke das Wort wegen einer „allgemeinpolitischen Erklärung zu Niederlassungs- und Demonstrationsfreiheit“ verbiete. RA Klemke erwidert, er habe nichts zur Demonstrationsfreiheit, das heiße übrigens Versammlungsfreiheit, gesagt, weshalb die Protokollierung falsch sei.

RA Waldschmidt kündigt eine Erklärung nach § 257 StPO an, die angesichts des Gesundheitszustands von Marcus R. erst kommende Woche getätigt werden solle. Die Sitzung finde am kommenden Mittwoch, den 17.02. um 09:30 Uhr statt. Als Zeugen würden P. und die Polizeibeamt*innen Perry M. und Sch. geladen.

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Tag 7 – 17.02.2016

Wegen Erkrankung des Angeklagten Ricky N. endet der siebte Verhandlungstag am 17.02.2016 bereits um 10:20 Uhr. Einzig der Geschädigte P. berichtet von seiner Wahrnehmung der Geschehnisse während der Kirmesfeier in der Nacht auf den 09.02.2014. Ein Antrag des RA Junge hinsichtlich eines etwaigen Beweisverwertungsverbotes der Polizeivernehmung seines Mandanten Andre K. verhindert die Vernehmung des Polizeibeamten Perry M. Die nächste Verhandlung findet wieder kommenden Mittwoch, den 24.02., um 09:30 Uhr statt.

Vertreten lassen sich heute RA Klemke (wiederholt durch RA Bunzel) sowie RA Lindner, RA Nahrath und der Nebenklagevertreter RA Hoffmann.

Die Verhandlung beginnt mit der Verlesung einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft durch den Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst. Die Stellungnahme bezieht sich auf den Antrag des RA Windisch auf vermeintliche Einschlägigkeit eines Beweisverwertungsverbotes hinsichtlich der zwei Vernehmungen seines Mandanten Tim H. vom 15. und 16.02.2014 (siehe Tag 4). Die Staatsanwaltschaft erklärt, dass es ihres Erachtens keinen unzulässigen Vorhalt gegeben habe. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (ThLfV) habe der Polizei eine Information aus einer Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) mitgeteilt, mittels derer nur ungefähre Andeutungen zu Tatzeit und Tatort gemacht worden seien. Eine mögliche Beteiligung der auch durch die Information belasteten Herren Kar. und des Angeklagten David S. habe sich bereits zuvor aus Zeugenaussagen ergeben. Eine unmittelbare Verwertung der Information des ThLfV habe es also nicht gegeben. Eine mittelbare Verwertung der Information dagegen schon, namentlich durch die Anordnung einer Hausdurchsuchung bei Tim H., die auch mit der Information des ThLfV begründet worden sei. Allerdings dürften auch Zufallserkenntnisse aus anderen Ermittlungen als Spuren- oder Ermittlungsansatz verwertet werden. Die Durchsuchungsmaßnahmen hätten so auch auf die Zufallserkenntnisse durch das ThLfV gestützt werden dürfen.

Die Staatsanwaltschaft fährt fort, dass, selbst wenn man davon ausginge, dass die Information des ThLfV relevant gewesen wäre, sie zum damaligen Stand der Ermittlungen hätte verwendet werden dürfen. Die Ermittlungsbeamten hätten korrekt von dem Vorliegen einer Katalogtat nach § 100a StPO⁸ ausgehen dürfen. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf § 477 II 2 StPO, laut dem Erkenntnisse aus zulässigen (polizeilichen) Maßnahmen für andere Strafverfahren nur verwendet werden dürfen, wenn die Maßnahme auch zur Aufklärung solcher Straftaten hätte angeordnet werden dürfen. Zum Zeitpunkt der Verwendung der Information des ThLfV habe der Verdacht auf das Vorliegen eines Raubes gemäß § 249 StGB vorgelegen, welcher gemäß § 100a II k) StPO eine Katalogtat darstellt. Das Vorliegen einer Katalogtat rechtfertigt nach dieser Norm die Überwachung der Telekommunikation ohne Wissen des Betroffenen. Der Tatverdacht des Raubes sei nicht willkürlich angenommen worden. Laut der Aussage des Zeugen T. sei dessen Handy nach dem Überfall verschwunden gewesen. Es sei nicht wieder gefunden worden. T sei ebenso Geschädigter des Überfalls gewesen. Nach seiner Aussage hätten sowohl die Tatbestandsmerkmale der Gewaltanwendung und der Wegnahme erfüllt sein können. Der Finalzusammenhang (Gewaltanwendung zwecks Wegnahme des Handys) habe insbesondere durch die zeitliche Überschneidung der Ereignisse möglich erschienen. Damit hätten außerhalb der rein kriminalistischen Erfahrung auch ausreichend bestimmte Tatsachen vorgelegen, die einen Anfangsverdacht begründen konnten. Die Staatsanwaltschaft geht des Weiteren von der Rechtmäßigkeit der Ausgangsmaßnahme aus, also dass die Telefonüberwachung rechtmäßig erfolgt sei. Fraglich ist, ob die Übermittlung der Ergebnisse aus der TKÜ an Staatsanwaltschaft und Polizeibehörden sogar von Amts wegen zu erfolgen hatte (vgl. § 21 II 1 ThürVerfSchG).

RA Kalauch gibt bekannt, dass sein Mandant Ricky N. krank geschrieben sei und vergangene Nacht kaum geschlafen habe. Er verspüre Übelkeit und Schmerzen und habe starke Antibiotika zu sich genommen. Der Vorsitzende Richter Pröbstel bittet um regelmäßige „Wasserstandsmeldungen“ hinsichtlich der Fähigkeit, der Vernehmung noch folgen zu können.

Der Zeuge P.

Der Zeuge P. betritt zusammen mit der Nebenklagevertreterin RA'in Kati Lang den Gerichtssaal. Er berichtet sinngemäß:
„An besagtem Tag bin ich um kurz nach 18 Uhr auf dem Weg zur Kirmesfeier gewesen. Mit dem Veranstalter haben wir letzte Vorbereitungen getroffen. Zu vorgerückter Stunde hatte ich mich im Kleinen Saal auf einen Stuhl gesetzt und bin über einem Tisch eingeschlafen. Ich wurde wach, als etwas polterte und laut war. Ich bemerkte, dass jemand vor mir stand. Einen Bruchteil von Sekunden später verpasste die Person mir einen Schlag ins Gesicht. Ich fiel nach rechts vom Stuhl zu Boden. Dabei schlitzte ich mir die rechte Hand an Glassplittern auf dem Boden auf. Ich erlitt auch Hämatome an den Rippen. Als ich nach kurzer Benommenheit wieder zu mir kam, sah ich, dass alles blutverschmiert war und auch Freunde verletzt waren.

Zur Höchstzeit des Festes waren wohl 30/40 Mann vor Ort. Am Schluss, zu ebenjener vorgerückten Stunde, waren wir noch zirka 15 Personen. Ich weiß nicht mehr, wie viel Uhr es war, als der Angriff geschah. Ich saß etwa fünf Meter von der Bar entfernt. Auf einer Skala von Eins bis Zehn würde ich meinen Alkoholgrad auf 4/5 einschätzen. Nach dem Vorfall konnte ich mich klar artikulieren. Den Angreifer habe ich kaum erkannt. Noch bevor ich – geweckt durch das Poltern – irgendetwas feststellen konnte, zum Beispiel ob die Situation positiv oder negativ war, erlitt ich bereits den Schlag. Der Angreifer hatte eine kräftige Statur, war recht groß, trug einen dunklen Pullover oder ein dunkles Sweatshirt und eine dunkle Hose, eine Art Skimaske und auf jeden Fall Handschuhe. Der Schlag traf mich direkt auf das Jochbein oder die Schläfe. Die Scherben, an denen ich mich aufschnitt, lagen dort entweder schon vorher oder entstanden erst durch ein mit mir zusammen herunterfallendes Glas. Schnittwunden hatte ich schließlich im Rippenbereich, am Ellenbogen, an der Hand, am Ohr und zwischen den Augenbrauen. Hämatome hatte ich im Rückenbereich und am Oberschenkel. Diese könnten durch den Sturz verursacht worden sein. Im Raum war dann alles umgeschmissen und sah chaotisch aus. Als ich mich umblickte, war der Angriff schon beendet und niemand mehr im Saal. Nach dem Vorfall war ich 14 Tage krankgeschrieben. Bis heute habe ich Narben am Handgelenk und leichte Narben im Gesicht.“

Der Zeuge betrachtet anschließend die Bilder seiner Verletzungen, die Pröbstel ihm vorlegt. Darauf erkennt man auch sein blutverschmiertes T-Shirt. Als ihm das Bild der Skelettmaske vorgelegt wird, ist P. unsicher, meint aber, dass dies „eher nicht“ die Maske des Angreifers gewesen sei. Ferner erklärt P. sinngemäß:

„Nach dem Angriff herrschte Ratlosigkeit: Warum, wieso, weshalb gab es den Angriff? Das hindert mich heute jedoch nicht an der Teilnahme an ähnlichen Veranstaltungen. Ich erinnere mich noch daran, T. blutverschmiert neben der Bar liegen gesehen zu haben. Die Blutung war bei ihm wohl schwer zu stoppen gewesen. Der Ablauf unmittelbar nach dem Angriff war chaotisch. Ich selbst ging erst einmal in den Waschraum um mich zu säubern. Ich weiß nicht mehr, ob es dort schon Gespräche über die Tat gab. Im Krankenhaus gab es eine erste Untersuchung. Auch die Polizei war mit dabei. Mehr weiß ich auch nicht mehr. Im Nachgang hatten wir natürlich auch über den Vorfall gesprochen, schon zur Verarbeitung. Als Fazit blieb bei mir hängen, dass es keine Erklärung gab. Über die Medien erfuhr ich, dass eine Schreibe zu Bruch gegangen sein soll und die Reaktion darauf der Überfall gewesen sein soll.

Ich kenne das Gelbe Haus in Ballstädt. Ich wusste, dass es neue Bewohner hatte. Anfangs war mir der Hintergrund der Menschen nicht bewusst. Von dem Protest gegen die Bewohner hatte ich über die Medien mitbekommen. Von Schmierereien an einer Fassade habe ich irgendwo etwas gehört. Von der Fensterscheibe habe ich an dem Abend selbst nichts mitbekommen. Ich hatte auch nichts mitbekommen von der Begegnung von Tony S. und H. an dem Abend; davon erfuhr ich erst im Nachgang. Tony S. soll anfangs auch in dem Gelben Haus gelebt haben. Das weiß ich auch nur vom Hörensagen. Ich habe keine Erinnerung mehr daran, ob ich Menschen aus dem Kleinen Saal habe flüchten sehen. Es kann sein, dass ich die Geräusche und Schritte gehört habe, mehr allerdings nicht.“

Auf Nachfrage von RA Schwarz erklärt P., dass ihm die Bewohner*innen vor dem Vorfall nicht negativ aufgefallen seien. Seit dem Einzug und dem Durchsickern über ihren Hintergrund habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Auf Nachfrage von RA Waldschmidt gibt P. an, keine Erinnerung an die Tischdekoration zu haben. Es hätten Knabberstangen auf dem Tisch gestanden, mehr wisse er nicht mehr. Auch auf vehementes Nachfragen und dem Hinweis, wer esse, benötige doch auch Servietten, erinnert sich P. nicht an Servietten. Blutalkohol sei seines Erachtens nicht gemessen worden. Atemalkohol sei wohl gemessen worden, an das Ergebnis habe er keine Erinnerung. RA Waldschmidt fragt, ob es P. überraschen würde zu erfahren, dass bei ihm mehr als ein Promille Alkohol gemessen worden sei. Als P. relativ gleichgültig reagiert, fragt RA Waldschmidt provozierend, ob P. öfter über ein Promille Alkohol habe, was P. verneint.

Auf Nachfrage von RA'in Pietrzyk erklärt P., seine Kleidung sei von der Polizei nicht beschlagnahmt worden. Es hätte eine entsprechende Nachfrage gegeben, aber da habe er seine Kleidung bereits gewaschen gehabt. Sein T-Shirt sei blutverschmiert gewesen und sein Hemd habe ein kleineres Loch aufgewiesen. Die Kleidung sei insgesamt dreckig gewesen, durch den Fußboden, Blut und eventuell weiteren Substanzen auf dem Boden wie beispielsweise Getränke. An Hand- oder Fußabdrücke an seiner Kleidung könne er sich nicht mehr erinnern. Daraufhin wird der Zeuge unvereidigt entlassen.

Der Zeuge Perry M. möchte bereits den Gerichtssaal betreten, als RA Junge eine Erklärung hinsichtlich eines etwaigen Verbots der Beweisverwertung der durch Perry M. durchgeführten Vernehmung seines Mandanten Andre K. vom 09.02.2014 abgibt. Seiner Ansicht nach liegt ein Beweiserhebungs- und ein damit einhergehendes Beweisverwertungsverbot vor. Andre K. sei von der Polizei zunächst als Zeuge belehrt und vernommen worden. Der Sachverhalt um die Fensterscheibe sei mit Andre K. erörtert worden, nicht jedoch die Verquickung mit dem Überfall auf die Kirmesgesellschaft. Auf die (verneinte) Frage, ob Andre K. die Täter der eingeworfenen Fensterscheibe kenne, sei dieser dann über seine Rechte als Beschuldigter belehrt und nachfolgend als Beschuldigter vernommen worden. Dieser Zeitpunkt sei willkürlich erfolgt. Andre K. habe schon früher über seine Rechte als Beschuldigter belehrt werden müssen. RA Junge fordert bei einer möglichen abweichenden Ansicht der Kammer einen Gerichtsbeschluss zu dieser Frage gemäß § 238 II StPO. Der Staatsanwalt räumt ein, die Problematik erkannt zu haben, er müsse dazu aber separat nachschauen, bevor er eine Stellungnahme abgeben könne. Es wird kurz diskutiert, ob die Frage der Umwandlung der Zeugen- in die Beschuldigtenvernehmung bereits am vierten Verhandlungstag am 20.01.2016 mit dem Zeugen und Polizeibeamten Jörn P. habe geklärt werden können. OStA Kästner-Hengst sagt, dieser habe sich jedoch nicht an die Vernehmung erinnern können. Kritisiert wird noch, dass Rügen rechtzeitig erfolgen müssten und ansonsten verfristet sein könnten. Pröbstel sagt, dass die Kammer die Erklärung von RA Junge in jedem Fall zunächst prüfen müsse, bevor nun ein Zeuge vernommen werde, dessen Aussage später möglicherweise nicht verwertet werden könne. Gegebenenfalls werde Perry M. dann zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal geladen.

RA Bunzel erklärt, dass RA Klemke zur Verhandlung am 06.04.2016 verhindert sei und er als seine Vertretung erst ab 13 Uhr erscheinen könne. Der Beginn der Sitzung am 06.04.2016 wird deshalb auf 13:30 Uhr terminiert.

Da es erst 10:20 Uhr ist, die Polizeibeamtin Sch. für 11:30 Uhr geladen sei und man den erkrankten Angeklagten Ricky N. nicht weiter quälen wolle, beendet Pröbstel anschließend die Sitzung. Die nächste Verhandlung findet kommenden Mittwoch, den 24.02., um 09:30 Uhr statt.

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Tag 8 – 02.03.2016

Der achte Prozesstag am 02.03.2016 wartet mit einigen Überraschungen auf. Die Zeugin Ju. ist sich sicher, dass ihr am Tisch schlafender Freund noch unverletzt war, als der erste Angreifer den Saal verlassen hatte. Thomas W. hatte in seinem Geständnis ausgesagt, die am Tisch schlafende Person noch geschlagen zu haben (vgl. Tag 3: KHK Johann R. über die Vernehmung von Thomas W.). Hat Thomas W. in seinem Geständnis gelogen? Der Oberstaatsanwalt empfiehlt sich als Zeuge der Vernehmung von Thomas W., an die sich der heutige Zeuge und Ermittlungsrichter Michael M.-H. kaum erinnert. Generell fällt auf, dass sich Thomas W. und sein RA Lippold häufig angeregt und auf die Akten deutend besprechen. Die erste Zeugin M., Nachbarin des „Gelben Hauses“, bringt derweil eine Liste von Kennzeichen von Autos in den Prozess ein, die am 08. und 09.02.2014 am „Gelben Haus“ waren. Neben der Zeugin Ju. berichtet heute ein weiterer Zeuge und Gast der Kirmesgesellschaft von dem Überfall im Februar 2014.

Der Verhandlungstag, wegen der Erkrankung der Angeklagten Ariane S. vom 24.02.2016 praktisch um eine Woche nach hinten verschoben, beginnt mit einen Hinweis der RA'in Pietrzyk auf den Pullover des Angeklagten David D. Dieser sei mit dem Spruch „Support Your Local Hooligan“ beschriftet. Der Vorsitzende Richter Pröbstel schaut sich das Kleidungsstück an und bezeichnet es als „grenzwertig“.

Die erste Zeugin M.

Die Zeugin Frau M. erklärt sinngemäß:
„Ich wohne direkt gegenüber von diesem Haus, dem sogenannten Gelben Haus, und kenne daher einige der Angeklagten vom Sehen. Zum Sachverhalt kann ich sagen, dass mein Mann damals schon sehr krank war und wir deshalb mit offenem Fenster schliefen. Ich bin wach geworden, als viele Autotüren geschlagen wurden. Es war ein Lachen und Schwatzen draußen und dann fuhren die Autos schnell los. Ich dachte, es handelte sich um ein fröhliches Feiern. Nur ein, zwei Minuten später ertönte die Dorfsirene. Da habe ich einen Schreck bekommen und aus dem Fenster geblickt. Draußen war aber bereits wieder Nachtruhe und ich dachte: ‚Okay, wir werden morgen erfahren, was passiert ist.‘

Mein Mann war vorher in der Nacht auf Toilette, als er einen mächtigen Knall gehört hat. Unsere Heizung macht manchmal Geräusche, weshalb wir dachten, der Knall käme vielleicht von der Heizung. Am nächsten Tag schlussfolgerten wir, dass es sich dabei um die eingeworfene Fensterscheibe, von der berichtet wurde, gehandelt haben müsste. Ich weiß nicht mehr, wie viel später nach dem Knall das Abfahren der Autos erfolgte. Zu den Autos kann ich nichts sagen. Ich habe nur das Türenknallen gehört. Zum Vorhalt, dass ich gegenüber der Polizei ausgesagt hatte, dass an dem Abend auch Licht im Gelben Haus leuchtete, kann ich sagen, dass dort immer mal Licht leuchtet, da wohnen ja Leute. Die Beleuchtung der Straße wurde bis dahin immer um Mitternacht abgeschaltet. Die Laterne um den Löschwasserteich ist schon ewig kaputt.“

Pröbstel hält der Zeugin vor, dass sie der Polizei 2014 auch gesagt habe, dass sie abends dunkel gekleidete Menschen mit Taschenlampen um das Gelbe Haus hat gehen sehen. Die Zeugin erschrickt: „Daran erinnere ich mich nicht.“ Auch nach langem Nachdenken räumt sie bedauernd ein, keine Erinnerung daran zu haben. Befragt zur zeitlichen Einordnung sagt die Zeugin aus, bei der polizeilichen Vernehmung auch eine Uhrzeit des nächtlichen Türenknallens genannt zu haben. Diese habe sie sich jedoch nicht aufgeschrieben und habe sich damals schon zu „Angaben von anderen“ unterschieden. Vielleicht habe sie sich bei dem Blick auf den Wecker verguckt. Pröbstel hält vor, sie habe damals gesagt, die Autogeräusche seien um 2:30 Uhr gewesen. Des Weiteren hält er die Aussage vor, dass Herr M. in der Nacht einen „Transporter, augenscheinlich von der Polizei“ gesehen habe und kommentiert dazu selbst, dass dies also später gewesen sein müsse. Pröbstel zitiert weiter mehr als eine Handvoll Autokennzeichen, die sich am 08. und 09.02.2014 vor dem Gelben Haus befunden haben sollen. Pröbstel fragt die Zeugin, ob es sich dabei im Zusammenhang mit dem Gelben Haus um bekannte oder fremde Fahrzeuge handele. Diese antwortet, die Kennzeichen seien wohl von ihrem Mann aufgeschrieben worden. Sie selbst achte nicht auf die Kennzeichen und die entsprechenden Automodelle. Ihr Mann sei im vergangenen Jahr verstorben. Pröbstel äußert sein Beileid.

Die Zeugin berichtet, am Gelben Haus sei mal eine Art „Barrikade“ errichtet worden und es habe eine Sprühaktion gegeben. Diese Aktionen gegen das Gelbe Haus lägen schon weiter zurück, zeitlich also vor der eingeworfenen Fensterscheibe. Die Zeugin schätzt die Entfernung zwischen Gelbem Haus und dem Veranstaltungsort der Feier der Kirmesgesellschaft auf 50 Meter. Sie glaubt, dass man vom Gelben Haus dorthin schauen könne. In der Nacht hat sie jedoch nicht gesehen, ob die Leute am Gelben Haus von der Kirmesfeier kamen. Im Nachgang habe sie „natürlich“ von den Ereignissen der Nacht erfahren. Sie habe gehört, dass Vermummte aus dem Gelben Haus, dort gemeldete ebenso wie dort nicht gemeldete, einen Überfall auf die Kirmesgesellschaft verübt hätten. Dabei habe eine junge Frau Schmiere gestanden und die anderen die Gäste verprügelt. Es habe viele Verletzte gegeben, einem sei das Ohr schwer verletzt worden, ein großer Sachschaden sei entstanden. Ihre Vermutung war, dass diese Autos um das Gelbe Haus mit dem Angriff in Verbindung standen, weil sie kurz vor dem Ertönen der Sirene abgefahren sind. Die Menschen seien wohl erfolgreich – „in ihren Augen“ – gewesen und seien dann abgefahren. „Das ist meine Mutmaßung. Das wird man beweisen müssen. Ich habe keine Beweise.“

Der Oberstaatsanwalt (OStA) Kästner-Hengst hält der Zeugin eine „Art Liste“ vor, die diese der Polizei übergeben hatte. Die Liste enthalte – „über Monate“ – eine Übersicht von Autokennzeichen, die am Gelben Haus parkten. Teilweise erfolge auch eine Personenzuordnung. Die Zeugin erklärt, diese Liste sei nicht von ihr, sondern von ihrem Mann erstellt worden. Sie führt aus, dass ihr Mann Mathematiker und Statistiker war. In ihrer Wohnung in Erfurt habe er schon anhand des Wackelns der Wände die Autogeschwindigkeit der vom Parkplatz fahrenden Autos gemessen. Nach der Euro-Einführung habe er jeden Tag alle Münzen aus seinem Portmonee geholt und Statistik darüber geführt, wie schnell sich die internationalen Euro-Münzen verbreiteten. In Ballstädt habe er dann die Autokennzeichen vor dem Gelben Haus notiert. Zum Gelben Haus hätten sie keine gute Nachbarschaft gehabt, aber es sei „spannend, was da passiert.“ Den Überfall fand das Ehepaar dann derart schlimm, dass Herr M. entschied, dass seine Statistiken vielleicht helfen könnten und übergab sie daher der Polizei.

RA Schwarz fragt, ob Herr M. ideologische Motive zur Listenführung motiviert hätten und ob er ähnliche Listen auch über andere Menschen geschrieben habe. Letzteres verneint Frau M. und weist die Unterstellung ideologischer Motive energisch zurück; ihr Mann sei auch nicht bei der Staatssicherheit gewesen. Weiter fragt sie, ob „Nazi“ ein Schimpfwort sei, dann wolle sie den Begriff lieber meiden, aber zumindest sei sie „dieser Szene […] nicht zugeneigt“. Frau M.: „Mein Mann hat das halt gemacht. Mir ist das eher auf den Geist gegangen.“

RA Giehler möchte wissen, von wo aus das Ehepaar M. das Gelbe Haus beobachten konnte. Die Zeugin erklärt, dass man in ihrem Haus von allen Fenstern in Straßenrichtung das Gelbe Haus sehen kann. Das Parkverhalten vor dem Gelben Haus sei „manchmal sehr spannend“. Die Autos stünden je nach Menge um das Gelbe Haus, an der Bushaltestelle und auch um den ganzen Dorfteich herum. Andere Bewohner, die in der Gegend parkten, hätten in der Regel ihren Stammplatz. Deshalb könne man an dem Parkverhalten sehen, wenn Gäste da wären. Bei einer Zuordnung der Autos zum Gelben Haus könne man durcheinander kommen, weil auch andere Nachbarn „manchmal viel Besuch“ hätten. Bei großen Veranstaltungen im Gemeindesaal könne der Parkraum insgesamt eng werden. Die Nachfeier der Kirmesgesellschaft sei jedoch keine Veranstaltung dieser Größenordnung gewesen, dort seien ja vor allem Menschen aus dem Dorf gewesen. Am Wochenende sei das Parkaufkommen am Gelben Haus in der Regel wesentlich höher als an Werktagen. Das sei wohl auch an dem Wochenende des 08./09.02.2014 so gewesen. Die Liste ihres Mannes werde dahingehend schon stimmen. RA Giehler fragt weiter, ob die Zeugin hören konnte, wo sich die Autos in der Nacht befanden, deren Türen geknallt wurden. Frau M. sagt, das Zuschlagen sei ja fast unter ihrem Fenster erfolgt. Sie könne aufgrund der räumlichen Nähe schon zuordnen, dass die Autos entweder direkt vor ihrem oder zumindest direkt vor dem Gelben Haus gestanden hätten. Ob sie auch andere Geräusche gehört hätte? Frau M. betont erneut die „fröhliche Stimmung“, die sie von den Leuten an den Autos vernommen habe. Sie habe die genauen Worte nicht verstanden und hätte daran auch nichts Schlimmeres gefunden, wenn nicht später die Assoziation zu dem Überfall gekommen wäre.

RA Waldschmidt fragt, ob es der Zeugin unangenehm wäre, wenn „einer Ihrer Nachbarn“ ähnliche Listen anfertigen würde wie ihr Mann. Die Zeugin erklärt, ihr sei die Sache ja auch peinlich und dass sie eine solche Beobachtung, die man aus Zeitgründen regelmäßig aber gar nicht machen könne, nicht gutheißen würde.

RA Lippold fragt nach dem Kontaktverhältnis zu den Bewohnern des Gelben Hauses. Frau M. erwidert sinngemäß: „In der Anfangszeit hatten wir die Idee, dass wir zu den neuen Nachbarn offen sind. Wir haben angefangen sie zu grüßen, haben das aber mangels Resonanz wieder eingestellt. Die Menschen am Gelben Haus suchen keinen Kontakt.“ Einmal habe sie ein Päckchen für einen Bewohner des Gelben Hauses angenommen. Lange sei niemand gekommen. Dann habe sie das Päckchen vorbei gebracht. Die Situation sei peinlich gewesen. Bei dieser Aussage der Zeugin lachen RA Dann und sein Mandant Kai L. leise auf. RA Lippold fragt weiter, ob es Lärmbelästigungen oder andere Unannehmlichkeiten gegeben habe. Frau M. antwortet sinngemäß: „Das kann ich auch nicht sagen. Das Verhältnis zu Bewohnern des Gelben Hauses war eher auf dem Null-Level.“

Um 10:18 Uhr wird die Zeugin Frau M. unvereidigt entlassen. RA Kalauch erklärt, dass die Kennzeichen für seinen Mandanten (der Angeklagte Ricky N.) interessant seien, er hält aber eine Verlesung der Liste in der Verhandlung für unzulässig. OStA Kästner-Hengst fragt nach: „Warum nicht?“ RA Kalauch sagt, die Liste entstamme einer polizeilichen Vernehmung, weshalb dann wohl die Polizeibeamten der damaligen Vernehmen geladen werden müssten. Auch RA Bunzel widerspricht ausdrücklich der Verwertung der Liste der Autokennzeichen gemäß § 257 StPO. Die Begründung will er nachreichen. RA Waldschmidt gibt eine Erklärung nach § 257 StPO ab. Er sagt, eine derartige Listenführung sei, wäre sie durch die Polizei erfolgt, „nicht so ganz in Ordnung“, sondern bedürfe einer Rechtsgrundlage. Eine solche Form der Beobachtung habe es zu früheren Zeiten gegeben, die glücklicherweise vorbei seien. Er endet: „Bei einer Verwertung der Liste hätte ich Bauchschmerzen. Aber ich muss keine Bauchschmerzen haben, denn ich muss darüber nicht entscheiden – ich bin nicht die Kammer.“

Die zweite Zeugin Ju.

Als nächstes betritt die Zeugin Ju. den Gerichtssaal. Ein Mitarbeiter von ezra steht ihr bei und setzt sich neben sie. Ju. berichtet sinngemäß:
„Am 08.02.2014 ging die Feier um 18:00 Uhr los. Gegen zirka 23:00 Uhr bin ich zu einem Geburtstag gegangen, gegen 01:00 Uhr bin ich zurück auf der Feier der Kirmesgesellschaft gewesen. Gegen zirka 02:30 Uhr betrat ein Unbekannter den kleinen Saal. Er ging an mir vorbei auf die linke Seite des Raumes. Dort sah es so aus, als nehme er einen Gast der Feier Arm-in-Arm, dann schlug er eine andere Person. Ich bin dann schon in einen Hinterraum gerannt und habe sonst nicht viel mitbekommen. In diesem Hinterraum, dem Jägerstübchen, hat einer eine Tür eingetreten, damit wir nach unten in eine Nebenkneipe gehen konnten. Dort haben wir uns versteckt. Das dauerte vielleicht fünf Minuten, bis ich wieder nach oben ging. Da war zu diesem Zeitpunkt alles geschehen.

Am Anfang waren auf der Feier vielleicht 50 Menschen gewesen. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren noch zirka 15 Gäste da. Der unbekannte Täter war relativ groß, trug eine Skimaske und dunkle Kleidung. Er hatte eine Mütze oder Kapuze auf, sodass nur die Augen zu sehen waren. Er hatte helle Augen und einen hellen Teint. Der Mann ging nicht direkt an mir vorbei, er war etwas entfernt, weil er nach der Treppe zum Kleinen Saal sofort nach links ging. Wir hatten an unserem Tisch ein Spiel gespielt. Dort ging der Mann auf den Gast los. Das war vielleicht zwei, drei Meter von mir entfernt, schwer zu schätzen. Er hat dem F. etwas ins Ohr gesagt. Ich habe nicht gehört, was gesagt wurde. Dann hat der E. von ihm eine abbekommen.“

Der Zeugin wird ein Bild der mutmaßlichen Maske des Täters vorgelegt. Sie erkennt die Maske nicht wieder: „Sagt mir nichts.“ Auf Nachfrage von Pröbstel gibt sie an, der Schlag gegen E. sei auf den Kopf gezielt worden. E. sei vom Stuhl gefallen. Andere hätten dann versucht, den Angreifer aus dem Saal zu drängen. Der M.I. rief „Frauen alle raus!“. M.I. war auch der, der im Jägerstübchen die Tür eingetreten hatte. Die Zeugin habe auch noch gehört, wie der Spiegel im Vorraum zu Bruch ging. Sinngemäß führt sie weiter aus:

„Ich dachte zunächst, bei dem Unbekannten hielte es sich um einen Bekannten, weil er direkt auf F. zuging. Im Nachgang vermute ich, dass er niemanden Arm-in-Arm, sondern in den Schwitzkasten nahm. Ich habe nur den einen Täter gesehen. Wir sind dann vom Kleinen Saal in das Jägerzimmer gegangen, von dort die Treppe hinunter in die Kneipe. Auf der Maske des Manns war ein Totenkopf zu sehen, ja. Um in das Jägerstübchen zu laufen, hatte ich mich von E. abgewandt, weil der Raum auf der anderen Seite des Kleinen Saales liegt. Als ich in das Jägerstübchen kam, war der Unbekannte schon aus dem Kleinen Saal raus. Es sah so aus, als hielten Leute die Tür zu, damit niemand reinkommt. Letzteres ist meine eigene Schlussfolgerung dessen, was ich sah.

Ich war mit meinem Freund P. auf der Feier. Nach dem Angriff hatte er ein blaues Auge und Schnittverletzungen, unter anderem zwischen den Augen. Als der Unbekannte hineinkam, hat P. geschlafen. [In diesem Moment dreht sich der Angeklagte David S. lachend nach hinten zu dem Angeklagten Ricky N.] Ich hatte noch erfolglos versucht, P. wach zu machen, dann sollte ich gehen. Ich bin an dem Abend auch am Gelben Haus vorbei gegangen. Dort ist mir allerdings auf Hin- und Rückweg nichts aufgefallen und ich habe dort keine Leute gesehen. Nach dem Überfall konnten wir nur ganz kurz miteinander reden, dann kam P. ins Krankenhaus. Die Unverletzten wurden von der Polizei auf dem Saal vernommen. An die Dekoration kann ich mich noch erinnern: Es gab türkise Tischdecken und rote Servietten. Den Zusammenhang kenne ich: Später hatte ich mal ein Bild von einem Stein zusammen mit einer roten Serviette gesehen. Vom Hörensagen weiß ich, dass einer der Angreifer etwas wegen einer eingeworfenen Fensterscheibe gerufen habe.“

Zur Klarstellung fragt RA'in Lang, ob ihr Freund noch unverletzt war, als sie in Richtung Jägerstübchen ging und ob der Unbekannte dann schon aus dem Kleinen Saal heraus war. Die Zeugin bejaht beides. Auf Nachfrage von RA Lippold gibt Ju. an, dass es nach dem Schlag gegen E. ziemlichen Tumult gegeben habe. Drei, vier Leute hätten versucht den Angreifer zu schuppen und so aus dem Saal herauszudrängen. Sie selbst hätte gleich zu ihrem Freund gerufen: „Wach auf! Hier passiert was!“ Wer wie geschuppt habe, kann Ju. nicht mehr zuordnen. Ihrer Ansicht nach sei der Angreifer eher heraus befördert worden als dass er freiwillig gegangen sei. RA Kalauch macht den Vorhalt aus einer Polizeivernehmung, in der Ju. zitiert wird: „Meine Schilderungen bis 11 Uhr sind absolut identisch mit den Aussagen meines Freundes.“ Die Zeugin erklärt, bei der Vernehmung ihres Freundes P. dabei gewesen zu sein. Die Vernehmung sei bei ihnen zu Hause gewesen. RA Kalauch fragt ferner, ob der Mann, der in den Kleinen Saal kam, irgendetwas gesagt oder gerufen habe. Die Zeugin antwortet, dass der Mann dem F. etwas ins Ohr gesagt habe. Zumindest habe es so ausgesehen, als habe er etwas sagen wollen. Er habe seinen Mund bewegt. Daraufhin wird die Zeugin um 10:45 Uhr unvereidigt aus dem Zeugenstand entlassen.

Der dritte Zeuge Pf.

Nach einer kurzen Pause betritt der Zeuge Pf. den Gerichtssaal um 11:01 Uhr zusammen mit einem Mitarbeiter von ezra. Der Zeuge erklärt sinngemäß:
„Ich stand rauchend draußen im Foyer mit einem weiteren Zeugen [wohl So., vgl. seine Zeugenaussagen von Tag 6], als ein schwarz gekleideter Mann durch den Raum in den Saal ging. Der Mann hatte eine Kapuze aufgesetzt und trug eine Maskierung mit einem Gebiss drauf. Wir sind dem Mann hinterher, weil uns das komisch vorkam. Dort war an einem Tisch das Spiel ‚Looping Louie‘ aufgebaut. Der Mann mit der Maske sprach mit einer Person, flüsterte ihr etwas zu und hat dann zugeschlagen. Danach hat sich der Mann bereitwillig wieder hinausbegleiten lassen. Von draußen kamen andere Angreifer um die Ecke. Im Stübchen haben wir dann die Mädchen versteckt und jemand mit Handyempfang hat die Polizei gerufen. Nach kurzer Zeit gingen zwei Personen wieder hoch und ich hinterher. Im Saal waren Tische, Stühle und die Boxen umgeschmissen. Es lag viel Blut auf dem Saal. Viele Gäste von der Feier waren verletzt und bluteten. Normalerweise hatte ich auf den Kirmesfeiern mit meiner Kamera Fotos gemacht. An dem Abend hatte ich die aber nicht dabei.

Als der erste Angreifer kam, stand ich im Foyerbereich bei der Glaswand. Wir rauchten dort. Es ist die freie Wahl, ob man zum rauchen nach ganz draußen oder in das Foyer geht. Wir hatten uns für den kurzen Weg entschieden. Meine erste Assoziation angesichts des maskierten Mannes war, dass es sich um eine Showeinlage handele. Die Kirmesgesellschaft ist bekannt für solche Einlagen. Mit der Situation, wie sich sich letztlich entwickelte, rechnet man ja nicht. Wir sind dem Mann irgendwie hinterher um den vermeintlichen Auftritt nicht zu verpassen. Der Mann ging auf F. zu. Der stand links an einem Fenster. Das ist von der Bar nicht allzu weit weg. F. stand meines Erachtens alleine dort. Der Mann neigte sich mit dem Kopf zu F. Eine Reaktion von F. konnte ich nicht erkennen. Dann schlug er ihm, meine ich, ein Mal ins Gesicht. Ich war dann auf das Rausdrängen des Mannes konzentriert. Er hat sich relativ freiwillig herausdrängen lassen. Dass er vor dem Rausdrängen noch andere Menschen geschlagen habe, daran kann ich mich nicht erinnern. Die anderen Leute kamen von der linken Seite, wenn man aus der Tür vom Kleinen Saal herausschaut. Ich habe vielleicht sieben Leute gesehen. Die waren komplett maskiert, also erkennbar nicht von der Kirmesgesellschaft. Wir sind nach hinten geflüchtet. M.I. hatte die Tür zum hinteren Bereich aufgemacht und dann sind wir die Treppe hinunter gegangen. Dort haben wir das Poltern durch das Umwerfen der Stühle und Tische gehört.

Selbstverständlich hatte ich mich auch gefragt, was da los war. In dem Moment hat das aber keine Rolle gespielt. Es ging zunächst um die Erste Hilfe der Verletzten. Ich hatte mich an die Konflikte mit dem Gelben Haus erinnert. Da zogen Leute ein, die auch öfter in Crawinkel zugegen waren und der rechten Szene zuzuordnen sind. Der Kauf des Gelben Hauses sorgte dann für Aufruhr im Dorf. Es bildete sich dann die Ballstädter Allianz gegen Rechts. Im Gelben Haus fanden auch Hausdurchsuchungen statt. Weil mir Feindschaften der Kirmesgesellschaft nicht bekannt sind, hielt ich es für das Wahrscheinlichste, dass das Gelbe Haus mit dem Überfall zu tun hatte. Im Saal hatte ich zunächst wieder Stühle hingestellt. Dann hat die Polizei unsere Personalien aufgenommen. Das machte sie im Jägerstübchen, wenn das so heißt. Wir konnten daher mangels Zeit nach dem Angriff nicht miteinander über den Vorfall sprechen.“

Auf Vorhalt der vermeintlichen Maske sagt Pf.: „Das könnte die Maske gewesen sein.“ Durch die Maske habe man vom Gesicht nicht viel erkennen können. Pf. vermutet, dass es sich bei dem Angreifer um einen Mann gehandelt habe, da er sehr groß gewesen sei und sich keine Brüste abgezeichnet hätten. Er selbst sei 1,85 Meter, der Angreifer zirka 1,90 Meter groß. Ob die Tür vom Kleinen Saal zugehalten wurde, kann Pf. nicht sagen. Er habe eine Person an der Tür stehen sehen. Pf. kann nicht sagen, was die Person machte. Als er wieder nach oben gegangen sei, sei ihm eine verletzte Person entgegen gekommen. Eine weitere hätte sich an der Wand vom Jägerzimmer befunden. Soweit er das erkannt habe, seien alle anderen Verletzten im Kleinen Saal gewesen. Von der eingeworfenen Fensterscheibe am Gelben Haus als mögliche Ursache des Angriffs habe er gehört. Ihm erschließe sich diese These nicht, da er aus der Presse gehört habe, dass der Angriff am Abend zuvor verabredet gewesen sein soll. Da die Scheibe am Abend der Kirmesfeier eingeschlagen wurde, erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen der Fensterscheibe und dem Angriff nicht. Einige Vertreter*innen auf der Anklagebank horchen sichtlich (und mit etwas Irritation) auf, angesichts dieser erstmals in der Verhandlung geäußerten These einer am Abend zuvor verabredeten Tat.

RA Lippold fragt, wie der Zeuge auf die Kirmesfeier aufmerksam geworden sei. Er sei explizit eingeladen worden, erklärt Pf. Ob es auf der Feier Hinweise auf eine geschlossene Gesellschaft gegeben habe? Das weiß der Zeuge nicht mehr. Wie der erste Angreifer herausbefördert sei? Der Mann habe sich nach dem Schlag zumindest Richtung Tür hinausbegleiten lassen. Zirka fünf, sechs Personen seien um ihn herum gewesen. Es sei nicht explizit auf ihn eingeschlagen worden. Es habe schuppende Bewegungen gegeben. Ob der Mann freiwillig hinausgegangen sei? Der Zeuge hat den Eindruck gehabt, als wäre es seine Absicht gewesen, wieder Richtung Ausgang zu gehen.

RA Waldschmidt fragt nach dem Presseorgan, aus dem der Zeuge von der Tatverabredung gehört habe. Pf. meint, dies in der Thüringer Allgemeine gelesen zu haben. Welches Datum? Das weiß der Zeuge nicht, es sei zumindest zeitnah, innerhalb von zwei Wochen, nach dem Vorfall gewesen. Der Zeuge rät: „Fragen Sie bei der Zeitung mal nach. Die können das sicherlich herausfinden.“ Der Zeuge hat auch Kenntnis von den Beschmierungen, die es am Gelben Haus gab. Die „Konflikte“, von denen er sprach, bezögen sich nicht auf Konflikte von der Kirmesgesellschaft ausgehend, sondern auf einen Konflikt innerhalb des Dorfes.

Gegenüber RA Giehler erklärt Pf., mit dem Auto gemeinsam mit seiner Freundin zur Feier gefahren zu sein. Es sei mit den Schwiegereltern verabredet gewesen, dass sie sie später abholen. RA Schwarz lässt sich noch einmal erörtern, dass laut der Zeitung der Überfall am Tag zuvor verabredet worden sei, während die Fensterscheibe – er wisse nicht, wer die eingeschlagen habe – an dem Abend des Angriffs eingeworfen worden sei. Deshalb könne es keine Verbindung zwischen den Vorfällen geben. Das sei seiner Meinung nach der O-Ton des Zeitungsartikels gewesen.

Auf Frage der Staatsanwaltschaft gibt Pf. an, auf der Veranstaltung Alkohol getrunken zu haben. Die Polizei habe später bei ihm 1,3 Promille gemessen. Er habe sich trotzdem glasklar gefühlt und hätte sich über das Messergebnis erschrocken. Er sei sich sicher, einen Schlag gesehen zu haben. Auf Vorhalt, dass die Polizei ihn so zitiert, dass eine „Person mehrmals zugeschlagen“ habe, weiß der Zeuge auch nicht mehr. Der Zeuge Pf. wurde an dem Abend von der Polizei befragt und später auf das Präsidium eingeladen. Er hat an dem Abend eine Skizze angefertigt, die er auf Vorhalt wieder erkannt: „Ja, das ist meine Skizze mit meiner Unterschrift.“ Um 11:28 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Der vierte Zeuge Richter Michael M.-H.

Nach einer zweistündigen Mittagspause wird die Verhandlung um kurz nach 13:30 Uhr fortgesetzt. Der Richter Michael M.-H. wird, so erklärt der Vorsitzende Richter Pröbstel, der letzte Zeuge des Tages sein, da RA Lindner mitgeteilt habe, dass sein Mandant Stefan F. krank sei und der Vernehmung nicht weiter folgen könne. Man könne auch sehen, dass es ihm nicht gut gehe, ergänzt Pröbstel. RA Waldschmidt erklärt, er habe heute gelernt, dass Kleidung wichtig sei und bittet darum, dass jedes Organ weiße Krawatte und Hemd unter der Robe trage. Pröbstel erwidert, dass dies keine Pflicht sei, sondern dass die Krawatte lediglich im gedeckten Farbton sein müsse. Er fragt, ob RA Waldschmidt damit auf die Kleidung des Staatsanwalts anspielen wolle, dieser antwortet: „Nein, auf die Nebenklage.“ Pröbstel sieht jedoch keine Probleme bei der Kleidung.

Um 13:36 Uhr beginnt die Vernehmung des Zeugen Michael M.-H. Dieser erklärt sinngemäß:
„Ich habe die richterliche Vernehmung des Angeklagten Thomas W. durchgeführt. Vorweg muss ich sagen, dass ich 1500 Ermittlungsverfahren pro Jahr habe und mich daher nach zwei Jahren nicht an alle Vernehmungen erinnere. Ich habe daher im Vorfeld der heutigen Vernehmung das gegenständliche Protokoll gelesen, worauf meine Erinnerung aufbaut. OStA Kästner-Hengst und RA Lippold waren bei der Vernehmung mit dabei. Es hatte eine polizeiliche Vernehmung gegeben, in der Thomas W. ein Geständnis abgelegt hat. Dieses Geständnis habe ich vorgelesen. Thomas W. hat das Geständnis inhaltlich bestätigt. Danach habe ich weitergehende Verständnisfragen gestellt. Die Geschichte mit der roten Serviette ist mir im Kopf hängen geblieben. Thomas W. hatte eine rote Serviette auf dem Stein gesehen, mit dem wohl die Scheibe eingeworfen wurde. Dann sah er so eine rote Serviette im Veranstaltungsraum und schlussfolgerte damit auf die Täter der eingeworfenen Fensterscheibe.

Die Richterin Katja K.-S. hatte den Haftbefehl erlassen. Ob bei der Aussage gegenüber mir eine Haftentlassung im Raum stand, weiß ich nicht mehr. Ich kann nur vermuten, dass es um die Protokollierung einer Aussage durch mich als Richter ging. Frau Sey. war noch als Protokollantin mit bei der Vernehmung. An den Hintergrund einer Haftverschonung hatte ich nicht gedacht.“ Pröbstel fragt nach, ob der also nicht den Eindruck eines taktischen Geständnisses gehabt habe. Der Zeuge verneint entsprechend, dieses Eindruck nicht gehabt zu haben. Die damals genannten anderen Tatverdächtigen müssten dem Protokoll entnommen werden, der Zeuge hat daran keine Erinnerung und bittet um Entschuldigung. Pröbstel äußert sein Verständnis und sagt, er vernehme auch Unmengen an Zeugen und habe deshalb ebenfalls zuweilen Mühe, sich an vergangene Vernehmungen zu erinnern.

RA Lippold fragt, ob sich der Zeuge noch an eine Unterbrechung erinnere. Michael M.-H. sagt,er habe das gelesen. Eine Erinnerung habe er aber nicht, was ihm leid tue. RA Windisch macht einen Vorhalt aus dem Protokoll: „Die Staatsanwaltschaft erläutert Hintergrund der heutigen Vernehmung.“ Was sich hinter der Formulierung verberge? Daran erinnert sich der Zeuge nicht. Was danach passiert sei? Ob eine Entlassung erfolgt sei? Das vermutet der Zeuge. RA Windisch führt aus, dass im Anschluss an die Vernehmung auf Antrag der Oberstaatsanwaltschaft der Haftbefehl vom 16.02.2014 aufgehoben wurde.

Auf Nachfrage von RA Giehler, wie die Akte zu ihm gelangt sei, sagt der Zeuge, das nicht mehr zu wissen. Üblicherweise liege die Akte bei der Staatsanwaltschaft. Er mache dann auf einen entsprechenden Haftprüfungsantrag den Termin und bekomme zwei, drei Tage vorher die Akte mit einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft. An die damalige Verfügung erinnert sich der Zeuge nicht. RA Giehler hält diese jedoch vor, sinngemäß habe es geheißen: „Antrag auf richterliche Vernehmung. Bei Bestätigung des Geständnisses wird beantragt, den Zeugen zu entlassen.“ RA Giehler fragt, ob der der Zeuge die Verfügungen gründlich lese. Michael M.-H. antwortet: „Ich lese die Verfügungen genauso gründlich wie Sie Ihre Anträge.“ Pröbstel sagt in die erheiterte Runde, dass er ja schon einmal gesagt habe, dass, wer blöde Fragen stelle, mit solchen Antworten rechnen müsse [vgl. Tag 6, Vernehmung des Zeugen So.]. Der Zeuge weist erneut auf seine 1500 Verfahren pro Jahr hin und wird daraufhin um 13:48 Uhr unvereidigt entlassen.

Vor der Beendigung des heutigen Tages gibt der OStA Kästner-Hengst eine Erklärung ab. Es sei kein Betriebsgeheimnis, dass bei der Vernehmung des Angeklagten Thomas W. ein Jurist dabei gewesen sei [gemeint ist RA Lippold]. Er habe wesentlich bessere Erinnerungen an den Ablauf der Vernehmung als der soeben befragte Richter. OStA Kästner-Hengst empfiehlt daher, seine Erinnerungen zeugenschaftlich kundzutun. RA Schwarz meint, dass man dann aber auch so konsequent sein solle, den Zeugen vom Verfahren auszuschließen. Pröbstel weist darauf hin, dass das nicht erforderlich sei und es dank der Anwesenheit von zwei Vertretern der Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren keine Probleme gebe. Eher gebe es Probleme, wenn einer der Rechtsanwält*innen als Zeug*innen auftrete und der jeweilige Mandant in diesem Moment keine rechtliche Vertretung habe.

Die kommende Sitzung ist auf Mittwoch, den 09.03.2016 terminiert. Unter anderem sind mit Ma. und H. weitere Gäste der Kirmesfeier als Zeug*innen geladen.

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Tag 9 – 09.03.2016

Fünf Zeug*innen erinnern sich am 9. März 2016 an die Vorkommnisse in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2014. Der erste Zeuge Ma. ist ein Geschädigter des Angriffs und wurde derart malträtiert, dass er sich an die Zufügung seiner Verletzungen im Vorraum überhaupt nicht erinnern kann. Das Pärchen H. [zweiter Zeuge] und G. [vierte Zeugin] verließ die Kirmesfeier um 01:30 Uhr und stieß im Innenhof des Kulturzentrums direkt auf den Angeklagten Tony S. und dessen Freundin. Letztere saßen im Auto, erkundigten sich nach der Veranstaltung im Kulturzentrum und fuhren dann zum „Gelben Haus“. Nachts um 04:00 Uhr wurden H. und G. angerufen und über den Überfall informiert, weshalb sie dann zum Ort der Kirmesfeier zurückkehrten. Der dritte Zeuge Kl. wollte zwei Gäste der Kirmesfeier gegen 02:00 Uhr abholen und sah noch „über zehn Leute“ von der Veranstaltung in Richtung Gelbes Haus weglaufen. Die fünfte Zeugin Sc. hat den Angriff des ersten Täters am Rande miterlebt und eine „schwarze Wand“ von dunkel gekleideten Personen gesehen, die an der Tür zum Kleinen Saal stand, aus der Sc. dann flüchtete. Zuletzt positionieren sich Nebenklage und Staatsanwaltschaft gegen den Antrag des Verteidigers RA Junge auf Beweismittelverwertungsverbot hinsichtlich der Aussagen seines Mandanten Andre K. in einer polizeilichen Vernehmung [siehe Tag 7].

Zum dritten Mal in Folge vertreten RA Bunzel und RA Gaspar [Lautschrift] den RA Klemke bzw. RA Nahrath. Zudem wird RA Windisch vertreten. Auf Seiten der Nebenklage vertritt RA Weidmann [Lautschrift], der letzte Woche noch RA Hoffmann vertrat, dieses Mal die RA'in Lang.

Der erste Zeuge Ma.

Um 09:47 Uhr betritt der Zeuge Ma. den Schwurgerichtssaal des Erfurter Landgerichts. RA Weidmann beantragt noch die Nebenklageberechtigung für den Zeugen, die Pröbstel zulässt. RA Weidmann sitzt daraufhin während der Vernehmung als Beistand neben dem Zeugen. Erst am Ende wird er zwecks Stellung eigener Fragen zur Bank der Nebenklagevertreter*innen zurückkehren.

Der Zeuge führt sinngemäß aus:
„Zusammen mit dem B. [siehe dessen Vernehmung an Tag 6] habe ich im Vorraum geraucht, als eine dunkel gekleidete Person an uns vorbei in den Saal ging. Als es im Saal laut wurde, bin ich hinterher. Die Person kam mir schon wieder entgegen, also bin ich ihm wiederum hinterher gegangen. Dann bin ich irgendwann wieder munter geworden, als alles schon wieder vorbei war.

Ich war als Kumpel mit zur Kirmesfeier mitgekommen. Der Beginn war um 19 Uhr, relativ zeitnah waren wir dort. Mein Wohnort ist keine 500 Meter von dem Kulturzentrum, wo die Feier war, entfernt. Auf dem Weg dorthin komme ich allerdings nicht am Gelben Haus vorbei. Anfangs waren vielleicht 40/50 Leute auf der Feier, später weniger. Ich trank alles Mögliche. Auf einer Skala zwischen 1 (nüchtern) und 10 (volltrunken) würde ich sagen, ich war bei 6/7. Mein Atemalkohol wurde später gemessen, an das Ergebnis erinnere ich mich nicht.

Ich stand in dem Vorraum, in dem auch die Garderobe ist. Im Vorraum darf man rauchen, aber oben [im Saal] nicht. Die dunkel gekleidete Person kam das Treppenhaus hoch. Dann ging sie noch einmal eine kleine Treppe hoch zum Saal. Die Person war wesentlich größer als ich, ich bin 1,71 Meter groß. Die Person war ein, zwei Köpfe größer als ich, also locker 1,90 Meter groß. Sie trug eine Totenkopfmaske und eine Kapuzenjacke. Sie hatte ein breiteres Kreuz und war von der Statur her definitiv ein Mann. Die Totenkopfmaske sah aus wie eine typische Motorradmaske. Sie ging über den Mund- und – zur Hälfte – über den Gesichtsbereich. [Auf Vorhalt des Vorsitzenden Richters Pröbstel von einem Bild der möglichen Maske erklärt der Zeuge Ma.: „Die in etwa.“] Ich habe mit dem Mann nichts Böses assoziiert, sondern wir haben geschmunzelt.

Der Mann sagte nichts zu uns, sondern ging direkt an uns vorbei und schnurstracks in den Saal. Als es laut wurde, ging ich hinterher in den Saal. Zum Vorhalt aus meiner polizeilichen Vernehmung vom 11.02.2014, dass ich damals gesagt habe, dass der Mann beim Betreten des Saales rief ‚Wer war das mit der Fensterscheibe?‘ kann ich leider nicht mehr sagen, ob ich das selbst mitbekam. An dem Abend hätte ich mit der Äußerung jedenfalls gar nichts anfangen können. Ich stand noch 'ne Zeit lang im Vorraum, nachdem der Vermummte hindurchgegangen war. Das waren keine fünf Minuten. Auf Höhe der Treppe zum Saal konnte ich wahrnehmen, dass oben Leute geschrien haben, ich habe Blut gesehen. Ich wollte den Mann sicherlich am Weitergehen hindern, ich weiß es nicht mehr genau. Ich bin dann irgendwann zu Boden gegangen. Ich weiß nicht, wer mich angriff. Es hätte der dunkel gekleidete Mann gewesen sein können. Andere Angreifer hatte ich selbst nicht mehr gesehen.

Mein rechtes Auge, unten am Jochbein, war schließlich blau, meine Lippe aufgeplatzt und mein Oberkörper die Woche drauf gut verfärbt. Im Krankenhaus wurde auch ein Schädel-Hirn-Trauma festgestellt. Ich war 14 Tage krankgeschrieben und braucht auch so lange, bis ich mich wieder fit fühlte. An der Hand erkennt man noch heute etwas vom Überfall. Ich bin vor dem Spiegel in Scherben aufgewacht und hatte an der linken Hand eine Schnittverletzung. Die Hämatome am Brustbereich waren derart großflächig, dass ich nicht davon ausgehe, dass sie nur von einem Sturz herrühren. Die Scherben, an denen ich mich schnitt, waren vom Spiegel, der kaputt war. Es ist möglich, dass ich in ihn hineingeworfen wurde. Eventuell waren die Scherben auch schon da, als ich vor dem Spiegel zu Boden kam.“ – „Das“, so der Vorsitzende Richter Pröbstel, würde zu den Schnittverletzungen passen.“

Der Zeuge fährt sinngemäß fort: „Ich war definitiv bewusstlos. Als die Sirene ertönte, wurde ich wieder munter und ging erst einmal zu den anderen. Ich sah viele Geschädigte und überall Blut, der Saal war ruiniert. Mir wurde gesagt, dass mehrere Angreifer da gewesen wären und sich vorgearbeitet hätten. Ich habe auch gehört, dass zwei/drei Leute mich bearbeitet hätten. Meine Brille trug ich auch an dem Abend, die war kaputt. Ich weiß nicht mehr, wo ich die Brille wieder gefunden habe.“ Pröbstel hält Bilder der Verletzungen des Zeugen vor, auf denen der Zeuge seine Verletzungen und sich selbst erkennt. Er gibt an, dass die Verletzungen an der Hand nicht genäht, sondern so verheilt worden seien. Der Oberstaatsanwalt (OStA) Kästner-Hengst lässt eine Skizze des Ma. vom Februar 2014 vorhalten, anhand derer der Zeuge erklärt, wo sie zum Zeitpunkt des Eintreffens des Vermummten standen (im Vorraum in der Nähe vom Spiegel) und wo der Vermummte hochgegangen ist.

Auf Nachfrage des OStA Kästner-Hengst gibt der Zeuge an, der Vermummte habe eine dunkle lange Hose getragen und sei komplett dunkel gekleidet gewesen. Die Hose habe Seitentaschen gehabt. „Eine sogenannte Cargohose“, ergänzt Kästner-Hengst. Zudem, so der Zeuge, habe der Mann festes Schuhwerk getragen. Er weiß jedoch nicht, ob der Mann Handschuhe getragen habe. Im Nachhinein habe er gehört, der Mann habe Quarzsandhandschuhe getragen. Dies würde, so der Zeuge Ma., die massiven Verletzungen des ersten Geschädigten an der Bar erklären. Ferner erklärt der Zeuge, dass auf der Kirmesfeier rote Servietten benutzt worden seien. Der Zeuge kennt den Zusammenhang mit der eingeworfenen Fensterscheibe, kann sich jedoch nicht vorstellen, dass jemand von der Kirmesfeier das Fenster eingeworfen habe. Im Nachhinein sei die Aussage „Wer war das mit der Scheibe?“ des ersten Vermummten so mit der Scheibe kombiniert worden, dass er eine „Retourkutsche“ als Motivation für den Überfall vermutet. Der Überfall sei klar in die Richtung definiert worden. Am nächsten Tag seien auch Leute am Gelben Haus vorbei gefahren, die das eingeworfene Fenster gesehen hätten. Der Zeuge führt aus, dass im Gelben Haus „bekannte Rechtsradikale“ wohnen. Er selbst habe dort vor Jahren auch einmal gelebt, „als es noch normales Mietobjekt war.“ Schmierereien am Gelben Haus habe er seit dem Einzug der neuen Bewohner*innen mal gesehen. Bei bestem Willen könne er sich aber nicht vorstellen, dass jemand in so einem kleinen Ort so einen Trubel mache, weshalb er keine Dorfbewohner unter den Verursachern von Schmierereien und eingeworfener Scheibe vermutet.

Auf Nachfrage von RA Lippold zum Standort im Vorraum gibt Ma. an, den Eingang zum Kleinen Saal überblickt zu haben. Den Eingang zum Kulturzentrum und das Treppenhaus hätte er sehen können, wenn die entsprechenden Örtlichkeiten beleuchtet gewesen wären. Der Zeuge überlegt, ob das Treppenhaus beleuchtet gewesen war und bejaht dies vorsichtig mit Hinweis auf den Weg zu den Toiletten. Er habe neben dem ersten Vermummten keine weiteren Personen gesehen, darauf aber auch nicht geachtet. Nach dem Erscheinen des ersten Vermummten habe er keine fünf Minuten im Vorraum verbracht, es sei „relativ zügig“ gegangen. Was er gegenüber dem Vermummten gemacht habe, wisse er nicht mehr. Auf Vorhalt von RA Lippold, dass der Zeuge B. gesagt habe, Ma. habe den Angreifer umklammern wollen, sagt der Zeuge, dass dies sein könne.

RA Weidmann fragt zuletzt, woran er den Angreifer habe hindern wollen. „Am Flüchten“, erklärt Ma. Ob er eine Erklärung habe, warum er sich an vieles nicht erinnern könne? Das hänge mit den „massiven Schlägen“ zusammen. Er habe eine Gedächtnislücke und erklärt, dass ihm definitiv der komplette Ablauf fehle, wo mehrere Personen hochgekommen sein sollen. Der Vorsitzende Richter Pröbstel kann die Gedächtnislücken nachvollziehen: „Das haben wir immer wieder“. Die Gedächtnislücken entstünden, wenn Informationen nicht die Chance bekommen hätten, in das Langzeitgedächtnis überzugehen. Angesichts der Schläge und der Bewusstlosigkeit des Zeugen sagt Pröbstel: „Es hätte mich gewundert, wenn Sie sich an den Angriff noch hätten erinnern können.“ Der Zeuge wird anschließend um 10:15 Uhr unvereidigt entlassen.

Vor der anschließenden kurzen Pause erklärt Pröbstel, aufgrund des Widerspruchs gegen die Verlesung der Autokennzeichenliste (siehe Tag 8) den Polizeibeamten der Vernehmung von der Zeugin M. zu laden.
In der Pause sprechen zwei Schülerinnen aus der heute im Publikum sitzenden Schulklasse über den aus ihrer Sicht „spannenden Prozess“. Sie bemerken, dass die Angeklagte Ariane S. dauernd an ihren Nägeln kaue und der Angeklagte Rocco B., der direkt neben Ariane S. sitzt, während der Zeugenaussagen die ganze Zeit lache und grinse.
Vor der Vernehmung des nächsten Zeugen verkündet Pröbstel, dass die Verlobte des David S. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wird und daher in der kommenden Woche morgens kurz eingeschoben werde. Zudem kommt Pröbstel der Bitte des RA Kalauch um Vorverlegung der heutigen Zeugin G. gerne nach, was dadurch möglich wird, dass eine Zeugin für 12:00 Uhr weggefallen ist.

Der zweite Zeuge H.

Der Zeuge H. erklärt sinngemäß:
„An besagtem Abend war ich mit meiner Freundin als Mitglied der Kirmesgesellschaft auf der Dankesfeier. Wir haben den Saal gegen 01:30/ 02:00 Uhr verlassen. Dort stießen wir auf einen grünen 4'er Golf, der vor dem Kulturzentrum stand. Eine männliche Person saß am Steuer, eine weibliche Person auf dem Beifahrersitz. Das Fenster zum Beifahrersitz war geöffnet und die weibliche Person sagte, dass ich mal zu ihnen hingehen sollte. Ich habe dann auf dem Fahrersitz den Tony S. erkannt, der fährt öfter durch Ballstädt. Die weibliche Person fragt, was für eine Veranstaltung stattfinde. Ich antwortete, dass es sich um eine private Kirmesveranstaltung handele. Als ich kurz darauf das Autokennzeichen UH bemerkte, fragte ich noch: ‚UH – was wollt ihr denn jetzt ihr?‘ [UH steht für Unstrut-Hainich-Kreis]. Dann fuhr das Auto weg. Wir sind dann auf dem anschließenden Nach-Hause-Weg am Gelben Haus vorbei gelaufen, wo das Auto parkte. Es war ruhig und kein anderes Auto vor Ort. Wir haben am Gelben Haus ein Loch in einer Scheibe gesehen. Um 4 Uhr, wir schliefen bereits, wurde ich dann angerufen, es sei etwas Schlimmes passiert und wir sollten zurück zum Kulturzentrum kommen. Ich wollte das zunächst nicht glauben, aber mir wurden Bilder von Verletzten zugeschickt. Als wir zurück am Kulturzentrum waren, war die KriPo schon vor Ort.

Zu Beginn der Feier waren 50 – 60 Mann dort. Wir sind gegangen, weil meine Freundin keine Lust mehr hatte. Ich mache die Kirmesfeiern seit 2002 mit. Besonderheiten auf der Feier sind mir keine aufgefallen. Das besagte Auto stand im Innenhof, direkt wenn man herauskommt. Bei der weiblichen Person im Auto handelt es sich – so habe ich im Nachhinein gehört – um Christina H. Über ihre Frage ‚Was ist da los?‘ habe ich nicht nachgedacht. Erst habe ich nur sie gesehen, dann Tony S. wo ich dachte: ‚Oh, den habe ich ja doch schon mal gesehen.‘ Der Tony S. war mir schon weit vorher bekannt durch einen Freund, der ihn wohl seit der 1. Klasse kennt. Sonst kenne ich niemanden im Gelben Haus außer Tony S., der wohnt ja dort. Es ist klischeebekannt, was da eingezogen ist. Da wird man vorsichtig. Ich habe allerdings keine Verbindung zur Feier und keinen Anlass zur Sorge gesehen. Bis ich Tony S. und das UH-Kennzeichen sah. Vom Kulturzentrum zum Gelben Haus sind es vielleicht 150 Meter. Man kann das nicht direkt einblicken, weil dort eine Mauer ist und es von Häusern umgeben ist und es ums Eck geht. Die Straßenlaternen sind so gegen 00:30 Uhr ausgegangen. Es war stockdunkel. Es war alles still. Ich habe nur gesehen, wie Tony S. vom Innenhof fuhr. Dafür müsste er ein U fahren. Wir sind dann die 150 Meter zum Gelben Haus gegangen und kamen gleichzeitig mit Tony S. am Gelben Haus an. Ich habe nicht gesehen, ob er ausstieg. Das Loch im eingeworfenen Bäckerfenster habe ich noch gesehen, das war kreisrund. Die Folie am Fenster war genauso beschädigt, sodass man durchgucken konnte. Auf dem Weg abends zur Feier war das Fenster noch ganz. Die Fensterscheibe muss also zwischen 18:30 Uhr und 01:30 Uhr zerstört worden sein. Auf der Feier bekamen wir davon jedoch nichts mit, wobei sich so etwas – sobald bekannt – herumspricht. Auf dem Nach-Hause-Weg brannte kein Licht am Gelben Haus.

Zwischen dem Vorbeilaufen und dem Anruf nachts um 4 Uhr habe ich geschlafen und nichts Weiteres mitbekommen. J.I. hatte mich angerufen und ich habe sie weggedrückt. Dann rief aber noch ein Kumpel an und schickte die Bilder. Der Freund sprach hektisch am Telefon. Vor Ort habe ich dann keine Verletzten mehr gesehen. Wir sahen die Frauen, die in Sicherheit gebracht worden waren. Uns wurde gesagt, dass maskierte Männer hochgekommen sein sollen. Einer sei hoch gegangen und habe einem was ins Ohr geflüstert, dann seien 15 oder 14 andere dazu gekommen. Die Zahl 15 ist bei mir hängen geblieben. Zu Beginn war merkwürdig, dass die Polizei meinte, die Kirmesgesellschaft habe eine Schlägerei mit der Kneipenpächterin gehabt. Da war ich schockiert an dem Abend. Ich hörte auch, dass der Überfall mit der Stoppuhr gemessen, also genau geplant wurde. Die Ursache ist mir unklar. Was hat die Kirmesgesellschaft mit dem eingeworfenen Fenster zu tun? Zu dem Zusammenhang mit der roten Serviette kann ich sagen, dass ich um 4 Uhr im Kulturzentrum auch unten war, wo gewütet wurde. Unten lagen ein, zwei Geschenke, darunter eine Sektflasche in einer roten Papierserviette. Irgendwie muss das Geschenk nach unten gekommen sein. Die Kirmesgesellschaft wirft ja nicht mit den Flaschen.

Bis dahin brauchten wir nie Securities. Seit dem Überfall müssen wir alles absichern, mit Securites. Die Kirmesgesellschaft hat mit Aktionen gegen das Gelbe Haus sicherlich nichts zu tun, das sind ja keine professionellen Schlägertypen. Da ist man ja zu intelligent zu, um so einen Zwist anzuzetteln. Ich erinnere mich noch an eine Situation an Silvester 2013/14, also vor dem Überfall, in der ich mich mit zwei Leuten unterhalten hatte und dann eine Traube herauskam und uns umzingelten. Die Szene konnte beruhigt werden. Tony S. selbst ist mir sonst nicht aufgefallen.“

Der Zeuge bejaht die Fragen des OStA Kästner-Hengst, dass er die Frau auf dem Beifahrersitz damals nicht gekannt habe, sie nun aber kenne. Irgendwann habe er mitbekommen, dass Tony S. eine schwarzhaarige Freundin habe. Er sei dann sehr stark davon ausgegangen, dass es sich dabei um Christine H. handele. Sie verwende das Synonym „Sissi von der Alm“. Nach kurzen Namensunklarheiten – H. nennt nicht den Nachnamen der bereits im Prozess erwähnten Christina H. – antwortet H. auf die Frage, ob der Nachname auch der der bekannten Christina H. sein könne: „Kann auch sein.“ Der Zeuge gibt an, bei facebook inaktiv zu sein, aber wahrscheinlich hätten andere da die entsprechende Recherche nach Christina H. gemacht. Sie sei klein und schwarzhaarig und die Beschreibung passte absolut auf die Person auf dem Beifahrersitz im Auto.

RA Weidmann fragt nach der eingeworfenen Fensterscheibe. Der Zeuge erklärt, es habe sich um ein „sehr sehr rundes Loch“ gehandelt. Es habe ihn sehr gewundert, ein solch „reines rundes Loch“ zu sehen. RA Weidmann fragt, ob das Loch von einem Steinwurf mit einer Serviette kommen könne, der Zeuge meint: „Das müsste man ausprobieren.“ In die Erheiterung des Publikums hinein moniert RA Waldschmidt die Frage mit dem Argument, zur Beantwortung der Frage würde eher ein Gutachten benötigt. Der Zeuge gibt noch an, dass er nicht wisse, ob die Folie, mit der das Fenster beklebt gewesen sei, sich außen oder innen befunden habe.

Gegenüber RA Dann gibt der Zeuge an, sich auf dem Heimweg von der Kirmesfeier mit seiner Freundin über Tony S. unterhalten zu haben. RA Dann macht einen Vorhalt aus der polizeilichen Vernehmung, nach der der Zeuge um 01:32 Uhr eine whatsapp-Nachricht über Tony S. an die Gruppe der Kirmesgesellschaft geschickt habe. Der Zeuge bestätigt den Vorhalt. Er habe von der Begegnung berichtet. Nur J.I. und N.P. hätten geantwortet. Befragt zur Motivation für die Nachricht erklärt H., er habe der Freundesgruppe, nicht jedoch direkt der Kirmesgruppe, geschrieben, weil er stutzig geworden war. Er habe nun ein bisschen Schuldgefühle, nicht zur Kirmesfeier zurückgegangen und direkt gewarnt zu haben. RA Dann meint, dass der Zusammenhang von Tony S. vor dem Kulturzentrum und von einer Gefahr für die Feier doch weit hergeholt sei und dass die beiden Personen im Auto vielleicht an der Feier hätten teilnehmen wollen. H. sagt, dass dies relativ unwahrscheinlich sei, weil sich die Leute aus dem Gelben Haus im Dorf nicht integriert hätten. Der Wunsch den anderen zu sagen, dass Tony S. vor der Tür gestanden habe, sei dann „klischeebedingt“ erfolgt.

Der Zeuge H. erklärt RA Schwarz, dass er, als er das UH-Kennzeichen am Auto gesehen habe, zurückgegangen sei und gefragt habe, was sie hier machten. Die Antwort von Christina H. sei gewesen: „Ist egal“. RA Schwarz möchte wissen, ob es sich bei N.P. um „die Frau P. [gleicher Nachname] aus der Gemeindeverwaltung“ handele, was H. verneint. Gegenüber der RA'in Taakens gibt der Zeuge an, dass Einladungen zur Feier schriftlich erfolgt seien. Es könne „ja nicht jeder kommen“.

RA'in Ernst interessiert sich für den whatsapp-Chat. Der Zeuge legt dar, seinen Chatverlauf regelmäßig zu löschen. In der besagten Freundesgruppe seien vielleicht 200 Leute, u.a. auch Menschen von der Kirmesgesellschaft. RA'in Ernst fragt, wer genau in der Gruppe sei. Der Zeuge fragt: „Sie meinen zumindest von denen, die noch im Saal oben waren?“ – „Zum Beispiel, das wäre ein Anfang.“ Der Zeuge überlegt. RA Dann unterbricht die Gedanken mit dem Hinweis, dass der Zeuge den Gruppenverlauf doch sicherlich sehen könne. Kästner-Hengst weist darauf hin, dass man sich einigen solle, wer fragt. Die Frage von RA'in Ernst steht also noch im Raum. Der Zeuge erklärt, nicht zu wissen, ob seine Freunde auch in der Gruppe seien. Es handele sich um eine große Anzahl von Leuten in der Gruppe. Seine Nachricht habe vom Wortlaut ungefähr geheißen: ‚Tony S. stand vor der Tür, fuhr dann aber weg.‘ Warum er das in die Freundesgruppe geschrieben habe? „Ich hätte das vielleicht in die andere Gruppe schreiben sollen, ist richtig.“ An die erfolgte Antwort erinnere er sich nicht mehr, es sei so etwas gewesen wie „ist eben so“.

RA Waldschmidt fragt, woher der Zeuge die Informationen der Stoppuhr und der 15 Personen habe. Der Zeuge gibt an, das nicht zu wissen. Das seien Nachinformationen gewesen, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet hätten. Waldschmidt bemängelt die fehlende Zuordnung zu originären Quellen: „So macht man's nicht!“ RA Lippold fragt nach der Ballstädter Allianz gegen Rechts. Der Zeuge führt aus, Ballstädt sei ein weltoffenes Dorf. Die Allianz sei gegründet worden um ein Zeichen für Weltoffenheit zu setzen. Bei der ersten Demonstration der Initiative sei er dabei gewesen. Ob N.P. in dem Bündnis gewesen sei? Sie habe, so der Zeuge, ein Banner erstellt, weil sie Erfahrung in der PR habe. In der whatsapp-Gruppe würden allgemeine Infos zum Dorfleben ausgetauscht. RA Lippold fragt, ob der Zeuge in der Gruppe etwas Auffälliges gelesen habe, „so was wie ‚Nazis sind grad ausgeflogen‘?“. Der Zeuge verneint. Der Staatsanwalt beanstandet die Frage. Pröbstel weist darauf hin, dass die Frage bereits beantwortet worden sei.

Gegenüber RA'in Ernst bejaht der Zeuge, dass J.I., S.I. und M.I. miteinander verwandt seien. Zuletzt fragt RA Giehler, woher der Zeuge die genaue Zeitangabe 01:32 Uhr zum Verschicken der whatsapp-Nachricht habe. Der Zeuge gibt an, die Uhrzeit wegen der Anzeige im Handy noch gewusst zu haben. Er sei einmal von der KriPo und zirka zwei Wochen später bei der Polizei in Gotha vernommen worden. RA Giehler hält vor, die Vernehmung sei am 13.02.2014 erfolgt. Der Zeuge bekräftigt, dass dies die zweite Vernehmung gewesen sei. Er habe während der Vernehmung im Handy nach der Uhrzeit der Nachricht geschaut. Der Polizist habe nicht selbst auf das Handy geschaut und nur die Uhrzeit der Nachricht und nicht den Wortlaut wissen wollen. Daraufhin wird der Zeuge um 11:25 Uhr unvereidigt entlassen.

Der dritte Zeuge Kl.

Um 11:26 Uhr betritt der Zeuge Kl. in Begleitung eines Mitarbeiters von ezra den Gerichtssaal. Er erklärt sinngemäß:
„Ich wollte in der Nacht nur meinen Bruder und meine Schwägerin abholen. Da habe ich die Angreifer gerade weggehen sehen. Die Schwägerin teilte mir mit: ‚Die Rechten haben hier eine Schlägerei gemacht‘. Auf meiner Autofahrt zum Kulturzentrum kam ich nicht am Gelben Haus vorbei. Ich stand nicht im Innenhof, sondern mit dem Auto auf der Straße vor dem Gelände des Kulturzentrums. Ich war alleine. Es ist zirka 2:00 Uhr gewesen. Wie verabredet hatte mich mein Bruder angerufen und wartete mit seiner Frau bereits draußen auf mich, als ich zirka zehn Minuten nach dem Anruf ankam. Mein Parkplatz befand sich vor dem Eingang, ich konnte in den Innenhof blicken. Mein Bruder stand an der Hauptstraße. Die Gruppe von Leuten lief durch das Tor vom Innenhof und dann hoch zum Gelben Haus. Auf dem Weg habe ich dort in Richtung Eschenbergen Autos gesehen. In der Gruppe waren alle schwarz gekleidet. Das waren auf jeden Fall über zehn Leute, da bin ich mir sicher. Nach dem Vorfall mussten wir warten und mit der Polizei ins Kulturzentrum gehen. Während des Überfalls waren mein Bruder und meine Schwägerin schon draußen. Vom Überfall habe ich sonst nichts mitbekommen. Ich weiß nicht, wann mein Bruder und die Schwägerin den Saal verlassen und wie viel sie also vom Überfall mitbekommen haben.

Ich habe an den Angreifern nichts erkennen können. Die waren alle schwarz gekleidet. Und sie waren groß. Ich weiß nicht, ob es Männer oder Frauen waren. Ich habe gar nichts gedacht, als ich sie aus dem Kulturzentrum habe gehen sehen. Ich habe auch nichts gehört. Im Saal haben wir uns einen Überblick darüber verschafft, was passiert ist. Die Autos auf dem Weg Richtung Eschenbergen sind mir aufgefallen, weil die mitten auf der Landstraße standen. Die Lichter waren noch an. Im Saal habe ich mehrere Verletzte gesehen und Blut. Wir haben dort mitgeholfen. Ich weiß nicht, von wo die Information kam, dass Rechte am Überfall beteiligt gewesen wären. Auf der Feier kannte ich ein paar Leute, aber nicht alle. Die Leute am Gelben Haus waren generell nicht auffällig. Ich wusste nur, dass das Rechte sind.

Auf Nachfrage des OStA Kästner-Hengst gibt der Zeuge an, dass die Menschen in der Gruppe ziemlich groß gewesen seien. Genaue Größenangaben vermeidet der Zeuge. Er könne sich allerdings nicht vorstellen, dass das alles Frauen waren, sei sich aber nicht sicher. Um 11:39 Uhr wird der Zeuge unvereidigt entlassen.

Die vierte Zeugin G.

Nach der Mittagspause wird die Verhandlung mit der Vernehmung der Zeugin G. fortgesetzt. Sie ist in Begleitung eines Mitarbeiters von ezra. Sie erklärt sinngemäß:
„Wir, damit meine ich meinen Freund H. und mich, haben die Veranstaltung verlassen. Vor dem Kulturzentrum trafen wir auf ein Auto, in dem zwei Leute saßen. Mein Freund gab auf die Frage nach der Veranstaltung im Saal Auskunft. Nachts bekamen wir einen Anruf und gingen dann wieder zurück zum Saal. Der Abend war ansonsten schön. Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Das besagte Auto stand, wenn man die Tür hinausgeht, im Innenhof. Um dort hin- und wegzukommen muss man mit dem Auto einmal ums Karree fahren. Wir mussten, um von der Veranstaltung wegzukommen, zwingend an dem Auto vorbei. Das Auto war ein grüner Golf. Der Golf ist mir bekannt von den neuen Mitbewohnern. Das sind die Leute, die jetzt gerade links neben mir sitzen. Ich kannte den Fahrer im Auto. Das war Tony S. Der war mir bekannt, weil mein Partner mir das erzählt hat. Die Frau auf dem Beifahrersitz kannte ich mehr oder weniger vom Sehen. Ich wusste, dass das die Freundin von Tony S. ist. Ich weiß nicht mehr, wer wen angesprochen hatte. Es wurde gefragt, was das für eine Veranstaltung sei. H. antwortete, dass es eine Kirmes-Dankesfeier sei.“ Pröbstel hält vor, dass die Zeugin in der polizeilichen Vernehmung den H. sinngemäß wiedergegeben habe mit „Das ist eine private Feier, also nichts für euch.“

Die Zeugin fährt fort, dass sie sich bei dem Gespräch nichts gedacht habe. Sie bemerkt, dass ihr Partner immer alle ansprechen müsse. Die Zeugin weiß nicht mehr, ob sie auf dem Rückweg darüber gesprochen hätte und bejaht die Frage, ob sie am Gelben Haus vorbei gekommen seien. Das Gelbe Haus sei vom Kulturzentrum allerdings nicht direkt einsehbar, sondern man müsse erst einmal um eine Ecke gehen. Die Entfernung schätzt G. auf „200, 300 Meter, vielleicht weniger“. Während ihres Heimwegs sei auch Tony S. mit seinem Auto am Gelben Haus angekommen. Sie habe nicht gesehen, dass er ausgestiegen sei. In einer Fensterscheibe im Erdgeschoss am Gelben Haus sei eine Scheibe eingeworfen und ein Loch drin gewesen. Ansonsten sei ihr nichts Besonderes aufgefallen, auch zu einer Sichtschutzfolie am Fenster kann die Zeugin keine Angaben machen. Heute leuchteten die Straßenlaternen nachts. Sie weiß nicht, ob das damals auch schon so war. Die Zeugin weiß nicht, ob andere Autos oder irgendjemand anderes am oder im Gelben Haus war.

Gegen 4 Uhr habe das Telefon geklingelt. Es sei berichtet worden, dass es einen Überfall auf die Kirmesgesellschaft gegeben habe und sie dorthin kommen sollten. Auch Bilder von Verletzten wurden ihnen zugeschickt. Vor Ort nahm die Zeugin Blut, viele Scherben und die Partnerinnen der Männer wahr, die blass gewesen wären. Auf dem Weg seien sie nicht mehr am Gelben Haus vorbei gekommen. Die Betroffenen hätten ihnen erzählt, dass vermummte Männer zum Saal hochgekommen seien und dort eine Schlägerei angefangen hätten. Es sei gemutmaßt worden, dass Leute vom Gelben Haus beteiligt waren. Warum es diese Mutmaßung gab, weiß die Zeugin nicht.

Vom Vorsitzenden Richter Pröbstel zur whatsapp-Nachricht befragt, erinnert sich die Zeugin an die Nachricht, kann aber nicht sagen, warum H. sie geschrieben habe. Sie sei müde gewesen und habe nach Hause gewollt. Sie habe gewusst, dass er an die Freundesgruppe schrieb, aber nicht darüber gesprochen, warum er das machte. Auf die Idee einer Warnung sei er eher nicht gekommen, sie hätten sich eher darüber lustig gemacht. Dass es sich bei der Frau auf dem Beifahrersitz um die Freundin von Tony S. handelte, hat die Zeugin nach eigenen Angaben durch Erzählungen und Recherche in facebook herausgefunden. Die Recherche funktioniere so, dass man den Namen einer Person eingebe, die man kenne und dann kämen bereits Verlinkungen. Am Tag nach dem Überfall habe sie durch einen Freund einen entsprechenden Hinweis auf „Sissi von der Alm“ bekommen. Die Person hatte ein Bild auf facebook. Das sei sie gewesen. Der Polizist habe den facebook-Namen auch schon gekannt. Den Klarnamen kennt die Zeugin allerdings nicht. Den Tony S. habe die Zeugin allein schon durch das Auto erkannt. Es falle auf, wenn er damit durch das Dorf fahre. Ansonsten sei Tony S. nicht weiter auffällig gewesen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Pröbstel, was sie davon wahrgenommen habe, dass der Einzug der Menschen im Gelben Haus nicht auf „Begeisterung“ gestoßen sei, sagt die Zeugin, ihr sei nichts aufgefallen. Von Schmierereien am Gelben Haus wisse sie nichts. In welchem Zustand die Scheibe auf dem Hinweg zur Kirmesfeier gewesen sei, könne sie nicht sagen.

Der OStA Kästner-Hengst fragt nach dem Auto im Innenhof. Die Zeugin beschreibt es als dunkelgrünen Golf mit GTH- [für Gotha] oder UH-Kennzeichen. Kästner-Hengst hält die Aussage von H. vor, nach der er die Autobesatzung auf das auswärtige Kennzeichen angesprochen habe. Dann habe es sich wohl eher nicht um ein GTH-Kennzeichen gehandelt, schlussfolgert Kästner-Hengst. Die Zeugin stimmt zu. Danach sagt Kästner-Hengst [einen Tag nach dem internationalen Frauen(kampf)tag], „dunkelgrüner Golf“ sei für eine Zeugin schon eine gute Beschreibung. Die Zeugin gibt an, denselben Wagen fahre ihre Mutter. „Welches Modell fährt denn Ihre Mutter?“ – „Denselben in blau.“ Ob es ein 4-er Golf sei? Das weiß die Zeugin nicht.

Auf Nachfrage des RA Lippold sagt die Zeugin, die whatsapp-Gruppe habe keinen Namen, es sei nur eine Freundesgruppe. RA Dann fragt, warum H. und G. Um 4 Uhr nachts nicht mehr am Gelben Haus vorbei kamen. Die Zeugin antwortet: „Weil wir das Auto genommen haben.“ Ferner erklärt sie, nicht mehr zu wissen, wer auf die whatsapp-Nachricht geantwortet habe. Anschließend wird die Zeugin G. um 13:28 Uhr entlassen.

Die fünfte Zeugin Sc.

Die Zeugin Sc. wird von dem gleichen Mitarbeiter von ezra in den Gerichtssaal begleitet, der auch schon der Zeugin G. beistand. Sie erklärt sinngemäß:
„Ich saß an der Bar und schaute mir eine Dia-Show der Kirmesbilder an. Ein dunkel gekleideter, mit Maske vermummter Mann kam in den Saal hinein. Er ging zu einem Mann und flüsterte ihm was zu. Auf einmal hat er ihn geschlagen. Andere versuchten daraufhin, den Vermummten herauszudrängen. Ich lief zu meinem Freund Pf. [vgl. die Aussagen des Zeugen Pf. am Tag 8] Ich sah, dass die Tür hinter dem Vermummten kurz verschlossen wurde. Die Tür ging aber recht bald wieder auf und ich sah kurz eine schwarze Wand. Ich habe dann noch meine Tasche mitgenommen und wir sind mit anderen Leuten in einen Hinterraum hinunter gelaufen und haben uns dort versteckt.

Zum Zeitpunkt des Angriffs war ich direkt an der Bar. Als der Vermummte hereinkam, dachte ich zunächst an einen Scherz. Ich glaube anhand von Statur, Gang und dem starken Auftreten, dass es sich bei der Person um einen Mann handelte. Ich würde mich wundern, wenn es eine Frau wäre. Der Vermummte trug einen schwarzen Kapuzenpulli oder eine Jacke. Auf der Maske oder dem Tuch war ein Skelett drauf. Der Angreifer ging direkt zu F., der meines Erachtens alleine stand. Er hat F. Etwas ins Ohr geflüstert. Das mache ich daran fest, dass sie die Köpfe zueinander neigten und der Gesichtsausdruck von F. so aussah, als ob er zuhörte. Dann schlug er F. mit der Faust ins Gesicht. Es gab definitiv einen Schlag. Ich achtete dann nicht mehr genau darauf, was passierte, sondern hatte ihnen den Rücken zugedreht. Es kann sein, dass er noch mehr Menschen schlug. Eine Traube Männer hat den Angreifer gepackt und herausbefördert. Die Tür wurde kurz zugehalten, ging aber direkt wieder auf. Mit der schwarzen Wand, die ich dort sah, meine ich mehrere Personen, die dort hinter der Tür standen und alle schwarz gekleidet waren. Ich weiß weder, ob es Frauen oder Männer waren noch ob sie Masken trugen. Weil ich Befürchtungen hatte und nicht wusste, was passiert, flohen wir aus dem Saal. Ich hörte ein Poltern, wohl von Stühlen, die auf den Boden geworfen wurden. Glasscherben waren mir vor dem Verstecken nicht aufgefallen.

Als ich wieder nach oben ging, nahm ich Verwüstung wahr. Stühle und Tische waren umgeworfen. Ich sah etwas Blut. Niemand lag mehr da. Alle saßen schon wieder. Ich sah auch Glasscherben von Gläsern und Scherben im Vorraum. Es wurde erzählt, dass mehrere Menschen da waren und Kirmesgäste verletzten. Eine Vermutung über die möglichen Täter wurde nicht geäußert. Die Feuerwehr betreute uns und berichtete, dass im Gelben Haus eine Scheibe eingeworfen worden sei. Mehr weiß ich da nicht drüber.“

Pröbstel führt aus, dass er einmal in einem Dorf gelebt habe, in dem alle aufgehört hätten zu reden, wenn er Städter in die Bäckerei hereingekommen sei und fragt, was über die Bewohner*innen des Gelben Hauses erzählt worden sei. Die Zeugin gibt an, dass die Menschen dort zur rechten Szene gehören sollen. Von Schmierereien oder anderen Aktionen gegen das Gelbe Haus wisse sie nichts. Auch vom Zusammenhang Fensterscheibe und Überfall habe sie nichts weiter mitbekommen.

Auf Nachfrage des OStA Kästner-Hengst beschreibt die Zeugin Sc. den Vermummten als gerade gehend, muskulös, weder dick noch schmächtig. Er sei größer gewesen als sie, sie sei 1,70 Meter groß und tippt die Größe des Vermummten auf 1,80 – 1,85 Meter. Auf Nachfrage von RA Weidmann sagt die Zeugin, sie habe nicht gesehen, was die „schwarze Wand“ gemacht habe. Gegenüber RA Lippold führt sie aus, dass drei oder vier Leute den Vermummten herausgedrängt hätten. Näheres zur Rangelei könne sie nicht angeben. Gegenüber RA Giehler gibt sie an, nicht zu wissen, wer den Vermummten herausgedrängt habe. Darüber sei auch nicht gesprochen worden. OStA Kästner-Hengst erklärt, dass es „für uns eigentlich relativ interessant“ sei, ob der Vermummte eher wider Willen herausgedrängt worden sei oder er sich freiwillig habe herausdrängen lassen. Kästner-Hengst fragt weiter nach der Richtung des Gesichts und der Körperhaltung, ob dieses bzw. diese zur oder entgegen der Tür oder quer ausgerichtet gewesen seien? Die Zeugin weiß das nicht mehr. RA Schwarz wiederholt noch einmal die Frage des OStA und wird darauf hingewiesen, dass die Frage bereits gestellt worden sei. Anschließend wird die Zeugin Sc. um 13:51 Uhr unvereidigt entlassen.

Erklärung der Nebenklage gegen den Widerspruch zur Verwertung der Aussagen des Andre K. aus einer polizeilichen Vernehmung

Vor der Beendigung des Verhandlungstages verliest RA Hoffmann eine Erklärung, in der er „im Namen der Unterzeichner“ den Widerspruch des RA Junge an der Verwertung der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten Andre K. vom 09.02.2014 durch den Polizisten Perry M. zurückweist [vgl. Antrag des RA Junge vom Verhandlungstag 7]. Der Verteidiger, RA Junge, hatte ausgeführt, dass sein Mandant Andre K. früher als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen und nicht ordnungsgemäß auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und die Möglichkeit, rechtlichen Beistand hinzuzuziehen, hingewiesen worden sei. RA Hoffmann argumentiert, Andre K. sei formal als Beschuldigter belehrt worden. Er sei eindeutig darauf hingewiesen worden, dass ihm das Recht zustünde, nichts zu sagen oder einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Erfolgt sei ferner ein Hinweis darauf, keine Angaben zu belastenden Umständen tätigen zu müssen. Andre K. habe die dies belegenden Protokolle unterschrieben, die die Formulierung „Nach Belehrung möchte ich mich zur Sache äußern“ enthielten. Andre K. sei zwei Mal formal belehrt worden.

RA Hoffmann argumentiert in der Begründung gegen den Antrag des RA Junge, dass Andre K. erstens bereits zu Beginn seiner Vernehmung zunächst als Beschuldigter, dann als Zeuge belehrt worden sei. Eine Täuschung über die Rechte des nunmehr Angeklagten oder Willkür seien nicht erkennbar. Zweitens sei eine erneute Belehrung als Beschuldigter erfolgt nach der Aussage von Andre K., nicht zu wissen wer die Scheibe eingeworfen habe. Es habe sich dabei um eine ausreichende Beschuldigtenbelehrung gehandelt. Drittens sei der Moment der Zeugen- in eine Beschuldigtenbelehrung nicht erfolgt, um zuvor selbstbelastende Aussagen mit dem Trick der weniger Rechte vermittelnden Zeugenvernehmung zu erreichen. Vielmehr habe zunächst eine vollständige Belehrung stattgefunden. Somit liege im Ergebnis kein Beweiserhebungs- oder Verwertungsverbot vor.
Die Staatsanwaltschaft schließt sich „im Grunde“, so Kästner-Hengst, der Stellungnahme an.

RA Weidmann erklärt weiter, es könne gar keinen Zweifel geben, dass Andre K. auch schon vor der Vernehmung belehrt worden und danach mit zur Polizei gegangen sei. Das Wissen des Andre K. über seine Beschuldigtenposition und die ordnungsgemäße Belehrung stünden somit außer Zweifel. Um 14:00 Uhr wird der Verhandlungstag beendet. Die nächste Verhandlung findet voraussichtlich am kommenden Mittwoch, 16.03.2016, ab 09:30 Uhr statt.

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Tag 10 – 16.03.2016

Der zehnte Verhandlungstag am 16.03.2016 beginnt mit einem Befangenheitsantrag des RA Waldschmidt gegen den Vorsitzenden Richter Pröbstel. Danach gewährt der Verhandlungstag in Blitzlichtern Einblick in die Nähe einzelner Angeklagten zu neonazistischen Ideologien.
Zeugin 1, Verlobte des Angeklagten Mario S., beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Zeuge 2 ist beteiligter Polizeibeamte der Vernehmung der Zeugin M., der sich jedoch kaum an die Vernehmung und insbesondere nicht an die für die Prozessbeteiligten interessante Autokennzeichenliste erinnern kann. Die Zeugen 3 und 4 sind Polizeibeamte, die in der Nacht nach dem Überfall auf die Kirmesgesellschaft im Gelben Haus waren. Sie berichten unter anderem davon, dass ihnen das Auto des Angeklagten Tony S. auf der Fahrt nach Ballstädt entgegen kam.
Die fünfte Zeugin gibt, als Bewohnerin von Ballstädt und Mitwirkende in der Ballstädter „Allianz gegen Rechts“, einen Überblick über ihre Erkenntnisse in den Tagen nach dem Überfall. Wie erwartbar wird sie zudem ideologisch-motivierten Angriffen der Verteidigung ausgesetzt. Derweil hat die Zeugin Gal., Ex-Freundin des Angeklagten Markus B., das Recht zugestanden bekommen, sich anwaltlichen Beistand zu organisieren, bevor sie erneut geladen wird..

Zu Beginn der Verhandlung erklärt der Vorsitzende Richter Pröbstel, dass die Zeugin Christina H. mitgeteilt habe, an einer Augenentzündung zu leiden, weshalb sie heute nicht erscheinen könne. Auch eine andere Zeugin habe den Termin abgesagt, stattdessen sei ein anderer Zeuge geladen worden.

Rechtsanwalt (RA) Waldschmidt bittet um das Wort und verliest einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Pröbstel. Dies ist der erste Befangenheitsantrag seit dem zweiten Verhandlungstag am 16.12.2015. RA Waldschmidt begründet seinen Antrag mit einem Anruf von Pröbstel in seiner Kanzlei am Vortag, den 15.03.2016. Um 09:46 Uhr habe Pröbstel in der Kanzlei von RA Waldschmidt die Mitarbeiterin Frau Löw erreicht und ihr mitgeteilt, dass RA Waldschmidt nicht „an seiner Verhandlung“ teilnehmen wolle. Pröbstel habe dabei ein Telefax von RA Waldschmidt vom 14.03. ignoriert, in dem auf die plötzliche Erkrankung eines Verteidigers im Verfahren vor dem Landgericht (LG) Koblenz hingewiesen worden sei. Trotzdem habe Pröbstel wissen wollen, wen man stattdessen zu „seinem“ Prozess „schicken“ wolle. Laut RA Waldschmidt muss sich Frau Löw nicht so ansprechen lassen, wie Pröbstel sie angesprochen habe. Zudem habe Pröbstel ihn [RA Waldschmidt] auf seiner ihm bekannten Handynummer anrufen können statt mit der Mitarbeiterin in seiner Kanzlei zu sprechen. Dies bezeuge eine Unbeherrschtheit und Unsachlichkeit des Vorsitzenden Richters Pröbstel. Zudem sei auch die Formulierung, dass RA Waldschmidt „nicht an seiner Verhandlung teilnehmen [wolle]“, unsachlich und begründe Sorge der Befangenheit. Der Vorsitzende Richter betrachte die Prozessbeteiligten offenbar nicht in einem Gleichordnungs-, sondern in einem Unterordnungsverhältnis. Pröbstel entgegnet dem Antrag gelassen und kündigt die Weiterverhandlung nach § 29 StPO [Unaufschiebbare Amtshandlungen] an. Die Kammer wird also später über den Antrag entscheiden, damit die heutige Hauptverhandlung durch den Befangenheitsantrag nicht unterbrochen wird.

RA'in Pietrzyk regt an, dass die Zeugin Christina H. über einen Amtsarzt ihr heutiges Fernbleiben entschuldigen möge. Pröbstel antwortet, die Zeugin sei aufgefordert worden, ein Attest vorzulegen.

Die erste Zeugin

Die erste Zeugin betritt den Gerichtssaal um 09:56 Uhr. Sie gibt an, seit 2015 mit dem Angeklagten David S. verlobt zu sein und von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Daraufhin wird sie unvereidigt aus dem Zeugenstand entlassen.

Der zweite Zeuge Sven G.

Als nächstes wird der Polizeibeamte Sven G. um 09:58 Uhr als Zeuge aufgerufen. Er ist Beamter des Thüringer Landeskriminalsamts (LKA). Sven G. war bei der polizeilichen Vernehmung der Zeugin M. [siehe Tag 8] anwesend. Er erklärt jedoch, dass er die Ladung zu dieser Verhandlung erst vor zwei Tagen erhalten habe und nichts gelesen habe. Er bittet daher um Erklärung, was passiert sei. Pröbstel erklärt, die Zeugin M. habe angegeben, nachts Geräusche gehört zu haben, was das Einwerfern der Fensterscheibe am Objekt in der Hauptstraße 29 („Gelbes Haus“) gewesen sein könnte. Während der Vernehmung sei der Herr M. erschienen und habe eine Liste mit Autokennzeichen vorgelegt. Sven G. erklärt, sich daran zu erinnern, dass Frau und Herr M. „sensible Leute“ gewesen seien. An eine Liste mit Autokennzeichen kann er sich jedoch nicht erinnern. Pröbstel hält vor, es liege eine dreiseitige Kennzeichenliste vor, teilweise mit Zuordnung der entsprechenden Modelle. Sven G. erinnert sich nicht daran, ob sein Kollege Sebastian H. vielleicht die Liste aufgeschrieben habe. Einen weiteren Vorhalt von Pröbstel beanstandet RA Bunzel mit der Begründung, der Vorhalt diene nur der Gedächtnisstütze. Bei gänzlich fehlender Erinnerung dürfe kein Vorhalt mehr gemacht werden. Pröbstel erklärt, das gesamte Protokoll der polizeilichen Vernehmung vorlesen zu dürfen. RA Waldschmidt pflichtet dagegen RA Bunzel bei. Oberstaatsanwalt (OStA) Kästner-Hengst wendet ein, es ginge gerade um die Klärung der Frage, ob noch eine Erinnerung vorliege. Pröbstel zitiert § 253 I StPO: „Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, dass er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann er hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.“ RA Kahlen ergänzt, dass sich der Zeuge doch erinnern könne, zum Beispiel habe er seinen Kollegen Sebastian H. als Beteiligten der Vernehmung benannt. RA Bunzel erwidert, es liege jedoch keine Erinnerung an die Liste vor und fordert einen Gerichtsbeschluss zu seiner Beanstandung, bevor ein Vorhalt gemacht werde.

Während Pröbstel überlegt, bittet RA Waldschmidt um das Wort. Pröbstel führt energisch aus, dass er ihm das Wort nicht erteile. Dann fragt Pröbstel den Zeugen, ob über Autokennzeichen gesprochen worden sei. Sven G. erinnert sich, dass Herr M. im Verlauf der Vernehmung der Frau M. dazugestoßen sei, an eine Liste mit Autokennzeichen wiederum erinnert er sich nicht. Wer das Protokoll der Verhandlung geführt hat, weiß der Zeuge ebenfalls nicht. Auf Nachfrage, wie KFZ-Kennzeichen in die Vernehmung hätten eingebracht werden können, führt Sven G. aus, dass wohl Gespräche mit Frau und Herrn M. geführt und die Informationen im Protokoll zusammen getragen worden seien. Sven G. erinnert sich, dass Herr M. „sehr aktiv“ habe berichten können.

RA Waldschmidt führt aus, dass Pröbstel ihn soeben auf die gleiche Art abgewürgt habe wie Frau Löw in seiner Kanzlei. Er fordert deshalb einen Antrag auf Unterbrechung für einen unaufschiebbaren Antrag. Pröbstel erklärt, nicht auf die gleiche Art mit Frau Löw gesprochen zu haben. OStA Kästner-Hengst kritisiert den Zeugen scharf: Dieser habe die Ladung vor zwei Tagen erhalten und hätte sich in den Sachverhalt einlesen können. „So lang ist das Protokoll nicht.“ Weiter sagt er: „Ich finde das nicht besonders witzig!“ und mahnt den Zeugen, sich seine Aussagen zu merken. Sven G. wird daraufhin um 10:10 Uhr unvereidigt entlassen. Bis zur nächsten Zeugenvernehmung um 10:30 Uhr findet eine Pause für die Beteiligten statt.

Der dritte Zeuge Sebastian H.

Um 10:43 Uhr beginnt die Vernehmung des Polizeikommissars (PK) Sebastian H., der für die Polizeidirektion Gotha arbeitet. Er war in der Nacht vom 08. auf den 09.02.2014 im Einsatz auf Streifendienst mit den Kollegen Markus H. und Uwe W. Von der Nacht berichtet er sinngemäß:

„Gegen 02:30 Uhr erhielten wir einen Funkspruch mit der Information einer Schlägerei in Ballstädt. Zu der Zeit befanden wir uns zwischen Crawinkel und Ohrdruf. 20 bis 30 Minuten später sind wir als letzter Streifenwagen in Ballstädt eingetroffen. Auf dem Weg nach Ballstädt kam uns bei Bufleben ein Fahrzeug entgegen, dessen Kennzeichenfragment ich mir merkte: UH-TS, darauf folgten drei Ziffern. Die Personenanzahl im Auto habe ich nicht festgestellt. In Ballstädt bekamen wir den Auftrag zur Ortsabsuche nach Personenbewegungen. Zu dem Zweck leuchteten wir auch angrenzende Felder ab, wir fanden aber niemanden.

Am Objekt Hauptstraße 29 bemerkten wir eine eingeworfene Fensterscheibe. Als der Hauseigentümer Andre K. eintraf, hielt ich kurz mit ihm Rücksprache. Wir nahmen eine kurze Inaugenscheinnahme des Hauses vor, wozu wir durch das Haus durchgelaufen sind. Wir trafen dort aber auf keine Personen. Ich habe auch den Raum mit der eingeworfenen Fensterscheibe gesehen. Im Außenbereich, unweit der Bushaltestelle, lag ein kleiner Knüppel, so ein kleiner Stock, den wir sicherstellten. Später ist der PKW mit dem Kennzeichenfragment vorgefahren, der mir bei Bufleben aufgefallen war. Tony S. und seine Freundin waren im Fahrzeug. Ich bin mir sicher, dass es genau das Fahrzeug war, was ich zuvor gesehen hatte. Es war das gleiche Kennzeichenfragment und das gleiche Autofabrikat, ein VW Golf 4.

Nach dem Eintreffen in Ballstädt hatten wir die ganze Ortslage abgesucht, von Ortsschild zu Ortsschild. Die Entfernung vom Kulturhaus, wo die Schlägerei stattfand, und dem Objekt Hauptstraße 29 beträgt maximal 100 Meter. Bei der Absuche fiel mir nichts Außergewöhnliches auf. Am Objekt Hauptstraße 29 stellten wir – meine ich – drei Fahrzeuge fest. Dann traf Andre K. ein. Ich meine, nicht selbst mit ihm das Gespräch gesucht zu haben. Zusammen mit ihm sind wir in das Haus gegangen. Tony S. hatte ich zuvor nicht gekannt. Im Nachgang seiner Ankunft hatten wir die Personalien festgestellt. Die Frau an seiner Seite war Christina H., mit der er – wie ich später erfuhr – in Partnerschaft lebt. Christina H. ist auch Bewohnerin des Objekts Hauptstraße 29. Das besagte Fenster wurde von außen mit einem Stein eingeworfen. Das Fenster gehörte zu einem Spielraum, in dem ein Billardtisch oder ein Spielautomat stand. Der Stein wurde sichergestellt. Mit den drei Personen, Tony S., Christina H. und Andre K., führte ich keine weiteren Gesprächen.

Auf Nachfrage des OStA Kästner-Hengst konkretisiert Sebastian H., um 02:58 Uhr in Ballstädt eingetroffen zu sein. Keine zwei Minuten zuvor sei man dem besagten Auto entgegen gekommen, die Begegnung sei ja am nächsten Ort gewesen. Das Auto sei zügig unterwegs gewesen. Der Steinwurf am Objekt Hauptstraße 29 habe das Erdgeschoss betroffen. Der Stein wurde im Zimmer aufgefunden. Das Zimmer sei eine Art Gemeinschaftsraum zur Freizeitbeschäftigung gewesen. OStA Kästner-Hengst weist darauf hin, dass Menschen behauptet hätten, der Stein sei in einem Kinderbett gelandet und nur durch einen glücklichen Zufall sei kein Kind verletzt worden. Der Zeuge sagt, dass in dem Zimmer kein Kinderbett gestanden habe und der Stein auf dem Boden gelegen habe. An Schlagwaffen in dem Zimmer hat der Zeuge keine Erinnerung. Der im Außenbereich aufgefundene Knüppel sei ein kleiner Gegenstand gewesen; ein kürzerer stockähnlicher Gegenstand. Dieser sei auf einer Grünfläche nahe einem Löschwasserteich gefunden worden. Der Gegenstand sei industriell hergestellt und lackiert gewesen. An die Farbe erinnert sich der Zeuge nicht.

Auf die Frage von RA'in Pietrzyk, ob dem Zeugen am Stein etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, sagt der Zeuge, an der Sicherstellung des Steines nicht beteiligt gewesen zu sein und daher nichts dazu sagen zu können. An eine rote Serviette kann sich der Zeuge ebenso wenig erinnern wie an Banner und Fahnen, beispielsweise mit „Freiheit für Wolle“-Slogan. Im Nachgang hat sich der Zeuge an einer Hausdurchsuchung in der ehemaligen Wohnung des Tony S. in Aschara beteiligt. Dort seien Gegenstände sichergestellt worden, darunter Pyrotechnik. Ob Waffen gefunden worden seien, weiß der Zeuge nicht. Auf Vorhalt bejaht der Zeuge, dass folgende Gegenstände aufgefunden worden seine: Eine Statue mit Hakenkreuz, eine Luftdruckpistole, ein Glas mit der Aufschrift „Il Duce con Hitler“, ein Camouflage-Messer. Gegenüber RA Kahlen kann sich der Zeuge nicht an die Größe des Steins erinnern, mit dem das Fenster eingeworfen worden sei.

Auf Nachfrage von RA Lippold erklärt der Zeuge, nicht auf weitere durch den Stein verursache Beschädigungen, beispielsweise am Billardtisch, geachtet zu haben. Vielleicht habe es Beschädigungen am Boden gegeben. Der Zeuge meint, der Stein habe sich mindestens eine Billardtischlänge im Raum befunden, genauere Angaben wären bloße Mutmaßungen.

Gegenüber RA Adam gibt der Zeuge an, nach dem 08.02.2014 entsprechend abgeordnet gewesen zu sein und mehrere Wochen in Ermittlungstätigkeiten um den Ballstädter Überfall involviert gewesen zu sein. Bei einer Hausdurchsuchung in Sonneberg, bei David S., sei er aber nicht gewesen. Auf Vorhalt eines Aktenvermerks des Zeugen vom 18.02.2014, dass bei David S. Pyrotechnik und ein „schwarzer Schlagring – metallisch“ sichergestellt worden seien, erklärt Sebastian H., dass die Ergebnisse der Hausdurchsuchung möglicherweise in Gotha durch ihn notiert worden sein.

Auf Nachfrage von RA Schwarz sagt der Zeuge, in der Nacht am Objekt Hauptstraße 29 maximal Gespräche im Kollegenkreis geführt zu haben.

RA Weidmann fragt, ob bei der Hausdurchsuchung in Aschara eine Fotodokumentation angefertigt worden sei. Der Zeuge bejaht, dass ein Fotodokumentationsteam Bilder angefertigt habe, die an die BAO Zesar (Besondere Aufbauorganisation – Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärungen – Rechts) weitergeleitet worden seien und sich in den Akten befinden müssten. Die Masse der Gegenstände vor Ort sei in einem Schrank gefunden worden. Bei der Hausdurchsuchung seien sie in einem Zimmer mit Abstellraumcharakter gewesen, das wohl das ehemalige Zimmer von Tony S. gewesen sein soll. Der Zeuge sagt auf Nachfrage, das es sein könne, dass dort auch ein Anstecker mit Hakenkreuz und eine Glaskugel mit Adler und Hakenkreuz gefunden worden seien. Am 09.02.2014 sei der Zeuge selbst nicht am Kulturhaus gewesen.

RA Adam kommt noch einmal auf die Hausdurchsuchung bei David S. zurück und fragt, ob Sebastian H. die asservierten Gegenstände, darunter Schlagring und Pyrotechnik, selbst gesehen habe. Der Zeuge erklärt, dass die Gegenstände vorgelegen hätten. Die relevanten Gegenstände habe er auch gesehen. Der Zeuge kann sich an die, laut Aktenvermerk, sichergestellte Jacke „Thor Steinar“ und die Jacke „Weiße Wölfe“ nicht erinnern. [Zur Info: Die „Weiße Wölfe Terrorcrew“, die aus der Neonazi-Band „Weiße Wölfe“ hervorging, wurde am Vormittag des Verhandlungstages durch das Bundesinnenministerium verboten⁹]

Um 11:13 Uhr wird der Zeuge Sebastian H. unvereidigt entlassen.

Der vierte Zeuge Markus H.

Der Zeuge und Polizeibeamte Markus H. von der Landespolizeidirektion Gotha betritt um 11:14 Uhr den Gerichtsaal. Er erklärt sinngemäß:

„In der Nacht vom 08. auf den 09.02.2014 waren wir zu dritt im Einsatzfahrzeug, meine Kollegen waren Sebastian H. und Uwe W. Wegen der Information einer Auseinandersetzung bei einer Kulturveranstaltung trafen wir gegen 3 Uhr in Ballstädt ein. Wir suchten den Ort nach verdächtigen Tatfahrzeugen ab. Am Objekt Hauptstraße 29 war eine Scheibe eingeworfen. Das Haus wurde uns durch einen Bewohner geöffnet, im Haus trafen wir niemanden an.

Ich saß hinten im Fahrzeug. Zwischen Gotha und Ballstädt hatte der Kollege Sebastian H. ein Autokennzeichen eines uns entgegen kommenden Fahrzeugs notiert. Im Kulturhaus selbst sind wir nicht gewesen. Wir hatten bei unserer Absuche der Umgebung den entsprechenden Kreis allmählich erweitert. Vom Kulturhaus zur Hauptstraße 29 sind es 50 – 100 Meter. Direkter Blickkontakt besteht jedoch nicht, weil das Kulturhaus weiter rein versetzt ist und dort eine Mauer steht. Die eingeworfene Fensterscheibe befand sich im Erdgeschoss, die Ursache der Beschädigung war drinnen erkennbar. Im Partyraum lag ein Stein oder irgendwas. Um 03:25 Uhr kam derjenige, der zum Haus gehörte. Das war der Bewohner oder Verantwortliche des Hauses Andre K. Wir sind durch die Tür in das Haus hinein gegangen. Andre K. hatte uns hereingelassen. Das besagte Zimmer bezeichne ich als Partyraum, weil dort ein Billardtisch oder irgendwas war. Gegen 05:30 Uhr kam ein Fahrzeug mit einer Hausbewohnerin und einer männlichen Person an. Der Kollege Sebastian H. erkannte das Fahrzeug von unserer Fahrt nach Ballstädt wieder.

Für Ermittlungen am Tatort war der Kriminaldauerdienst verantwortlich. Im Gebäude selbst habe ich nichts gefunden. Zu der Aussage von Sebastian H., am Feuerlöschteich etwas gefunden zu haben, kann ich nichts sagen. Ein halbes, dreiviertel Jahr später hatte ich in der Angelegenheit noch einmal den Auftrag, eine Lichtbildvorlage von Masken vorzulegen. Zu den damaligen Erkenntnissen kann ich mich täuschen, ich meine aber, dass keiner etwas Definitives sagen konnte. Ich legte die Lichtbildvorlage aber auch nicht vielen vor, vielleicht zwei oder drei Menschen.“

RA Schwarz fragt, warum die Polizeibeamten zu dritt im Fahrzeug gewesen seien. Der Zeuge führt aus, sie wären im Sonderdienst gewesen, der nicht direkt Aufträge vom polizeilichen Notruf erhält, sondern beispielsweise Verkehrs- oder Objektkontrollen durchführt. Dass sie dabei zu dritt seien, sei nichts Ungewöhnliches. Zudem meint der Zeuge, dass vermutlich Uwe F. der Fahrer und Sebastian H. als Dienstgradhöchster der Beifahrer gewesen sei. Zuletzt fragt RA Lippold nach dem Stein der eingeworfenen Fensterscheibe. Der Zeuge hat an diesen keine Erinnerung und kann auch zu Lage und Größe des aufgefundenen Steines keine Angaben machen. Der Zeuge Markus H. wird um 11:25 Uhr unvereidigt entlassen. Danach findet eine Mittagspause bis 13:30 Uhr statt.

Nach der Mittagspause verliest der Vorsitzende Richter Pröbstel ein Schreiben, in dem Bezug auf die Telefonüberwachung einiger Angeklagten durch den Verfassungsschutz genommen wird. Laut dem Schreiben erfolgen solche Maßnahmen auf Antrag der Verfassungsschutzbehörden und mit Genehmigung der G10-Kommission des Thüringer Landtags. Es wird ferner auf das Verfassungsschutzgesetz verwiesen. Pröbstel kommentiert, dass diese Antwort ihn nicht zufrieden stelle und er den entsprechenden Antrag und die Bescheidung haben möchte und anfordere. Zudem gibt er bekannt, dass er in der Pause eine dienstliche Stellungnahme verfasst habe, die in erster Linie für RA Waldschmidt bestimmt sei.

Die fünfte Zeugin N.P.

Um 13:37 Uhr betritt die Zeugin N.P. in Begleitung eines Beistands den Gerichtssaal. Die Zeugin erklärt sinngemäß:

„Ich kann zur Sache nicht viel sagen, weil ich nicht dabei war. Am nächsten Morgen, den 09.02.2014, erfuhr ich über Handy und über Menschen im Dorf von dem nächtlichen Überfall auf die Kirmesgesellschaft. An dem Morgen gab es sehr sehr viele Nachrichten in whatsapp-Gruppen. Der Vorfall sorgte von allen Seiten für Aufregung. Ich selbst bin Vereinsvorsitzende eines Schautanzvereins. Vereine und Freundeskreise kennen sich und so sprechen sich Nachrichten schnell herum. Ich denke, dass ich gegen 09:30 Uhr von dem Überfall Kenntnis genommen habe. Ich habe das Handy erst morgens angemacht. Dann sah ich viele Nachrichten auf whatsapp, teilweise wurden sie nachts geschrieben.

Mein Kenntnisstand an dem Morgen war, dass es einen Überfall auf die Kirmesgesellschaft mit vielen Verletzten gegeben habe und der Saal ganz ganz schlimm aussehe. Ich dachte zunächst an einen Scherz. Ich sah die Nachricht dann aber in verschiedenen Gruppen und dass mitgeteilt wurde, wer wie schwer verletzt und wer im Krankenhaus sei. Ich bin nicht sicher, ob es Informationen zu den Angreifern gab; wenn, dann waren es Mutmaßungen. Eine nächtliche Nachricht erwähnte Tony S. Sinngemäß hieß es darin, dass Tony S. zusammen mit einer Freundin im Auto vor dem Kulturzentrum gesehen worden sei, nach der Kirmesveranstaltung gefragt habe und dass das irgendwie komisch sei. Auf Vorhalt kann ich bestätigen, dass Zeug*innen, die draußen gestanden hätten, berichteten, dass sie bei der Stürmung des Kulturzentrums eine weibliche und eine männliche Person vor dem Kulturzentrum gesehen hätten. Er habe zu den Zeug*innen etwas wegen einer Fensterscheibe geschrien, sie sei weiter gegangen und habe mit einer Stoppuhr am Eingang gestanden und nach kurzer Zeit gerufen: „Zwei Minuten sind um – alle raus!“ Ariane S. soll wohl auf Fotos als die weibliche Person erkannt worden sein. Weitere Recherchen führten zum Beispiel zum facebook-Profil von Thomas W. Dort gab es ein Foto mit einem Stein und darunter wurde sich darüber lustig gemacht, ob man eine Mahnwache für den Stein abhalten solle. Der Name von Ariane S. fiel bereits am Sonntag, der Vorfall auf der facebook-Seite von Thomas W. wurde ein paar Tage später bemerkt. Ich weiß auch, dass Christina H. im Auto mit Tony S. gewesen sein soll. Ich kenne sie nicht, aber ihr facebook-Profil, auf das ich über das Profil von Tony S. gekommen bin. Es gab am Sonntag Nachmittag ein Treffen auf dem Rittergut, zu dem 30/40 Leute aus dem Dorf kamen, vor allem Mitglieder aus verschiedenen Vereinen. Nach dem nächtlichen Überfall wollte man zusammenrücken. Bei dem Treffen rief auch jemand das Profil von Christina H. auf, woraufhin jemand sagte: ‚Ne, die war das nicht.‘ Im Verlauf wurde Ariane S. als die Frau mit der Stoppuhr identifiziert.

Für das Bündnis ‚Allianz gegen Rechts‘ habe ich die Pressearbeit gemacht. Die Kirmes hat mit dem Bündnis nicht direkt etwas zu tun. Das Bündnis ist ein loser runder Tisch. Viele aus dem Dorf beteiligen sich als Privatpersonen an und in dem Bündnis. Man hat bei dem Treffen auf dem Rittergut geglaubt, dass der Angriff vom Gelben Haus ausging. Christina H. und Tony S. wurden diesem Haus zugerechnet, Ariane S. war für mich ein neuer Name. Von der eingeworfenen Fensterscheibe habe ich an dem Nachmittag das erste Mal gehört; wegen der Frage der Täter nach der eingeworfen Fensterscheibe während des Überfalls. Wir fragten uns, ob damit auf einen Vorfall von Anfang Dezember hingewiesen werden sollte, weil da ein Fenster am Gelben Haus eingeworfen wurde. Der Zusammenhang mit dem Überfall konnte sich jedoch nicht erklärt werden. Ich weiß nicht, ob die Zeugin M., die eine Bekannte unserer Familie und Nachbarin ist, bei dem Treffen dabei war. Ich weiß aber, dass M. berichtet haben soll, nachts ein Klirren gehört zu haben und dass Personen mit schwarzen Kapuzen lachend vor dem Gelben Haus gestanden hätten. Diese Information brachte meines Erachtens der Polizist S.T. ein, ich erinnere mich jedoch nicht mehr an die konkrete Situation, in der er das sagte.“

Die Zeugin nennt einige Personen, die vermeintlich auf dem Treffen am Sonntag um 16 Uhr auf dem Rittergut dabei waren. Sie gibt auf Nachfrage an, dass keine Anwält*innen vor Ort gewesen seien, zumindest sei ihr das nicht bekannt gewesen und Fremde seien nicht bei dem Treffen gewesen.

RA Lippold weist auf die whatsapp-Nachricht einer Person vom 08.02.2014 um 21:48 Uhr hin. Die Zeugin bejaht, den Verfasser zu kennen. RA Lippold hält vor, die Person habe geschrieben: „Die Bewohner des Gelben Hauses sind gesammelt auf Ausflug gefahren.“ Auf Nachfrage gibt die Zeugin als möglichen Grund für die Nachricht an, dass es wohl auffällig gewesen sei, wenn alle Hausbewohner gemeinsam gehen. Die whatsapp-Gruppen, erklärt die Zeugin ferner, trügen beispielsweise den Namen der entsprechenden Vereine. N.P. erinnert sich an die Nachricht von H., der sinngemäß geschrieben habe, dass Tony S. vor dem Haus getroffen worden sei, er ihm jedoch mitgeteilt habe, dass es sich um eine geschlossene Veranstaltung handele. Sinngemäß habe er fortgefahren: „Schaut mal, das war irgendwie komisch. Macht mal vielleicht langsam Schluss.“ Ob dieser beschriebene Vorfall bemerkenswert gewesen sei, fragt RA Lippold. RA'in Pietrzyk beanstandet die Frage, weil es um die Wahrnehmung der Zeugin gehe und nicht um die Intention anderer Menschen. RA Lippold betont, dass es um ja gerade um die Wahrnehmung der Zeugin gehe. Diese erklärt, nach Zulassung der Frage durch Pröbstel, dass die Situation auffällig gewesen sei. Die Gesamtsituation könnte Angst ausgelöst haben, da sich die Leute vom Gelben Haus sonst nicht im Dorf bewegten. Zudem habe es am 08.02. auch eine Demonstration von Neonazis in Weimar gegeben. RA Lippold fragt, ob die Zeugin selbst sich mal mit den Bewohner*innen des Geleben Hauses getroffen oder Konflikte mit diesen gehabt habe, was die Zeugin verneint.

RA'in Taakens möchte wissen, wann N.P. von der whatsapp-Nachricht des H. erfahren habe. Die Zeugin antwortet, sie habe morgens die Nachrichten gelesen und immer weiter hochgescrollt. Die Nachricht von H. dürfte sie dann vielleicht gegen 10 Uhr gelesen haben. An eine Antwort auf die Nachricht von H. kann sich die Zeugin nicht erinnern. Weiter fragt RA'in Taakens, woher nach Einschätzung der Zeugin die Angst im Dorf vor den Bewohner*innen des Gelben Hauses rühre. Die Zeugin beschreibt eine allgemeine Angst im Dorf vor den Personen, die als gewalttätige Rechtsextreme bekannt waren. Es habe auch Erzählungen gegeben, dass eine Person des Hauses einen Hitlergruß gezeigt habe. Auf facebook bestätigt sich laut der Zeugin der Eindruck, dass „die nicht so freundlich sind.“ Ihr konkret bekannt sei die Geschichte mit dem Hitlergruß. Zudem habe die allgemeine Berichterstattung Informationen verbreitet. Eine Woche nach dem Einzug der neuen Bewohner*innen habe es eine Razzia im Gelben Haus gegeben. Da dies am ersten Schultag stattgefunden habe und sich die Schule in Ballstädt gegenüber vom Gelben Haus befinde, hätten die Kinder die vielen Polizeiautos vor dem Haus gesehen. Dass die Zeugin gehört habe, dass einer der Bewohner*innen ins Gefängnis gegangen sei, bestätige den aufgekommenen Gesamteindruck.

Gegenüber RA Waldschmidt führt die Zeugin aus, dass sie zu Tony S. keinen Kontakt habe, außer dass man gemeinsam die Grundschule besucht habe. Soweit sie es wisse, bestünden auch sonst keine besonderen Verbindungen von Menschen aus Ballstädt zu Tony S. RA Waldschmidt meint sinngemäß: „Die Nachricht, dass Tony S. vor dem Kulturzentrum gewesen ist, ist also nur deshalb in whatsapp reingeschrieben worden, weil er im Gelben Haus wohnt.“ Weiter fragt RA Waldschmidt sinngemäß: „Ist Ballstädt also wie ein bayrisches katholisches Dorf, das Angst hat, wenn dort zwei Frauen mit roten Haaren hinziehen?“ RA Weidmann beanstandet die Frage, weil der Vergleich unangebracht sei. RA'in Lang kritisiert ebenfalls die Frage und die Beschreibung von vermeintlichen Verhältnissen in Bayern. Pröbstel seufzt und fragt, wo der Verteidiger mit der Frage hinwolle. RA Waldschmidt formuliert die Frage um, ob die Angst nur damit begründet sei, dass Fremde im Gelben Haus wohnten. Die Zeugin N.P. erklärt, dass es bereits im Vorfeld der Razzia verschiedene Informationsveranstaltungen mit Erkenntnissen zu den neuen Bewohner*innen gegeben habe. Dabei sei es auch um die neonazistischen Netzwerke in Crawinkel gegangen, wer dort gewesen sei und wer von dort nun nach Ballstädt ziehe.

RA Waldschmidt meint, die Zeugin habe sich zuvor „ein bisschen darüber lustig gemacht“, dass auf der facebook-Seite von Thomas W. über eine Mahnwache für einen Stein gesprochen worden sei und fragt nach dem Grund dafür. Die Zeugin erklärt, dass sie sich darüber nicht lustig gemacht habe, sondern sie sich darüber ärgere. Nach dem Überfall habe ein Riesenchaos im Dorf geherrscht. Mit der Situation habe man nicht gerechnet. Alle seien schockiert gewesen, weshalb der Witz auf der facebook-Seite unangebracht gewesen sei. Die Zeugin stellt klar: „Ich fand's überhaupt nicht lustig.“ RA Waldschmidt fragt weiter, ob die Zeugin sich nicht auch Gedanken zu einer entsprechenden Mahnwache mache, wenn zum zweiten Mal Nachbarn einen Steinwurf gegen das eigene Haus begehen würden. RA'in Pietrzyk schreitet ein und fragt, ob es sich vorliegend nicht eher um allgemeine Ausführungen handele. Zudem sei vollkommen ungeklärt, wer die Steinwürfe verübt habe, weshalb die „Nachbarn“ nicht als Täter bezeichnet werden dürften. Pröbstel bemerkt, dass sich ihm der Gedanke einer Mahnwache für einen Stein nicht erschließe. RA Held, der neben RA Junge sitzt, der vor Lachen über die Absurdität der Frage und der entsprechenden Diskussion bereits einen hochroten Kopf hat, bittet um eine Toilettenpause. RA Bunzel bittet ebenfalls darum, auf Toilette gehen zu dürfen. RA Waldschmidt stellt seine Frage zurück, damit die anderen Verteidiger auf Toilette gehen können.

Nach der Toilettenpause fragt RA Waldschmidt nach der Mahnwache, die anlässlich des Überfalls auf die Kirmesgesellschaft am 12.02.2014 veranstaltet worden sei. „Waren da Bürger aus Ballstädt anwesend?“ – „Ja, natürlich.“ – „Waren dort nur Bürger aus Ballstädt anwesend?“ – „Nein, viele kamen aus dem Umkreis: Gotha, Crawinkel, ...“ – „Waren Menschen aus Jena anwesend?“ Die Zeugin reagiert irritiert und sagt dann: „Aus Jena? Nein, ich denke nicht.“ RA Waldschmidt fragt weiter: „Waren Leute von der AntiFa anwesend?“ RA Kahlen beanstandet die Frage wegen fehlendem Sachzusammenhang zur angeklagten Tat. RA Waldschmidt führt aus, dass die AntiFa „nicht nur für friedfertige Aktionen“ bekannt sei. RA'in Pietrzyk erinnert daran, dass „die bekannte AntiFa hier nicht angeklagt“ sei, sondern Menschen, die nachts eine Kirmesgesellschaft überfallen und Menschen teilweise schwer verletzt haben sollen. Pröbstel bestätigt, dass ein Sachzusammenhang aus seiner Sicht nicht erkennbar ist. Die Fragen bezüglich des Steinwurfs stünden ferner auf „schmalem Eis“. Es sei unstreitig, dass es einen Farbangriff und einen Steinwurf gegen das Gelbe Haus gegeben habe. Das wisse die Kammer. Warum, fragt Pröbstel, erfolge nun das nähere Nachfragen? Die Motivation des Überfalls, fährt Pröbstel fort, könnten nur die Angeklagten erklären, die aber schweigen würden. Ob nun ein paar Tage nach dem Überfall jemand von der AntiFa auf einer Mahnwache gewesen sei, stehe in keinem Zusammenhang zum Angriff auf die Kirmesgesellschaft. RA Waldschmidt entgegnet, dass der Vorsitzende Richter „wohl nie Opfer von linksextremen Anschlägen“ geworden sei. RA Waldschmidt beschreibt die psychische Belastung nach Angriffen gegen das eigene Wohnhaus und weist darauf hin, dass die Angriffe auf das Gelbe Haus nach dem Überfall aufgehört hätten. Die Täter hätten im Endeffekt Erfolg gehabt. Nach kurzer Aufregung im Saal über diese Aussage, ergänzt RA Waldschmidt: „Ich habe dabei nicht für meinen Mandanten gesprochen.“ – „Für wen haben Sie denn dann gesprochen?“, fragt Pröbstel verärgert. Pröbstel führt ferner aus, dass auch seine politische Einstellung für den Prozess egal sei, außer, dass er seinen Eid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelegt habe. Pröbstel überlegt, wie ausgeprägt die Einstellung zu dieser Grundordnung im Saal sei und meint, dass nach den getätigten Aussagen die Verteidiger die Motivation für den angeklagten Angriff offenbar kennen würden. Im Ergebnis hält Pröbstel fest, dass er die Frage von RA Waldschmidt nicht zulässt. Wenn gemeint werde, dass sich das Gericht zu wenig bewege, könne sich das Gericht auch zurückziehen und zu der Entscheidung einen Gerichtsbeschluss fassen. RA Waldschmidt erklärt, nie geäußert zu haben, dass sich das Gericht zu wenig bewege. Er beantrage dennoch einen Gerichtsbeschluss. „Also bewegen wir uns doch!“, kommentiert Pröbstel den Antrag und zieht sich mit der Kammer in einen Nebenraum zurück. Nach wenigen Minuten wird der Kammerbeschluss verkündet, der die Entscheidung des Vorsitzenden Richters zur Zurückweisung der Frage von RA Waldschmidt zur Anwesenheit von Menschen der AntiFa auf der Mahnwache am 12.02.2014 bestätigt.

RA Waldschmidt fährt fort: „Frau Zeugin, haben Sie Erkenntnisse, wer die Fensterscheibe eingeworfen hat?“ N.P. verneint. Ferner erklärt die Zeugin, dass ihr der Wortlaut des S.T. beim Treffen auf dem Rittergut nicht erinnerlich sei. Sie wisse nicht, woher er von der Wahrnehmungen von Frau M. gewusst haben könne. Sie erinnere sich nicht mehr an die konkrete Situation, ob überhaupt S.T. und möglicherweise wie S.T. von den Wahrnehmungen der Frau M. berichtet habe. Anschließend wird die Zeugin um 14:31 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

Die sechste Zeugin Gal.

Anschließend betritt die letzte Zeugin des Tages den Gerichtssaal. Sie erklärt, die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten Markus B. zu sein [vgl. Tag 4, KK Thomas Bo. und KHK Ralf D. über die Vernehmung von Markus B.]. RA Giehler wendet ein, dass eine Belehrung der Zeugin nach § 55 StPO [Auskunftsverweigerungsrecht] erfolgen müsse. Pröbstel sagt, dass er die Zeugin deshalb gerade nach ihrem Beziehungsstand frage. Pröbstel erklärt, dass ihr damaliger Lebensgefährte möglicherweise an dem Ballstädt-Überfall vom 09.02.2014 beteiligt gewesen sei. Die Zeugin gibt an, sich kaum noch an die damalige polizeiliche Vernehmung vom 16.02.2014 zu erinnern, dass sie aber jedenfalls die Aussage verweigern wolle. OStA Kästner-Hengst erklärt, dass es offen sei, inwieweit der Zeugin ein Aussageverweigerungsrecht zustehe. Die Zeugin sagt, dass sie damals noch in einer Lebensgemeinschaft, „so was in der Art“, mit Markus B. gelebt habe. Man habe eine Partnerschaft geführt, aber nicht zusammen gewohnt.

Pröbstel fragt, ob die Zeugin noch wisse, wie es zu der polizeilichen Vernehmung gekommen sei. RA beanstandet die Frage als unzulässig, da der Zeugin seiner Ansicht zufolge ein vollumfängliches Aussageverweigerungsrecht zustehe, weil der Strafvorwurf der Strafvereitelung im Raum stehe. OStA Kästner-Hengst mahnt zu korrektem juristischem Sprachgebrauch, da der Verteidiger Fragen des Vorsitzenden Richters nicht beanstanden könne. Das habe man vor einigen Wochen gelernt. Vielmehr widerspreche der Verteidiger der Aussageverwertung. Nachdem der Vorsitzende Richter auf § 68b II StPO hingewiesen wird, erklärt Pröbstel der Zeugin, dass er sie nicht in Bredouille bringen wolle. Es sei möglich, dass sie den strafbaren Gehalt einiger ihrer Aussagen nicht überblicke, weshalb in solchen Fällen die Beiordnung eines anwaltlichen Beistands durch das Gericht in Betracht komme. Der Beistand übernehme die Fürsorge der Zeugin über juristische Fragen. Pröbstel und die Zeugin Gal. kommen darin überein, dass Gal. eine*n Rechtsanwält*in aufsuchen werde, den/die Pröbstel dann gegebenenfalls als Zeugenbeistand zulassen werde. Daraufhin wird Gal. um 14:40 Uhr unvereidigt entlassen. Beim Verlassen des Saales lächeln sich Gal. und Markus B. flirtend an und Gal. streicht über die Brust des Angeklagten. Die Nachfrage von RA'in Pietrzyk, ob das Attest der Christina H. bereits vorliege, verneint Pröbstel.

Die nächste Verhandlung findet wegen der Osterpause erst am Mittwoch, den 06.04.2016 statt. Weil RA Klemke dann wieder von RA Bunzel vertreten wird, der selbst am Vormittag verhindert ist, beginnt die Verhandlung am 06.04.2016 erst um 13:30 Uhr und sei „relativ kurz“ (Pröbstel). Danach wird die Verhandlung wieder im Mittwochs-Rhythmus um 09:30 Uhr beginnen.

Juristisches Schmankerl am Rande: Durch den Abschluss des zehnten Verhandlungstages besteht nun nicht mehr die Gefahr, dass wegen Erkrankungen drei Wochen keine Hauptverhandlung stattfindet und der Prozess dadurch „platzt“ und wiederholt werden muss – stattdessen hemmen Erkrankungen diese 3-Wochen-Frist nun für bis zu sechs Wochen, § 229 StPO.

Das Referat für Menschenrechte im Studierendenrat beendet hiermit aus zeitlichen Gründen die Protokollierung des Ballstädt-Prozesses. Interessierte Leser*innen seien auf http://ballstaedt2014.org/ verwiesen. Für mögliche Veröffentlichungen Dritter besteht die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu uns.

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Einzelnachweise:

  1. https://aagth.noblogs.org/post/2015/12/09/sued-thueringer-neonazis-pruegeln-immer-weiter/
  2. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-1610-delikte-in-zusammenhang-mit-unterkuenften-a-1067825.html
  3. Medien berichten vom Überfall und vom Prozessauftakt: http://www.mdr.de/thueringen/prozess-ueberfall-ballstaedt100.html; http://www.spiegel.de/panorama/justiz/prozessauftakt-in-erfurt-die-pruegelattacke-von-ballstaedt-a-1065651.html; http://www.taz.de/!5252958/; http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/02/09/brutaler-neonazi-uberfall-in-thuringen_15004; http://www.neues-deutschland.de/artikel/993323.nazi-parolen-zum-auftakt.html?sstr=landgericht; http://www.neues-deutschland.de/artikel/993323.nazi-parolen-zum-auftakt.html?sstr=landgericht|erfurt; http://publikative.org/2014/02/09/brutaler-neonazi-ueberfall-in-thueringen/
  4. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/ansgar-aryan-mode-mit-mehr-als-nordischem-mythos-9371
  5. http://wwnn.noblogs.org/nazikanzlei-waldschmidt-schliesen/
  6. http://www.lr-online.de/nachrichten/Tagesthemen-Als-Szene-Anwalt-zu-gelten-das-ist-mir-voellig-egal;art1065,4204562
  7. http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nahrath-wolfram
  8. § 100a StPO enthält einen „Katalog“ verschiedener Straftaten, zu deren Aufklärung auf die Maßnahme einer Telekommunikationsüberwachung ohne Wissen des Betroffenen zurückgegriffen werden darf.
  9. http://www.tagesschau.de/inland/weisse-woelfe-101.html; https://haskala.de/2016/03/16/neonazistische-organisation-weisse-woelfe-terrorcrew-hat-verbindungen-nach-thueringen/

Weitere Informationen und Hintergründe zum Prozess:

http://ballstaedt2014.org/
http://aagth.noblogs.org/
https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/tag/ballstadt/
http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/ballstädt-9466

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